Eingeschränktes Wahlrecht Behinderter "beschämend" für EU

    Menschen mit Behinderung:Eingeschränktes Wahlrecht "beschämend" für EU

    von Torben Heine
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    Bald wird ein neues EU-Parlament gewählt. Auch diesmal dürfte die Stimmabgabe wohl wieder Zahlreichen verwährt bleiben - denn für Menschen mit Behinderung gelten Einschränkungen.

    "DEMOKRATIE braucht INKLUSION" ist auf einem an einem Rollstuhl befestigten Plakat bei einer Demonstration gegen rechts in der Innenstadt zu lesen am 03.03.2024 in Würzburg.
    Wählen ist für Menschen mit Behinderung nicht überall in der EU einfach (Symbolfoto).
    Quelle: dpa

    Fehlende Gleichstellung ist innerhalb der Europäischen Union noch immer allgegenwärtig, in allen Lebensbereichen. Gerade vor der Europawahl im Juni ist das Thema wieder virulent, denn es geht auch um mangelnde politische Teilhabe. Der 5. Mai soll als europaweiter Protesttag auf die Situation von Menschen mit Behinderung aufmerksam machen.
    Ein Bericht des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur Europawahl 2019 zeigt: Etwa 800.000 EU-Bürgerinnen und -Bürger aus 16 Mitgliedstaaten waren aufgrund nationaler Vorschriften wegen ihrer Behinderungen oder psychischen Erkrankung vom Recht auf Teilnahme an den Europawahlen ausgeschlossen.
    Ein Mann steckt eine Europafahne-Karte in den Schlitz einer Wahlurne.
    Wie sollen junge Menschen mehr für Politik begeistert werden, sich vielleicht sogar beteiligen? Das Wahljahr 2024 bietet viele Möglichkeiten. Eine Hamburger Schule hat eine Idee. 08.04.2024 | 1:45 min

    Grünen-Politikerin: "Das ist ein Skandal und beschämend für die EU"

    Katrin Langensiepen, vor fünf Jahren für die Grünen ins Europaparlament eingezogen, kritisiert das. "Das ist ein Skandal und beschämend für die Europäische Union als sogenannte Hüterin der Menschenrechte", so Langensiepen laut einer Mitteilung.

    Perspektivisch wird sich diese Diskriminierung aber auch dieses Jahr weiterziehen.

    Katrin Langensiepen (Grüne), Europaabgeordnete

    In Deutschland hatte das Bundesverfassungsgericht erst kurz vor der Europawahl vor fünf Jahren entschieden, dass Menschen, die wegen einer Behinderung oder psychischen Erkrankung einen gesetzlichen Betreuer an die Seite gestellt bekommen haben, nicht mehr pauschal von Bundestags- und Europawahlen ausgeschlossen werden dürfen.
    Der Bundestag hob eine entsprechende Regel deshalb rund einen Monat später auf, von der 2019 laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) mehr als 80.000 Menschen in Deutschland betroffen waren.

    Menschen mit Behinderung: Viele Hürden bei Stimmabgabe

    Doch EU-weit bleiben viele Hürden für Menschen mit Behinderung: Wenn beispielsweise das Wahllokal gewechselt werden müsste, um behindertengerecht wählen zu können, war dies bei der vergangenen Wahl nicht in allen Mitgliedsstaaten möglich. Einzelne EU-Staaten ermöglichten außerdem keine echte Alternative zur persönlichen Wahl, etwa durch Briefwahlen.
    Foto EU-Parlament bei Abstimmung und Grafik zu den Aufgaben des EU-Parlamentes
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    Das Problem bleibt auch in diesem Jahr bestehen: "In sieben Ländern, darunter Portugal, Dänemark und Slowenien, ist es Menschen mit Behinderungen nicht erlaubt, das Wahllokal mit ihren Betreuern zu betreten", erklärt Langensiepen. "In 15 anderen Ländern dürfen Menschen mit bestimmten Behinderungen nicht kandidieren."

    Wir brauchen Wahlrecht für alle, barrierefreie Informationen und Wahllokale, aber auch mehr Menschen mit Behinderungen in der Politik.

    Katrin Langensiepen (Grüne), Europaabgeordnete

    Gezielte Maßnahmen für mehr Teilhabe hält auch Christine Schneider, Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, gegenüber ZDFheute für notwendig - etwa durch die Veröffentlichung von Wahlprogrammen in einfacher Sprache.

    Ich bin der Auffassung, dass die politische Willensbildung bereits damit beginnt, dass jede Person die Möglichkeit hat, sich zu informieren - gleichberechtigt und barrierefrei.

    Christine Schneider (CDU), Europaabgeordnete

    Trotz erreichter Veränderungen in den vergangenen Jahren: Katrin Langensiepen sieht die EU "noch weit entfernt von einem inklusiven Europa".

    Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt

    Sichtbar wird das beispielsweise auch auf dem Arbeitsmarkt: Menschen mit Behinderung verdienen in Werkstätten meist unterdurchschnittlich. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen (BAG WfbM) dringt auf höhere Entlohnungen für diese Beschäftigten. Vorstandsvorsitzender Martin Berg sagt:

    Es muss ein mindestens existenzsicherndes Einkommen für alle Werkstattbeschäftigten - auch für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf - geben und die bestehenden Nachteilsausgleiche müssen erhalten bleiben.

    Martin Berg, Vorstandsvorsitzender der BAG WfbM

    Das derzeitige Entgeltsystem müsse grundlegend reformiert werden, so Berg.

    Kein gesetzlicher Mindestlohn in Werkstätten

    Die BAG WfbM teilt weiter mit, die gesetzlichen Rahmenbedingungen ermöglichten es Werkstätten derzeit nicht, ihren Beschäftigten mehr Geld zu zahlen. Die Werkstätten seien aber offen für Veränderungen, es brauche dafür Gesetzesänderungen und weitere staatliche Unterstützung.
    Özlem Demirel, Europaabgeordnete der Linken, bezeichnet die aktuelle Gesetzeslage, dass in Werkstätten bisher der gesetzliche Mindestlohn als Lohnuntergrenze nicht gilt, als "inakzeptabel".
    Am Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung wird klar: Das Ermöglichen politischer Teilhabe und die Arbeitsmarktinklusion von Menschen mit Behinderung sind zentrale Herausforderungen in der kommenden Legislaturperiode des Europäischen Parlaments.

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    von Torben Heine
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