Bezahlkarte für Asylbewerber: Warum jetzt Klagen drohen

    Verfassungsrechtliche Fragen:Asylbewerber-Bezahlkarte: Warum Klagen drohen

    Katja Belousova
    von Katja Belousova
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    Die Bezahlkarte für Asylbewerber ist beschlossen, doch ihre Einführung könnte juristische Folgen haben. Warum Klagen drohen - und diese Aussicht auf Erfolg haben könnten.

    Mann bezahlt im Supermarkt mit einer Bezahlkarte
    Mit einer Bezahlkarte statt Bargeld sollen Asylbewerber künftig bestimmte staatliche Leistungen beziehen können. Doch das bringe kaum Fortschritte in der Asylkrise, so Experten.06.02.2024 | 8:54 min
    Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl erwartet, dass es zu Klagen gegen die geplante Bezahlkarte für Asylbewerber kommen wird, und will diese unterstützen. "Wir gehen davon aus, dass viele geflüchtete Betroffene von der Bezahlkarte auch Klage einlegen werden", sagt Andrea Kothen, Sprecherin der Organisation, im Interview mit ZDF frontal.

    Es gibt ausreichend Rechtsanwälte, die sagen, sie führen diese Klagen. Und wir unterstützen diese Klagen selbstverständlich.

    Andrea Kothen, Pro Asyl

    Pro Asyl sieht verfassungsrechtliche Fragen bei Bezahlkarte

    "Es ist schon heute so, dass Geflüchtete schlechter gestellt sind als Sozialhilfeempfänger oder Bürgergeldempfänger", erklärt Kothen. In dieser Lage befänden sich Geflüchtete seit dem Asylbewerberleistungsgesetz von 1993. Gegen dieses Gesetz habe es schon diverse verfassungsrechtliche Einwände und Urteile des Bundesverfassungsgerichts wegen Ungleichbehandlung gegeben. "Und mit der Bezahlkarte wird es weitergedreht", sagt Kothen.
    André Berghegger | Hauptgeschäftsführer Deutscher Städte- und Gemeindebund
    Die Bezahlkarte für Asylsuchende sei ein "wesentlicher Baustein", um die Migration und Integration "voranzubringen", so André Berghegger vom Deutschen Städte- und Gemeindebund.05.02.2024 | 4:36 min
    "Bund und Länder haben die Bezahlkarte ausdrücklich als Diskriminierungsprogramm beschlossen. Sie haben immer gesagt, es soll die Anreize mindern, es soll die Asylzahlen senken", so Kothen. Dieses System sei "klar auf Abschreckung ausgelegt" und genau das werfe verfassungsrechtliche Fragen auf.
    Vergangene Woche hatten sich die Bundesländer auf die Einführung einer Bezahlkarte für die Auszahlung staatlicher Leistungen für Asylbewerber verständigt. 14 der 16 Länder streben demnach ein gemeinsames Vergabeverfahren an - Bayern und Mecklenburg-Vorpommern wollen dabei eigene Wege gehen.
    sgs-hju
    "Wer das Asylrecht erhalten will, der muss den Missbrauch verhindern", sagt Dietmar Woidke (SPD), Ministerpräsident von Brandenburg, über die geplante Bezahlkarte für Flüchtlinge. 01.02.2024 | 4:53 min

    Verfassungsrechtler: Man braucht auch Bargeld

    Verfassungsrechtliche Bedenken äußert neben Pro Asyl auch Joachim Wieland, Mitglied des Verfassungsgerichtshofs NRW. "Die Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber könnte juristisch problematisch sein", erklärt der Verfassungsrechtler im Gespräch mit ZDF frontal.
    "Weil die Asylbewerber, wie alle anderen Menschen in Deutschland auch, einen Anspruch darauf haben, dass nicht nur ihre unmittelbar zum Leben benötigten Bedarfe befriedigt werden, Essen und Trinken, sondern sie müssen auch die Möglichkeit haben, am Gemeinschaftsleben teilzuhaben. Und das kann man nicht alles mit einer Karte bezahlen, da braucht man zum Teil auch Bargeld", erklärt er.

    frontal
    Quelle: ZDF

    Mehr zu dem Thema sehen Sie am Dienstag bei frontal. Am 13. Februar um 21 Uhr im ZDF und in der ZDF-Mediathek.

    Eine Verfassungsklage gegen die Bezahlkarte habe in Karlsruhe durchaus Aussicht auf Erfolg, "wenn die Möglichkeiten zu sehr eingeschränkt werden, wenn man die gesellschaftliche Teilhabe nicht erlaubt und das so ausgestaltet mit der Bezahlkarte, dass diese Bedarfe nicht damit befriedigt werden können", sagt Wieland.

    Frage der Bewegungsfreiheit

    Nicht nur die gesellschaftliche Teilhabe stehe für Asylbewerber auf dem Spiel, sondern auch deren Bewegungsfreiheit. "Auch das Reduzieren der Bezahlkarte auf die Grenzen des Landkreises könnte problematisch sein", sagt Wieland.

    Auch Asylbewerber haben im Prinzip das Recht, sich frei zu bewegen. Das ist ein Grundrecht und dann bräuchte man auch eine gesetzliche Regelung, die auch verhältnismäßig sein müsste.

    Joachim Wieland, Verfassungsgerichtshof NRW

    Allerdings sei der Weg zum Verfassungsgericht lang, ergänzt Pro-Asyl-Sprecherin Andrea Kothen. "Es kann Jahre dauern", sagt sie und gibt zu bedenken, dass in dieser Zeit Geflüchtete und Asylbewerber weiter rechtlich benachteiligt wären.

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