Heil im ZDF: Bürgergeld kein bedingungsloses Grundeinkommen
Interview
Debatte um Bürgergeld:Heil: "Kein bedingungsloses Grundeinkommen"
von Stefanie Reulmann, Berlin
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Arbeitsminister Hubertus Heil plant härtere Sanktionen gegen "Totalverweigerer". Das Bürgergeld sei "kein bedingungsloses Grundeinkommen", sagt er im ZDF.
Arbeitsminister Heil (SPD) kündigt an, mit härteren Sanktionen gegen "Totalverweigerer" vorzugehen. Das Bürgergeld sei "kein bedingungsloses Grundeinkommen", sagt er im ZDF.07.01.2024 | 5:18 min
Die Kritik an Plänen von Arbeitsminister Hubertus Heil für Verschärfungen beim Bürgergeld reißt nicht ab. In der ZDF-Sendung "Berlin direkt" stellt der SPD-Politiker klar:
"Das war immer ungerecht. Das ist auch nicht in Ordnung", fügte der Minister hinzu. Denn betroffen seien vielfach alleinerziehende Frauen oder Menschen mit Einschränkungen, denen die Gesellschaft eine Chance einräumen müsse, wieder in Arbeit zu kommen.
Als Ausgleich für die Inflation ist der Regelsatz beim Bügergeld ab Januar deutlich gestiegen. Aus der Gastronomie kommt Kritik an der Erhöhung: Arbeit lohne sich immer weniger.05.01.2024 | 1:40 min
Der Sinn des Bürgergelds bestehe gerade darin, zum einen Menschen, die in Not geraten sind, "verlässlich abzusichern", und zum anderen, erwerbsfähige Menschen in Arbeit zu bringen. Die allermeisten Empfänger von Bürgergeld würden "konstruktiv" mitarbeiten, sagt der Minister.
Heil: Totalverweigerer sehr kleine Gruppe
Es gebe allerdings auch "eine sehr kleine Gruppe von Menschen, die Totalverweigerer sind" und "wiederholt zumutbare Arbeit ohne Grund ausschlagen". Diese Menschen könnten nicht damit rechnen, dass dieses Verhalten auf Verständnis treffe, weder beim Sozialstaat noch in der Bevölkerung, sagt der SPD-Politiker. Bei dieser Gruppe müsse man "ein deutliches Zeichen setzen".
Das Bürgergeld ist mit Klischees und Zerrbildern aufgeladen. Dabei ist die Gruppe der Bezieher sehr unterschiedlich und nur eine Minderheit wirklich arbeitslos. Was Experten sagen.
von Katja Belousova
FAQ
Insgesamt gehe er davon aus, dass es sich um "eine begrenzte Zahl, wahrscheinlich im niedrigen einstelligen Prozentbereich" handele, sagt der Minister. Seinen Plänen zufolge soll es bei nachhaltiger Arbeitsverweigerung künftig möglich sein, die Leistungen für maximal zwei Monate zu streichen.
Minister: Debatte versachlichen
Er appellierte an Politik und Gesellschaft, dass "diese Minderheit von Menschen" weder das System in Verruf geraten lassen dürfe noch die Bürgergeld-Empfänger, die "sich redlich anstrengen und bemühen, aus ihrer Not rauszukommen".
Es sei an der Zeit, in der Debatte um das Bürgergeld auch "mehr aus den Schützengräben rauskommen", fordert Heil weiter. Sanktionen gegen Arbeitsverweigerer würden einen Beitrag dazu leisten, "diese Debatte auch endlich zu versachlichen".
Die CSU fordert, arbeitsunwilligen Bürgergeld-Beziehern die Bezüge so lange zu streichen, bis diese arbeiten gehen. Davon hält der Arbeitsminister nichts. Das sei auch mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht vereinbar, da jedem Menschen ein Existenzminimum zustehe. Es gebe bereits jetzt "die Möglichkeit auch für Leistungsminderung" in bestimmten Situationen.
Am Bürgergeld scheiden sich die Geister: Für die einen ist es eine menschenwürdige Existenzsicherung, für die anderen eine soziale Hängematte.07.01.2024 | 4:12 min
Kritik aus den eigenen Reihen
Aber auch in den eigenen Reihen regt sich Widerstand gegen die Pläne des Arbeitsministers. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Annika Klose ist der Auffassung, dieses Vorgehen sei nicht die "SPD-Position, die wir in unserem Sozialstaatspapier festgehalten haben". Über den Gesetzentwurf müsse nochmal "grundlegend diskutiert werden", fordert sie im ZDF.
Das sieht der Arbeitsminister anders. Man habe sich in der Ampel-Koalition darauf verständigt, das sei "nicht nur Teil des Haushaltskompromisses, sondern ist auch notwendig und sinnvoll". Weite Teile der Bevölkerung und auch die allermeisten Abgeordneten der SPD sähen das ähnlich. Es gebe gute Argumente und niemand werde "allein gelassen", betonte Heil.
Fehlende Anreize und das Argument, dass sich Arbeit für Bürgergeld-Bezieher nicht lohne, will Heil nicht gelten lassen. Man müsse sagen, "dass Arbeit immer einen Unterschied macht und Arbeit sich lohnt", betont er gebetsmühlenartig. Die Erhöhung des Mindestlohnes in den letzten Jahren habe den Lohnabstand zwar verbessert, allerdings reiche das noch nicht.
Das Bürgergeld ist die Sozialleistung, die früher als Arbeitslosengeld II oder umgangssprachlich Hartz IV bezeichnet wurde. Es ist eine Grundsicherung für Arbeitssuchende, soll also Menschen den Lebensunterhalt sichern, die arbeiten können, deren Einkommen aber nicht zum Leben reicht. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales definiert das Bürgergeld als "Leistung des Sozialstaats zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums".
Seit Anfang 2024 erhalten Alleinstehende 563 Euro pro Monat.
Mit Partnern zusammenlebende Erwachsene erhalten 506 Euro.
Für Jugendliche im 15. Lebensjahr bis unter 18 Jahre fließen 471 Euro.
390 Euro erhalten Kinder vom Beginn des 7. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres.
Für Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres fließen derzeit 357 Euro.
Arbeitslosengeld steht Menschen zu, die in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben und arbeitslos werden. Es wird maximal 24 Monate ausgezahlt - danach folgt das Bürgergeld. Anders als beim Bürgergeld ist die Höhe des Arbeitslosengelds abhängig vom vorherigen Einkommen.
Laut Bundesagentur für Arbeit erhalten Menschen Bürgergeld, wenn sie erwerbsfähig und leistungsberechtigt sind und damit mindestens folgende Bedingungen erfüllen:
Sie sind mindestens 15 Jahre alt und haben die Altersgrenze für Rente noch nicht erreicht.
Sie wohnen in Deutschland und haben hier ihren Lebensmittelpunkt.
Sie können mindestens drei Stunden pro Tag arbeiten.
Sie oder Mitglieder ihrer Bedarfsgemeinschaft sind hilfebedürftig.
Hilfebedürftig bedeutet, dass das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft unter dem Existenzminimum liegt und sie den Lebensunterhalt nicht ausreichend aus eigenen Mitteln bestreiten können. Erwerbsfähigbedeutet, dass keine Krankheit oder Behinderung sie hindert, eine Arbeit aufzunehmen. Auch wer nicht erwerbsfähig ist, kann Bürgergeld erhalten, wenn die Person mit einer erwerbsfähigen und leistungsberechtigten Person in einer Bedarfsgemeinschaft lebt.
Asylbewerber*innen und Geduldete bekommen in der ersten 18 Monaten ihres Aufenthalts in Deutschland kein Bürgergeld, sondern Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Erst nach anderthalb Jahren steht ihnen Bürgergeld zu. Laut neuem Asylbeschluss soll sich das aber ändern: Künftig sollen sie erst nach 36 Monaten Anspruch auf Bürgergeld haben.
Eine Ausnahme wurde für Menschen aus der Ukraine getroffen, die vor Russlands Krieg geflüchtet sind: Sie zählen nicht als Asylbewerber und haben nach der Flucht Anspruch auf eine Grundsicherung - also auch das Bürgergeld.