Weibliche Genitalverstümmelung: EU stellt FGM unter Strafe

    600.000 in Europa betroffen:Genitalverstümmlung: EU will Frauen schützen

    von Sara Pipaud und Caelan Novo Fernandez
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    600.000 von Genitalverstümmelung betroffene Frauen und Mädchen leben in Europa. Eine neue EU-Richtlinie stellt die Praxis unter Strafe. Doch reicht das aus?

    Ein Schutzbrief gegen weibliche Genitalverstümmelung der BRD liegt aufgeschlagen auf einem Tisch.
    2021 führte die Bundesregierung einen Schutzbrief ein, der die Strafbarkeit von weiblicher Genitalverstümmelung in Deutschland beurkundet.
    Quelle: dpa

    Nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks Unicef sind weltweit 230 Millionen Frauen und Mädchen von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen. Jedes Jahr sind etwa vier Millionen Mädchen gefährdet - auch in Europa. Die EU-Kommission spricht von 600.000 Opfern weiblicher Genitalverstümmlung, die in Europa leben.

    Die WHO definiert weibliche Genitalverstümmelung ("Female Genital Mutilation" kurz "FGM") als jede teilweise oder vollständige Entfernung der äußeren weiblichen Genitalien ohne medizinischen Grund. FGM wird meist an Mädchen bis 15 Jahren durchgeführt, oft ohne Betäubung und mit unhygienischen Instrumenten wie Rasierklingen oder Messern.

    FGM ist vorwiegend in Afrika (144 Millionen Betroffene), Asien (80 Millionen Betroffene) und im Nahen Osten (sechs Millionen Betroffene) verbreitet. Auch in der EU wird die Praxis in diasporischen Communities durchgeführt, in Gemeinschaften von Menschen, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Laut EU-Kommission kommen jährlich mindestens 20.000 Frauen und Mädchen aus Risikoländern als Asylsuchende nach Europa.

    In Deutschland sind nach Berechnungen des Bundesfrauenministeriums über 73.200 Frauen und Mädchen betroffen, das sind zehn Prozent mehr als vor drei Jahren.
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    Gründe für Genitalverstümmelung

    Weibliche Genitalverstümmelung (FGM) hat keinen gesundheitlichen Grund oder Nutzen und schadet Betroffenen physisch und psychisch. Gesundes weibliches Genitalgewebe wird entfernt oder beschädigt, was die natürlichen Körperfunktionen beeinträchtigt.






    FGM wird weltweit als Menschenrechtsverletzung anerkannt. Die Gründe für diese Praxis variieren von Region zu Region, meist sind sie soziokulturell oder religiös bedingt. Vielerorts wird geglaubt, dass nur eine beschnittene Frau "rein" ist und als Ehefrau in Frage kommt.
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    Was die EU zum Schutz von Frauen tut

    Seit Juni 2024 gilt in der EU eine neue Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, die FGM eigenständig unter Strafe stellt. Diese Richtlinie wird als "Meilenstein" betrachtet und stellt "das erste umfassende Rechtsinstrument auf EU-Ebene zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, die in der Europäischen Union nach wie vor allgegenwärtig ist" dar. In Deutschland ist die Verstümmelung weiblicher Genitalien seit 2013 eine eigenständige Straftat, die mit bis zu 15 Jahren Gefängnis bestraft werden kann.
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    Gewalt gegen Frauen: Reicht die Richtlinie?

    Europäische Richtlinien sind die zweithöchsten Rechtsvorschriften in der EU. Im Gegensatz zu Verordnungen müssen sie in nationales Recht umgesetzt werden und gelten nicht einheitlich in allen Mitgliedsstaaten.

    Richtlinien geben den EU-Ländern ein bestimmtes Ziel vor, stellen ihnen jedoch frei, wie sie dieses verwirklichen.

    Europäische Kommission

    Die Gesundheitsforscherin Natasha Howard beschäftigt sich mit der Bekämpfung von weiblicher Genitalverstümmelung in Europa. Sie bekräftigt, dass die Richtlinie ein wichtiger Schritt in Sachen Frauenrechte ist. Trotzdem warnt Howard davor, vorschnell die Wirksamkeit der Maßnahmen zu beurteilen.

    Diese Richtlinie kann zwar als ein entscheidender Schritt nach vorn betrachtet werden, doch hängt ihre Fähigkeit, wesentliche Änderungen zu bewirken, von mehreren Faktoren ab.

    Natasha Howard, Professorin für globale Gesundheit und Infektionskrankheiten.

    Die Effektivität der Richtlinie werde vor allem von der konkreten Umsetzung der Mitgliedsstaaten bestimmt. Dass diese die Maßnahmen einheitlich umsetzen, hält Natasha Howard jedoch für eher unwahrscheinlich. Wichtiger sei die Aufklärung der Öffentlichkeit. Nur so sollen gesellschaftliche Einstellungen verändert und weibliche Genitalverstümmelung (FGM) verringert werden können.
    Kenia: Schutz vor Genitalverstümmelung
    Ein engagiertes Team bietet Mädchen und Frauen in Kenia Zuflucht und schützt sie so vor der verbotenen, aber immer noch praktizierten Tradition der Beschneidung.06.02.2024 | 5:06 min

    FGM: Alternativen finden statt kriminalisieren

    Die Medizinprofessorin Natasha Howard forschte ebenfalls dazu, wie sich die Strafverfolgung auf die Verbreitung weiblicher Genitalverstümmelung auswirkt. Dabei kam sie zu dem Schluss, dass die Umsetzung der Strafverfolgung häufig schwierig ist und für Mädchen und ihre Familien oft zusätzlichen Schaden bedeutet.

    Die von uns befragten Frauen in Somalia, von denen die meisten FGM selbst erlebt hatten, zogen beispielsweise die Schadensbegrenzung der Illegalisierung der Praxis vor.

    Natasha Howard, Professorin für globale Gesundheit und Infektionskrankheiten

    Der effektivste Weg zur Bekämpfung von FGM bestehe darin, eng mit den praktizierenden Gemeinschaften zusammenzuarbeiten, um sichere, alternative Rituale zu finden, um die "Zugehörigkeit zur Gemeinschaft" zu symbolisieren - wie etwa Feiern, die den "ehrenvollen" Statuswechsel in das Erwachsenenalter ermöglichen sollen, allerdings mit rituellen Worten.

    Weibliche Genitalverstümmelung
    :Tödliches Tabu: Rapperin bricht das Schweigen

    Sister Fa ist eine Kämpferin. Sie ist Überlebende der weiblichen Genitalverstümmelung im Senegal. Heute nutzt die Rapperin ihre Stimme, um gegen die blutige Tradition vorzugehen.
    von Katharina Schuster
    Genitalverstümmelung bei Mädchen kann massive Folgen haben.Symbol

    Mit Aufklärungsarbeit gegen Gewalt

    Auch der Verein NALA e.V. engagiert sich weltweit gegen FGM. Eine Sprecherin betont die Wichtigkeit von Aufklärungs- und Präventionsarbeit, insbesondere in Bildungs- und medizinischen Einrichtungen sowie in Flüchtlingsunterkünften. Schulungen und die Integration in Lehrpläne seien dabei besonders hilfreich.
    Zwischenzeitlich sollte FGM in Gambia wieder legalisiert werden. Eigentlich war die Praxis seit 2015 verboten. Der Verein NALA e.V. forderte eine klare Positionierung Europas:

    Da wäre es doch eine Überlegung wert, ob die Entwicklungshilfe gekürzt werden könnte und die europäischen Länder Einfluss darauf nehmen.

    NALA e.V.

    Schließlich lehnte das gambische Parlament die Legalisierung ab, was von der UN als "entscheidender Sieg für die Rechte von Frauen und Mädchen" bezeichnet wurde.
    In Deutschland setzt man ebenfalls verstärkt auf Aufklärungsarbeit. 2021 veröffentlichte die Bundesregierung einen "Schutzbrief", der im Ausland mitgeführt werden kann und die Strafbarkeit von FGM in Deutschland beurkundet.

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

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