Analyse
Gedenken an Warschauer Aufstand:"Wir dürfen und wir werden nicht vergessen"
von Patricia Wiedemeyer, Warschau
Vor 80 Jahren schlagen die Deutschen den Warschauer Aufstand brutal nieder. Bundespräsident Steinmeier gedenkt in Warschau der Opfer und wirbt um die deutsch-polnische Versöhnung.
In Polen wird den Opfern des Warschauer Aufstands gegen die Nazis vor 80 Jahren gedacht. Rund 200.000 Menschen wurden damals ermordet, Bundespräsident Steinmeier bat um Vergebung.01.08.2024 | 0:22 min
Steinmeier: "Ich bitte gerade heute, und gerade hier, um Vergebung"
Und es ist natürlich keine leichte Aufgabe, hier als deutscher Präsident zu stehen, 80 Jahre nachdem die deutsche Wehrmacht den Aufstand der polnischen Heimatarmee brutal beendet hat; 80 Jahre nach dem Massenmord an der Zivilbevölkerung und der fast vollständigen Zerstörung Warschaus durch die Nazis.
Er bittet das polnische Volk um Vergebung, "wir dürfen und wir werden nicht vergessen, welch unermessliches Leid wir Deutschen über unser Nachbarland gebracht haben, mit welcher Brutalität, mit welchem Vernichtungswillen die deutschen Besatzer gegen die gesamte Bevölkerung vorgegangen sind", sagt Steinmeier, "ich bitte gerade heute, und gerade hier, um Vergebung."
Applaus und Anerkennung für Steinmeier
Seine Rede wird Abschnitt für Abschnitt übersetzt, immer wieder gibt es Applaus und Anerkennung für seine Worte, vor allem aber für seine Forderung nach Konsequenzen, die daraus gezogen werden müssten: nie wieder Krieg, nie wieder Besatzung. Daher müsse heute die Ukraine weiter mit allen Mitteln unterstützt werden. Das ist die Botschaft, die zuvor auch der polnische Präsident Andrzej Duda in seiner Rede immer wieder betont hat.
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Dass die Polen das besonders betonen ist kein Wunder, schließlich folgte nach der deutschen Besatzung die sowjetische. Russische Truppen standen auf der anderen Seite der Weichsel, als die Deutschen den Aufstand niederschlugen, griffen jedoch nicht ein. Die Russen werden von Duda ebenso wie die Deutschen verurteilt. Nie wieder Besatzung - egal ob deutsch oder russisch, es lebe ein freies und unabhängiges
Polen.
Steinmeier trifft Überlebende des Warschauer Aufstands
Es sind einige wenige Überlebende des Warschauer Aufstands dabei. Mit ihnen hat sich Steinmeier zuvor getroffen, sie erzählen ihm, wie schwer es sei, die grauenhafte Besatzung durch Deutsche und Sowjets zu vergessen. Die Grausamkeit des Krieges möge eine Erinnerung sein, die Freiheit jeden Tag zu schützen, so auch ihre Botschaft.
Heute Morgen dann, am eigentlichen Jahrestag des Beginns des Aufstandes, trifft sich Steinmeier noch zum Gespräch mit seinem polnischen Amtskollegen. Dass man inzwischen von deutsch-polnischer Freundschaft sprechen könne, sei ein Erfolg, ja, aber es war ein langer Weg bis dahin.
Deutsch-polnische Versöhnung bleibt ein Thema
Steinmeier war in seiner Amtszeit bereits acht mal in Polen, mindestens einmal im Jahr. Doch ganz einfach war es nicht in den letzten Jahren mit einer rechten Regierung in Polen und einem Präsidenten, der sehr hart ist in seiner Rhethorik, der die deutsche Schuld sehr deutlich ausspricht, aber wenige Worte der Versöhnung findet.
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Wie schwierig es ist mit der deutsch-polnischen Versöhnung zeigte sich dann auch nach der Rede Steinmeiers. Ja, es gab viel Beifall, aber am Ende dann doch auch Zwischenrufe von zahlreichen Zuhörern. "Reparation, Entschädigung", riefen sie immer wieder. Von Politikern aus dem rechten Parteienspektrum in Polen werden sie immer wieder erhoben, die Forderungen nach weiteren Reparationszahlungen.
Die
Bundesregierung weist dies jedoch unter Berufung auf eine polnische Verzichtserklärung von 1953 zurück. Aber das Thema bleibt - trotz aller Bitten um Vergebung und aller Appelle, daraus für die Zukunft zu lernen.
Patricia Wiedemeyer ist Hauptstadtkorrespondentin des ZDF