Baerbocks Ozeanien-Reise: China als unsichtbarer Zuhörer

    Baerbocks Ozeanien-Reise :China als permanenter unsichtbarer Zuhörer

    Daniel Pontzen
    von Daniel Pontzen
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    Europas Sicherheit werde künftig auch am anderen Ende der Welt verteidigt, bekräftigt Außenministerin Baerbock in Neuseeland. Einen Fehler dürfe man deshalb nicht wiederholen.

    Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesministerin des Auswärtigen, bei einem Pressestatement im Auckland Museum.
    Außenministerin Annalena Baerbock hat Australien und Neuseeland besucht. Seit 13 Jahren war dort keine deutsche Außenministerin mehr. Der Besuch gilt auch als Signal an China.04.05.2024 | 2:55 min
    Selbst beim bisher gefühligsten Termin dieser Reise ging es um Waffen: einen Speer, einen Knüppel und ein Schwert. Neben einem Fischernetz waren dies die geschichtsträchtigen Kulturgüter, die Außenministerin Annalena Baerbock im Rahmen einer rauchumwaberten Zeremonie Vertretern der indigenen Gemeinschaft der Kaurna zurückgab.
    Zwei deutsche Missionare hatten die historischen Stücke vor langer Zeit nach Deutschland geschickt - mit guter Absicht, wie es hieß.
    O-Ton Pontzen zu Baerbock-Reise
    Außenministerin Baerbock besucht den Indo-Pazifik. Im Mittelpunkt steht die Sicherheitspolitik, auch aufgrund des Auftreten Chinas. ZDF-Reporter Daniel Pontzen mit einer Einschätzung.04.05.2024 | 0:28 min
    Doch so emotional dieser Termin in Adelaide im Süden Australiens war, so nüchtern sind die Überlegungen, die Baerbocks einwöchiger Reise zugrunde liegen: die Stärkung der Partnerschaft mit den Gastgeberländern Australien, Neuseeland und der Republik Fidschi.
    Außenministerin Annalena Baerbock (rechts) und ihre australische Amtskollegin Penny Wong in Adelaide, Australien.
    Außenministerin Annalena Baerbock hat in Australien ihren einwöchigen Besuch in der Indopazifik-Region begonnen. In Adelaide traf sie ihre australische Amtskollegin Wong.03.05.2024 | 0:18 min

    Sorge über Chinas Geopolitik

    Die Kernfragen: Was erhofft sich die Bundesregierung von den Beziehungen? Warum speziell diese drei Länder? Und - am besten beginnt man mit dieser: Ist das auch als Signal Richtung Peking gedacht? Ja, China ist sogar mehr als Co-Adressat, China ist gewissermaßen ursächlich für die nun intensivierten Bemühungen.
    Denn die geopolitischen Ambitionen, die Staatspräsident Xi Jinping noch viel weniger kaschiert als seine Vorgänger, lösen bei den übrigen Ländern in der Region stetig wachsende Sorgen aus. So sagte Annalena Baerbock bei ihrem Besuch in Auckland, der größten Stadt Neuseelands:

    Trotz zahlreicher Krisen in unserer direkten Nachbarschaft dürfen wir nicht so tun, als würde uns der Indopazifik nichts angehen - ganz im Gegenteil.

    Annalena Baerbock, Bundesaußenminsiterin

    Ein Helikopter über dem Südchinesischen Meer.
    Der Konflikt auf See zwischen sieben Staaten spitzt sich weiter zu. China tritt dabei am aggressivsten auf und attackiert andere Länder – häufig betroffen: die Philippinen.25.03.2024 | 1:41 min

    Handelsrouten von großer Bedeutung für Deutschland

    Doch es gehe dabei auch um Eigeninteresse, so Baerbock. Bereits vor einigen Jahren hat die Vorgängerregierung erkannt, dass es die vielfach betonte Wertegemeinschaft auch hier im Indopazifik zu verteidigen gelte - nicht zuletzt auch mit Blick auf die Handelsrouten, die hier verlaufen und für die wirtschaftliche Prosperität Deutschlands von größter Bedeutung sind. Doch durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine haben diese Erwägungen eine ganz neue Dringlichkeit erhalten.
    Denn einen Fehler will man nun nicht wiederholen: Die Sorgen und Befürchtungen der Ukraine haben sich die Deutschen zwar stets geduldig und verständnisvoll angehört. Wirklich ernstgenommen aber hat man sie lange Zeit nicht. Nordstream 2 etwa wurde trotz aller Warnungen der Anrainerstaaten weiter vorangetrieben - keine Panik, hieß es sinngemäß aus Berlin, wird schon nicht so schlimm.

    Die Region um den Pazifischen und den Indischen Ozean gewinnt eine immer größere strategische Bedeutung. 60 Prozent der Weltbevölkerung leben dort und generieren einen ebenso großen Teil der weltweiten Wirtschaftsleistung. Mit China tritt eine autokratisch geführte Großmacht immer aggressiver dort auf.

    So streitet sich die kommunistische Volksrepublik im Südchinesischen Meer mit Ländern wie Vietnam, Malaysia und den Philippinen um Seegebiete und betrachtet die demokratische Inselrepublik Taiwan als ihr eigenes Territorium. Wiederholt hat Peking mit einer Invasion gedroht.

    Quelle: dpa

    Dass man die Befürchtungen von Chinas Nachbarn - den nahen und den etwas weiter entfernten - nun wirklich ernstnehmen wolle, ist eine zentrale Botschaft von Baerbocks Reise.

    Baerbock: Rüstungskooperationen mit Australien ausbauen

    Unterlegt ist dieses Bekenntnis mit einigen militärischen Anstrengungen. So betonte die Außenministerin in Adelaide den Ausbau von Rüstungskooperationen mit Australien, wenn auch ohne ins Detail zu gehen. Zudem wird die Bundeswehr in diesem Jahr gleich an mehreren Übungen im Pazifik teilnehmen.
    So werden etwa deutsche Eurofighter wohl so nah wie nie zuvor an China vorbeidüsen - und zwei Schiffe der deutschen Flotte werden auf ihrem Weg von Tokio nach Singapur möglicherweise die Straße von Taiwan durchfahren.

    Berlin: Maritimes Manöver als notwendiges Signal

    China empfindet solche maritimen Manöver als Provokation. In Berlin sehen es die Befürworter trotzdem - wenn nicht gerade deshalb - als notwendiges Signal. Schließlich handelt es sich hierbei, entgegen Pekings Selbstverständnis, nicht um chinesische Gewässer.
    Noch sei nicht entschieden, ob es zur Durchfahrt kommt. "Die genaue Route des Marineverbandes wird dabei nicht vorab bekanntgegeben", sagte Baerbock und betonte "das Recht der friedlichen Durchfahrt auch für die Küstengewässer". Man konnte das durchaus so verstehen: Wir werden es nicht ankündigen, aber das muss man ja auch nicht.
    Annalena Baerbock (r), Außenministerin aus Deutschland, spricht mit Admiral Ronnie Gil Gavan, dem Kommandanten der philippinischen Küstenwache.
    Beim Besuch auf den Philippinen wirft Außenministerin Baerbock China Expansionsstreben im Südchinesischen Meer vor. China beansprucht große Teile der Meerenge für sich.11.01.2024 | 1:32 min

    Baerbock setzt auf Signalwirkung an Partnerländer

    Geht es Baerbock und der Bundesregierung also ausschließlich um die drei nun bereisten Länder? Nein, schon im Januar etwa war sie auf den Philippinen, auch mit anderen Akteuren der Region hält sie regen Kontakt. Es geht um das Signal an die gesamte Region: Wir verstehen uns als Hüter der regelbasierten Weltordnung - nicht nur in Europa, sondern auch hier.
    Dass dies auf Gegenseitigkeit beruhe, zeige sich daran, so Baerbock, dass Australien und Neuseeland auch die Ukraine unterstützen - obwohl die russische Bedrohung hier sehr weit weg ist. Es geht der Bundesregierung insoweit um ein dreifaches Signal: Erstens an die Partnerländer, deren Vertreter Baerbock auf ihrer Reise auffällig oft als "Freunde" bezeichnet, manchmal sogar als "enge Freunde".
    Zudem, zweitens, an die USA, den deutlich gemacht werden soll: Ihr helft uns in Europa gegen Aggressoren - wir sind selbstverständlich umgekehrt im Indopazifik dabei.
    Und, drittens, immer eben auch an China, das gewissermaßen als permanenter unsichtbarer Zuhörer bei allen Pressekonferenzen im Publikum sitzt. So sicher auch morgen und übermorgen, auf den Fidschis.

    Sicherheit, Handel, Klimawandel
    :Baerbocks Mission in Australien und Ozeanien

    Wegen einer Flugzeugpanne musste Annalena Baerbock 2023 ihre Reise nach Australien und Ozeanien abbrechen. Nun startet die Ministerin einen zweiten Anlauf - und betritt Neuland.
    Außenministerin Annalena Baerbock bei der Ankunft am Flughafen, aufgenommen am 01.05.2024 in Berlin
    mit Video

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