Warschauer Aufstand: Gedenken an Polen im Zweiten Weltkrieg
Interview
80 Jahre Warschauer Aufstand:"Eine Kugel konnte dich immer treffen"
von Milena Drzewiecka und Julia Deckarm
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Genau vor 80 Jahren wehrten sich die Warschauer gegen die deutschen Besatzer. Mit wenig Munition und viel Hoffnung. Für ihre Stadt, für Polen, für Freiheit.
Dieses Denkmal erinnert an den Warschauer Aufstand gegen die deutschen Besatzer.
Quelle: Glaser
Warschau, 1. August 1944: Die Widerstandsbewegung Armia Krajowa ("Polnische Heimatarmee") hat die deutschen Besatzer angegriffen. Geplant war, die Deutschen in wenigen Tagen zu bekämpfen- am Ende dauerte der Widerstand 63 Tage lang an und wurde blutig niedergeschlagen. Die Stadt lag in Schutt und Asche. Janusz Maksymowicz ist einer der ungefähr 40.000 Kämpfer. Und einer der wenigen, die heute noch am Leben sind. Mit ZDFheute teilt er seine Erinnerungen an den Aufstand und hat eine Botschaft für die Zukunft.
ZDFheute: Warum wollten Sie an dem Aufstand teilnehmen?
Janusz Maksymowicz:Wir wollten die Freiheit und die Unabhängigkeit mit unseren eigenen Kräften zurückgewinnen. Es war Selbstverteidigung, und die Verteidigung von Warschau und Polen. Denn schließlich wollten wir in einem freien Land leben, wo man die polnische Hymne hören und polnische Flagge sehen konnte. Wer die fünf Jahre der deutschen Besatzung nicht erlebt hat, diese Demütigung, diese Verachtung des Lebens, wird es nicht verstehen.
Einmal im Jahr steht Warschau still: Um 17.00 Uhr gedenken die Einwohner in einer Schweigeminute ihrer Helden aus dem Jahr 1944. 01.08.2023 | 2:11 min
Quelle: ZDF
... (geb. 1930 in Warschau)war zusammen mit seinem Vater in der polnischen Widerstandsbewegung Armia Krajowa ("Polnische Heimatarmee") aktiv. Nach der Verhaftung seines Vaters nahm er die Rolle als Ernährer der Familieein. Während des Aufstandes wurde er am Schlüsselbein verwundet und sollte mit dem Zug ins Kriegsgefangenenlagerl nach Deutschland gebracht werden. Er flüchtete aus dem Zug und kehrte am Ende des Weltkriegs nach Warschau zurück. Später arbeitete er vor allem im Außenhandel. Er engagiert sich bis heute für die Veteranen.
ZDFheute: Erklären Sie uns, wie sahen diese Demütigungen aus?
Maksymowicz: Es gab zum Beispiel diese Regel: Wenn ein Deutscher auf dem Bürgersteig ging, musste ein Pole ausweichen und auf der Straße laufen. Ich erinnere mich noch heute: Ein Pole ging nicht vom Bürgersteig runter,
Laut der Nazi-Ideologie war die deutsche Rasse die höchste Rasse und andere, insbesondere die Slawen, eine Rasse von Untermenschen, die man behandeln konnte, wie man wollte. Das spürte man auf Schritt und Tritt.
ZDFheute: Wie haben Sie es gespürt?
Maksymowicz: In der Straßenbahn gab es Abteile mit der Schrift "Nur für Deutsche". Lokale "Nur für Deutsche". Das Verstecken von Juden in Polen konnte mit dem Tod bestraft werden. Ausgangssperre. Razzien. Exekutionen. Männer verließen das Haus und haben sich vorsichtshalber verabschiedet, weil sie nicht wussten, ob sie an diesem Tag nach Hause zurückkehren würden.
ZDFheute: Sie waren ein Teenager im Aufstand. Das ist ein Alter, in dem man nicht an den Tod denkt, geschweige, dass er mit dem Tod bedroht ist…
Maksymowicz: Meine Generation musste direkt vom Kind zum Erwachsenen werden. Wir mussten ums Überleben kämpfen.
ZDFheute: Der Kampf wurde für drei Tage geplant. Es dauerte 63 Tage, bis die Deutschen den Aufstand blutig niedergeschlagen und Warschau in Schutt und Asche gelegt haben. Fühlen Sie sich wie ein Held?
Maksymowicz: Ein Held? Nein. Wir haben lediglich unsere patriotische Pflicht gegenüber der Nation erfüllt.
Janusz Maksymowicz beim Denkmal des Kleinen Aufständischen in Warschau.
Quelle: ZDF
Im Warschauer Aufstand standen rund 40.000 Aufständische gegenüber einer Truppe von 40.000- 50.000 deutschen Soldaten. Zunächst gelang es der Polnischen Heimatarmee, die Hälfte Warschaus unter ihre Kontrolle zu bringen, ohne die Unterstützung der Alliierten brach der Aufstand aber zusammen. Nach rund 2 Monaten des Kampfes kapitulierte die Polnische Heimatarmee am 2. Oktober 1944. Die Bilanz des Kampfes: bis 200.000 Opfer auf der polnischen Seite (vor allem Zivilisten) und weniger als 20.000 auf der deutschen Seite.
Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung
ZDFheute: Wie gingen Sie mit dem täglichen Tod um?
Maksymowicz: Man kann sich an alles gewöhnen, auch an den Tod, leider.
Eine Kugel konnte dich immer treffen. Ich hatte keine Angst. Heute hätte ich Angst.
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ZDFheute: Zum 80. Jahrestag kommt Bundespräsident Steinmeier nach Warschau. Wie wichtig ist die Gedenkfeier für Sie?
Maksymowicz: Es ist für mich sehr wichtig. Die Deutschen von heute sind nicht die Deutschen, die wir in den Kriegsjahren kannten. Irgendwann muss ein Strich gezogen werden. Denn wenn jemand verstanden hat, dass es eine schreckliche Sache war, die im Namen des deutschen Volkes getan wurde, und heute versteht, dass es etwas ist, was nicht hätte passieren dürfen, dann bin ich für diese Versöhnung.Die polnisch-deutsche Versöhnung dient dem Wohl unserer beiden Nationen.Das heißt nicht, dass wir vergessen sollen, was passierte.
ZDFheute: Was für eine Botschaft haben Sie an die junge Generation?
Maksymowicz: Erstens, Lernen und Wissen zahlen sich im Erwachsenenalter aus. Zweitens, man muss absolut gegen den Krieg sein. Kein Krieg löst irgendwelche Probleme.
Das Interview haben Milena Drzewiecka und Julia Deckarm geführt.
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Quelle: ZDF
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