Weibliche Genitalverstümmelung: Millionen betroffen
Weibliche Genitalverstümmelung:Blutiges Ritual betrifft Millionen Frauen
von Susann von Lojewski, Nairobi
|
Weltweit sind Millionen Frauen und Mädchen von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen. Weil sie es nicht anders kennen, beugen sie sich dem Druck der Eltern und ihrer Gemeinden.
Ein engagiertes Team bietet Mädchen und Frauen in Kenia Zuflucht und schützt sie so vor der verbotenen, aber immer noch praktizierten Tradition der weiblichen Genitalverstümmelung.06.02.2024 | 5:06 min
Edna Nkoya erinnert sich noch gut an den Tag, an dem sich ihr Leben schlagartig veränderte. Ihre Mutter führte die Zehnjährige nachts in eine Lehmhütte nahe dem Nationalpark Masai Mara in Kenia. Drei Frauen hielten sie fest.
Eine hielt ihren Mund zu, damit ihre Schreie nicht zu hören waren. Dann verstümmelten sie ihre inneren und äußeren Schamlippen und nähten sie zu - weibliche Genitalverstümmelung, wie sie Millionen Frauen und Mädchen betrifft.
Über 200 Millionen Mädchen und Frauen betroffen
"Ich kannte niemanden, der mir erklärt hat, wie schrecklich es ist. Sonst wäre ich vielleicht geflohen", sagt die heute 21-jährige Edna. Doch sie hatte gelernt, zu gehorchen. Nur so sei sie eine richtige Frau, erklärte ihre Mutter. Nur so könne sie verheiratet werden, sagte ihr Vater.
Edna sollte ihrer Familie Einkommen in Form von Vieh bringen und dafür einen grausamen Preis zahlen. "Wenn du nicht genital verstümmelt bist, dann gehörst du nicht dazu und wirst von den anderen geschnitten", so Edna.
Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass in den Ländern, in denen die Praktik verbreitet ist, insgesamt über 200 Millionen Mädchen und junge Frauen von der schrecklichen Misshandlung betroffen sind. In Somalia etwa wird nahezu jedes Mädchen dem Ritual unterzogen, so die WHO. Jedes vierte Opfer stirbt an den Folgen der "female genital mutilation", kurz FGM.
Noch immer erleiden junge Frauen weltweit Genitalverstümmelungen, auch in Afrika. Ein Projekt in Kenia hilft Betroffenen und kämpft gegen die blutige Tradition an.06.02.2023 | 2:33 min
Betroffene benötigen medizinische Hilfe
Professor Stanley Khainga und sein Team operieren wöchentlich junge Frauen, die FGM unterzogen wurden. Die plastischen Chirurgen an der Da Vinci Klinik in Nairobi hören geduldig zu, wenn ihre Patientinnen von grausamen Schmerzen beim Wasserlassen, beim Sex oder bei der Entbindung berichten.
"Für mich sind die Männer selbstsüchtig. Sie möchten gerne den Sex genießen, aber sie billigen das nicht auch den Frauen zu. In einer Ehe geht es darum, dass beide Spaß haben. Aber wenn der eine Spaß hat und der andere nicht, dann geht es dabei nur darum, Kinder zu bekommen", so Khainga.
Genitalverstümmelung in Kenia trotz Verbot
In Kenia ist Genitalverstümmelung offiziell seit 2011 verboten. Doch auch hier zeigen die Zahlen, dass Recht und Gesetz das eine sind, Traditionen aber das andere. Jede fünfte Frau dort erlebt immer noch FGM. An versteckten Orten und im Schatten der Nacht erleben sie unfassbare Qualen - mit Zustimmung vom Vater und auch der Mutter.
Die weibliche Genitalverstümmelung ist in vielen Ländern weiterhin gängige Praktik. Eine Betroffene erhebt ihre Stimme gegen das Ritual, das sie selbst erlebt hat.06.02.2023 | 5:54 min
Frauen und Mädchen stigmatisiert
Lucy lebt im selben Dorf wie Edna, doch sie ist der FGM entkommen. "Meine Mutter ist stolz, dass sie genital verstümmelt wurde," erzählt Lucy Sokoipe. "Ich bin froh, dass ich es nicht bin." Für viele Mädchen im Dorf sei das unverständlich.
"Sie denken, dass ich mich dem unterziehen sollte, aber ich sehe das anders. Ich habe nicht einmal Freundinnen in meinem Dorf." Während die 20-jährige ihre Geschichte erzählt, und wie sie der Tradition entkam, muss sie immer wieder mit den Tränen kämpfen. "Du stehst immer unter ihnen", so Lucy.
Sister Fa ist eine Kämpferin. Sie ist Überlebende der weiblichen Genitalverstümmelung im Senegal. Heute nutzt die Rapperin ihre Stimme, um gegen die blutige Tradition vorzugehen.
von Katharina Schuster
Mit Bildung gegen Weibliche Genitalverstümmelung
Für Josephine Passiany gehört der Kummer der Mädchen zu ihrem Alltag. Zusammen mit ihrem Mann betreibt sie das "Rescue Home - Vision with a mission" in Narok am Rande der Masai Mara. Dort unterstützen sie Frauen und Mädchen, die geschlechtsbezogene Gewalt erfahren haben. "Ich bin wie die Mutter der Mädchen", schmunzelt Josephine. "Denn die eigene haben sie oft schon jahrelang nicht mehr gesehen." Etwa 50 junge Frauen leben hier. Unterkunft und Schulbildung werden über Spenden bezahlt, 50 Dollar im Monat pro Kind.
Denn Bildung, davon ist Josephine überzeugt, ist der Schlüssel zu allem. "Die Peiniger möchten, dass sie jung verstümmelt werden. Solange sie noch unschuldig sind. Solange sie noch nicht das Wissen haben, dass FGM kein Muss ist." Josephine ist sich sicher: "Wenn die Frauen erst mal einen Schulabschluss haben, dann wollen sie definitiv nicht mehr verstümmelt werden."