Wahlen Südafrika 2024: Ende des African National Congress?

    Analyse

    Südafrika hat die Wahl:Korruption und Wut: Wird der ANC abgestraft?

    Verena Garret, Leiterin ZDF-Studio Johannesburg
    von Verena Garrett, Johannesburg
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    Bei den Wahlen in Südafrika wird möglicherweise die Alleinherrschaft der Regierungspartei African National Congress beendet. Die neue Partei RISE mzansi bringt Hoffnung.

    Südafrika: Menschenmenge, viele Menschen mit erhobenen Fäusten, einer hält Plakat mit Nelson Mandela hoch
    Für Südafrika ist 2024 ein Schicksalsjahr: 30 Jahre nach dem Ende der Apartheid stehen wegweisende Wahlen an. ZDF-Korrespondentin Verena Garrett zeigt, wie es um das Land steht.30.05.2024 | 29:30 min
    Eine kleine Wellblechhütte, zwei Zimmer: Hier wohnt Lerato Mokhine mit ihrer Mutter und ihren beiden kleinen Söhnen. Es gibt kein fließendes Wasser, keinen Strom, neben der Eingangstür steht ein Dixie-Klo, das sich sieben Familien teilen. Vor ihrem Zuhause fließt stinkendes Abwasser über den Weg. Lerato kennt nur dieses Leben. Dabei gehört sie zur Generation der "born frees": geboren 1995, da war Südafrika eine junge Demokratie. Apartheid hat sie nie erlebt. Der Ort, wo sie lebt, im Armenviertel Kliptown bei Johannesburg, scheint in der Vergangenheit stehengeblieben zu sein.

    Wut auf ANC-Regierung ist groß

    Siebzig Prozent der Bewohner Kliptowns sind offiziell arbeitslos. Vermutlich sind es mehr. Auch Lerato hat kein festes Einkommen. 1000 Rand bekommt sie vom Staat für jedes Kind im Monat, umgerechnet 50 Euro.

    Ich habe Gelegenheitsjobs. Ich gehe Toiletten putzen. Oder manchmal Büros. So gibt es wenigstens etwas Geld.

    Lerato Mokhine, Bewohnerin Kliptown

    Die junge Süfafrikanerin Lerato Mokhine und ihre Familie befüllen Eimer an einer Wasserstelle in Kliptown, ein Reporter filmt sie dabei.
    Wassernot, Stromausfall und magelnde Sanitäranlagen - Südafrika steht vor einigen Herausforderungen. Doch die Regierung enttäuscht die Bevölkerung. Demnächst sind die Vorwahlen.
    Quelle: ZDF

    Sie wollen schon lange weg, aber wissen nicht, wohin. Die südafrikanische Regierungspartei African National Congress, ANC, verspricht seit Jahren sozialen Wohnraum und Jobs. In Kliptown ist davon nichts angekommen. Die Wut auf die Regierung ist groß.

    Vielleicht hätten sie mit der Toilette anfangen und dann mit dem Wasserhahn weitermachen können, sie könnten sich wenigstens um Strom kümmern. Das ist doch nicht so schwer.

    Lerato Mokhine

    30 Jahre nach Ende der Apartheid

    Vom ANC und dem Präsidenten Cyril Ramaphosa fühlt sie sich nicht vertreten. Die Errungenschaften der Partei Nelson Mandelas, die das Land von der Apartheid befreit und in die Demokratie geführt hat, sind nach 30 Jahren verblasst. Der ANC macht eher durch Korruption, Vetternwirtschaft und Machtmissbrauch als durch gute Politik von sich reden. Die demokratische Wende hat nicht den erhofften Wohlstand für alle gebracht.
    Frau mit Wasserkanister
    Politische Morde, Korruption, Stromausfälle – in Südafrika schrumpft das Vertrauen in die Regierung. Der ANC muss erstmals seit dem Ende der Apartheid um die Mehrheit bangen. 03.05.2023 | 6:31 min
    Die Wirtschaft schwächelt, die Arbeitslosigkeit liegt bei über 30 Prozent, gerade junge Menschen finden weder Job noch Ausbildung. Die Infrastruktur marode, die Kriminalitätsrate hoch. Wachsende Armut und Einschnitte bei der Wasserversorgung. Bis vor Kurzem waren tägliche Stromausfälle überall im Land an der Tagesordnung – jahrelang. Der Grund: Der staatliche Energieversorger Eskom kann nicht genug liefern, die Kraftwerke sind veraltet und schlecht oder gar nicht gewartet. Jetzt, vor der Wahl, funktioniert es auf einmal. Die Allermeisten in Südafrika aber rechnen damit, dass der Strom unmittelbar nach der Wahl wieder abgestellt werden wird.

    Südafrika: Hoffnung auf neue Partei

    Südafrika gilt als das Land mit der ausgeprägtesten sozialen Ungleichheit weltweit. Viele machen die Regierungspartei für diesen Zustand verantwortlich. Das wirkt sich auf die Wahlergebnisse aus. Bei der vergangenen Wahl 2019 rutschte der ANC erstmal unter die 60-Prozent-Marke. Umfragen zufolge könnte die Partei in diesem Jahr erstmals ihre absolute Mehrheit verlieren.
    Im Joubert Park in Johannesburgs Innenstadt singen sich die Anhänger der neuen Partei Rise Mzansi in Stimmung. Sie tragen T-Shirts mit dem Slogan "2024 ist unser 1994" auf der Brust. Die Stimmung ist gut, die Hoffnung ist groß. Vor vielen Jahren war Joubert Park eine kleine grüne Oase mitten im boomenden Bankenviertel.
    Heute ist Johannesburgs Innenstadt eine No-Go-Area und Joubert Park Drogenumschlagplatz. Rise Mzansis Spitzenkandidatin für die Provinz ist in diesem Viertel aufgewachsen, gleich um die Ecke, sagt sie. Vuyiswa Ramokgopa ist 38, Mutter, Unternehmerin und hatte bisher nichts mit Politik am Hut. Das hat sich geändert: "Wir haben nicht den Luxus, uns Zeit lassen zu können. Veränderung muss schnell passieren."

    Wir haben viele Demokratien auf dem afrikanischen Kontinent gesehen, die ähnliche Zyklen durchlaufen haben, und wir wissen, was passiert, wenn eine Befreiungsbewegung zusammenbricht: Sie reißt das ganze Haus mit sich in den Abgrund.

    Vuyiswa Ramokgopa, Kandidatin Provinz Gauteng Rise Mzansi

    Rise Mzansis Spitzenkandidatin Vuyiswa Ramokgopa im Joubert Park in Johannesburg.
    In Südafrika will die neue Partei Rise Mzansi positive Veränderung für die Versorgung und den Lebenstandard bringen. Unternehmerin und Mutter Vuyiswa Ramokgopa ist Spitzenkandidatin.
    Quelle: ZDF

    Die Politiker des regierenden ANC hätten es versäumt, die systematische Ungleichheit in Südafrika zu beheben. Rise Mzanzi will Veränderung erreichen. Mit Männern und Frauen, die – fernab von alten Strukturen – sozialdemokratische Politik für die Menschen machen wollen.

    Ex-Präsident Zuma darf nicht antreten

    Der Wunsch nach Veränderung ist überall im Land spürbar. Die bislang größte Oppositionspartei, Democratic Alliance (DA), ruft auf ihren Wahlplakaten dazu auf, Südafrika "zu retten". Alleine kann sie das auf nationaler Ebene nicht stemmen – mit einem weißen Spitzenkandidaten und einem Stimmanteil um 20 Prozent. Deshalb hat die DA mit mehreren kleineren Parteien einen Pakt geschmiedet. Sie wollen gemeinsam eine Koalition bilden und den ANC ablösen.
    Und dann ist da ja noch die neue Partei des umstrittenen, ehemaligen ANC- und Staatspräsidenten Jacob Zuma. Der 82-Jährige ist das Gesicht von uMhkonto we Sizwe (MK) und will dem regierenden Präsidenten Stimmen abjagen. Und das, obwohl das Oberste Gericht des Landes vor ein paar Tagen entschied: weil Zuma vor drei Jahren zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden war, darf er gar nicht kandidieren. Laut Umfragen tut das seiner Beliebtheit keinen Abbruch: die Partei könnte auf Anhieb um die 14 Prozent holen, so Prognosen.
    Straßenabsperrung nach Ermordung von Politikerin in Mexiko
    Britische Abgeordnete haben Notruf-Knöpfe installiert. In Mexiko und Südafrika müssen Politiker sogar um ihr Leben fürchten.08.05.2024 | 2:16 min
    Die Aussichten allerdings, dass sich in Südafrika etwas maßgeblich verändert, sind laut Politikwissenschaftler Moeletsi Mbeki gering. Der Bruder des ehemaligen südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki kritisiert die Regierungspartei öffentlich. Doch er sagt auch: für einen politischen Wandel braucht Südafrika mehr Zeit.
    "Ich glaube nicht, dass nach der Wahl wirklich viel anders werden wird. Der ANC wird vielleicht die absolute Mehrheit verlieren, aber die Partei wird die meisten Stimmen erhalten und stärkste Partei bleiben. Und viele der kleinen Parteien sind Splitterparteien des ANC, die ähnliche Politik machen würden - auch als Koalitionspartner", prognostiziert Mbeki.
    Das Südafrika von heute: zerrissen, nah am Staatsversagen. Der Weg in eine bessere Zukunft bleibt auch nach den Wahlen lang.
    Verena Garrett in Leiterin des ZDF-Studios in Johannesburg

    Südafrika vor den Wahlen
    :Warum Ex-Präsident Zuma nicht antreten darf

    Weil Südafrikas Ex-Präsident Zuma vor drei Jahren verurteilt wurde, ist er für die Parlamentswahlen in der kommenden Woche gesperrt. Ein Dämpfer für seine neue Partei.
    von Verena Garrett
    Jacob Zuma kommt im Stadium in Johannesburg an um seine neue Partei uMkhonto weSizwe vorzustellen
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