Landtagssitzung nach Wahl: Neue Realität in Brandenburg

    Erste Sitzung nach Wahl:Neue Realitäten im Brandenburger Landtag

    von Antje Klingbeil
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    Im neuen brandenburgischen Landtag sind nur noch vier Parteien vertreten. Ersten Anzeichen zufolge könnte sich der Umgang mit der AfD ändern. Derweil nähern sich SPD und BSW an.

    Landtag Brandenburg
    Nach der Wahl in Brandenburg kommt heute das erste Mal der neue Landtag zusammen. Alterspräsident Reiner Simon vom BSW hatte sich gegen eine Ausgrenzung der AFD ausgesprochen. 17.10.2024 | 1:49 min
    Erstmals nach der Wahl trafen sich am Donnerstag die 88 neuen Abgeordneten des Landtags in Brandenburg. Als Parlamentspräsidentin bestätigten die Parlamentarier in ihrer ersten Sitzung die SPD-Politikerin Ulrike Liedtke. Neu ist: Die vier Fraktionen haben sich darauf verständigt, dass in dieser Legislaturperiode erstmals drei Stellvertreterposten an der Spitze des Parlaments vergeben werden.
    Der Vorschlag kam vom Bündnis Sahra Wagenknecht. Man wolle damit alle Fraktionen einbinden, so BSW-Landeschef Robert Crumbach.

    Natürlich muss auch die AfD als zweitstärkste Fraktion im Präsidium mit einer Vizepräsidentin oder einem Vizepräsidenten vertreten sein.

    Robert Crumbach, BSW-Landeschef

    Die Wahl des AfD-Kandidaten Daniel Münschke gelang erst im zweiten Anlauf. Die Wahl der Vizepräsidenten von BSW und CDU klappte im ersten Wahlgang.

    Nur noch vier Parteien in Brandenburger Landtag

    Auf die stärkste Kraft im Landtag, die SPD, kommen 32 Sitze. Die AfD hat 30 Sitze. Das BSW hat 14 und die CDU kommt auf zwölf. Die Grünen, die im letzten Parlament in der sogenannten Kenia-Koalition mitregierten, schafften es nicht mehr in den Landtag.
    Auch die Linke, die in Brandenburg jahrelang mitregierte, schaffte es diesmal nicht über die Fünf-Prozent-Hürde. Ebenso wie die BVB/freie Wähler. Damit seien vor allem die Ränder gestärkt, sagen Experten. Es fehle die politische Mitte.
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    Wer mit wem? Mögliche Regierungskoalitionen

    Auf der Zielgeraden hat der in Brandenburg beliebte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) ein starkes Ergebnis eingefahren. SPD und das Bündnis Sahra Wagenknecht haben eine eigene Mehrheit, weswegen die CDU prompt signalisierte, dass sie nicht zur Verfügung stünde.
    Der Ball liegt damit im Feld von SPD und BSW. Seit gut zwei Wochen laufen bereits Sondierungen. Politikexperten sehen das mögliche Zusammengehen mit dem neuen Player BSW als Chance und Risiko zugleich. Thorsten Faas, Politikwissenschaftler der FU Berlin, meint:

    Das BSW hat an vielen Stellen noch gar keine klare Position, das verschafft natürlich erst einmal auch Räume für Kompromisse.

    Thorsten Faas, Politikwissenschaftler

    "Aber es gibt eben auch Bereiche - Stichworte Ukraine, Stationierungen von Waffen - wo das Bündnis eine klare Position kommuniziert, da ist der Spielraum entsprechend enger. Und genau dort könnte es dann auch schwierig werden", erklärt Faas.
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    SPD und BSW suchen nach Gemeinsamkeiten

    Über den Verlauf der Sondierungen von SPD und BSW dringt nur wenig nach außen. Die Gespräche seien bislang erstmal erfolgversprechend gelaufen, so Dietmar Woidke.

    Es geht erstmal um die inhaltlichen Fragen […] und es geht auch um die Fragen, dass man die Personen kennenlernt, dass man miteinander merkt, ist da eine Basis da?

    Dietmar Woidke, SPD Ministerpräsident

    So könnte auch die Forderung von Anfang Oktober, in der Dietmar Woidke gemeinsam mit führenden Politikern aus Sachsen und Thüringen, auf stärkere Bemühungen um eine diplomatische Lösung im Russland-Ukraine-Krieg drängte, als Geste an den BSW verstanden werden. Auch BSW-Landeschef Robert Crumbach sprach bislang von guten Gesprächen, die er fortsetzen werde.
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    BSW deutet anderen Umgang mit AfD an

    Unterdessen deutete der 73-jährige BSW-Abgeordnete Reinhard Simon, der als Alterspräsident die konstituierende Sitzung am Donnerstag eröffnete, eine neue Stoßrichtung gegenüber der AfD an. Er bezeichnete sich als "Brückenbauer". Der BSW-Landesvorsitzende stimmt dem zu. Bollwerke und Ausgrenzung seien nicht der richtige Weg, so Robert Crumbach.

    Es gehört zu einer politischen Auseinandersetzung, dass man sich mit den Inhalten auseinandersetzt. Und nicht den politischen Gegner in Bausch und Bogen verteufelt, das hat nicht geholfen und wird auch nicht helfen.

    Robert Crumbach, BSW Fraktionsvorsitzender

    Die SPD hatte bislang jegliche Zugeständnisse an die AfD, auch eine Zustimmung zu ihren Anträgen oder gar Gesetzesinitiativen, konsequent abgelehnt. Zu den jüngsten Äußerungen des BSW meint der SPD-Fraktionsvorsitzende Daniel Keller:
    "Wir werden keinen Anträgen zustimmen von Abgeordneten, die zum Teil Rechtsextremisten in ihren eigenen Reihen ertragen. Dementsprechend stellt sich für uns als SPD-Fraktion diese Frage nicht."

    Politikexperte: AfD könnte Sperrminorität nutzen

    Politikexperte Thorsten Faas sagt, man sehe an vielen Stellen, wie schwierig es sei, um die AfD herum Koalitionen zu bauen. "Auf Dauer ist das eine große Herausforderung, zumal es das Narrativ der AfD - die anderen sind eh alle gleich und tun alles, um an der Macht zu bleiben - nolens volens stärkt."
    Fakt ist: Die Sitze für die AfD in Brandenburg reichen für eine sogenannte Sperrminorität. Aus dieser Position könne die AfD versuchen, Profit zu schlagen, so Politikexperte Faas.

    Wenn eine Partei im Landtag mehr als ein Drittel der Abgeordneten stellt, kann sie einzelne Entscheidungen verhindern oder zumindest verzögern. Dies betrifft Entscheidungen, für die es eine Zweidrittelmehrheit aller gewählten Abgeordneten bedarf. In Thüringen sind das etwa: Die Auflösung des Landtags, Verfassungsänderungen, die Wahl des Präsidenten und der Richter des Thüringer Verfassungsgerichtshof und die Wahl des Präsidenten und des Stellvertreters des Landesrechnungshofs.

    "Verfassungsänderungen, Wahlen von Richtern und Richterinnen - da werden typischerweise Zweidrittelmehrheiten gebraucht. Und die sind im Brandenburger Landtag ohne die AfD eben nicht möglich […] dann geht das nicht ohne Unterstützung der AfD oder zumindest einigen Angeordneten der AfD", so Faas weiter.
    Mit der Sitzung am Donnerstag beginnt eine dreimonatige Frist, bis zu deren Ende die Regierung gebildet werden muss. Sollten die Gespräche mit dem BSW scheitern, bliebe der SPD nur noch eine Minderheitsregierung oder es käme zu Neuwahlen.
    Sahra Wagenknecht BSW
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