Fortschritte Russlands:Langsamer Vormarsch bei hohen Verlusten
von Christian Mölling und András Rácz
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Russland kesselt Wuhledar ein und rückt in den südlichen Donbass vor. Die Lage in Pokrowsk ist ernst. Auch das neue US-Militärpaket wird Kiew nicht zum Befreiungsschlag verhelfen.
Ein ukrainischer Panzer der 110. Brigade kehrt von der Frontlinie in Richtung Pokrowsk zurück (Archiv).
Quelle: dpa
Russland kann an vielen Fronten kleine aber konstante Fortschritte vermelden. Dafür gehen die Verluste in die Höhe. Nach Berichten des ukrainischen Generalstabs beliefen sich die täglichen Verluste der Russen in dieser Woche regelmäßig auf über 1.300 bis 1.400 Soldaten, was deutlich über den durchschnittlichen 1.000 Toten und Verwundeten pro Tag liegt.
Dies deutet auf die Bereitschaft des russischen Generalstabs hin, die möglichen Gebietsgewinne in der Ukraine noch vor Beginn der Herbstregenzeit zu maximieren.
Für die kommende Woche wird in der Ostukraine weiterhin trockenes und sonniges Wetter vorhergesagt. Der Herbstregen, der die russische Offensive verlangsamen könnte, hat also noch nicht eingesetzt.
Militäranalyst Franz-Stefan Gady widerspricht der Idee, dass der Krieg für die Ukraine nicht zu gewinnen sei. Die Front stehe nicht unmittelbar vor dem Kollaps. 26.09.2024 | 11:03 min
Russland rückt im Donbass vor
Im südlichen Teil des Donbass rückte die russische Armee sowohl an der westlichen als auch an der östlichen Flanke von Wuhledar vor. Die Stadt ist von drei Seiten eingekesselt, so dass den verbliebenen Verteidigern kaum eine andere Wahl als der Rückzug bleibt. Die Ruinen von Wuhledar werden wahrscheinlich innerhalb weniger Tage in russische Hände fallen.
Auf einem anderen Abschnitt im südlichen Donbass rückte Russland im Dreieck Ukrayinsk-Kurachiwka-Krasnohoriwka vor und drängte die ukrainischen Truppen nach Westen hinter den Fluss Wowcha zurück. Den ukrainischen Einheiten gelang es offenbar, eine Einkreisung zu vermeiden und sich erfolgreich zurückzuziehen.
Der Frontverlauf im Ukraine-Krieg Stand 19.09.2024
Quelle: ZDF
Auch in Richtung Pokrowsk gab es russische Angriffe und Vorstöße auf Myrnohrad. Die anhaltenden Artillerie- und Luftangriffe auf die beiden Städte unterbrechen zunehmend die Wasser- und Stromversorgung und erschweren das Leben der verbliebenen Zivilbevölkerung. Die Evakuierungsbemühungen haben sich aufgrund des Beschusses verlangsamt.
Entlang der Linie Kupjansk-Swatove-Kreminna verstärkten die Russen ihre Angriffe in dem Bestreben, größere Stellungen auf der westlichen Seite des Flusses Oskil einzunehmen. Bisher ist es den ukrainischen Verteidigern gelungen, sie zurückzudrängen, und die ukrainische Artillerie hat erfolgreich einen großen russischen Konvoi gepanzerter Fahrzeuge zerstört. Die Russen drängen jedoch weiter vor.
Die Autoren der Militäranalyse:
Quelle: DGAP
... leitet das Programm "Europas Zukunft" für die Bertelsmann Stiftung in Berlin. Er forscht und publiziert seit über 20 Jahren zu den Themenkomplexen Sicherheit und Verteidigung, Rüstung und Technologie, Stabilisierung und Krisenmanagement. Für ZDFheute analysiert er regelmäßig die militärischen Entwicklungen im Ukraine-Konflikt.
Quelle: DGAP
... ist Associate Fellow im Programm Sicherheit und Verteidigung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Er forscht und publiziert zu Streitkräften in Osteuropa und Russland und hybrider Kriegsführung.
Region Kursk: Russische Gegenangriffe
In der Region Kursk setzten die Russen ihre Angriffe gegen die westliche und südöstliche Flanke des Vorgebirges fort und setzten dabei massiv auf schwere Artillerieangriffe und Gleitbomben.
In der Zwischenzeit ist der in der vergangenen Woche begonnene neue ukrainische Vorstoß in Richtung Gluschkowo offenbar ins Stocken geraten.
Die USA haben ein weiteres großes Militärhilfepaket im Wert von fast acht Milliarden US-Dollar für die Ukraine angekündigt. Es umfasst Artilleriemunition, Panzerabwehrraketen, Fahrzeuge, Ersatzteile und verschiedene andere Systeme. Allerdings enthält es weder Panzer noch Schützenpanzer.
Die USA haben der Ukraine ein weiteres, milliardenschweres Hilfspaket zugesagt. Bei einem Treffen mit Selenskyj versicherte US-Präsident Biden auch den weiteren Beistand.27.09.2024 | 1:23 min
Das neue Paket löst nicht das drängendste Problem der Ukraine, nämlich dass die sechs bis sieben neuen Brigaden zwar über mehr oder weniger ausgebildete Soldaten verfügen, aber nicht über die schweren Waffen, die notwendig sind, um sie einsatzfähig zu machen.
Das neue britische Paket, das aus insgesamt 16 selbstfahrenden Artilleriegeschützen vom Typ AS-90 besteht, löst dieses Problem nicht, ebenso wenig wie das neue deutsche Paket: Die Ukraine braucht dringend schwere Waffen für ihre neu aufgestellten mechanisierten Infanteriebrigaden.
Russische Angriffe auf Energieanlagen
Russland setzte seine Angriffe auf die Energieinfrastruktur der Ukraine fort. Zusätzlich zu den Angriffen auf mehrere Transformatoren und Wärmekraftwerke überflogen russische Drohnen in mindestens zwei Fällen ukrainische Atomanlagen.
Auch wenn ein direkter russischer Angriff auf Kernkraftwerke äußerst unwahrscheinlich ist, will Moskau mit diesen Überflügen offenbar den Westen davon abhalten, die Ukraine weiterhin zu unterstützen.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.