Wahl im Kosovo: Versöhnung unwahrscheinlich

Wahl auf dem Balkan:Kosovo: Versöhnung unwahrscheinlich

Michael Bewerunge
von Michael Bewerunge
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Die Menschen im Kosovo wählen heute ein neues Parlament. Premierminister Kurti gibt sich siegesgewiss. Für die serbische Minderheit tritt eine neugegründete Partei an.

06.02.2025: Ein Fußgänger geht vor den Parlamentswahlen im Kosovo an einem Kiosk vorbei, der mit einem Porträt des derzeitigen Premierministers Albin Kurti geschmückt ist.
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Es sieht nicht so aus, als würde der Mann mit seinen Wahlkampf-Flyern von einer großen Welle der Zustimmung getragen. Aleksandar Arsenijevic wandert tapfer durch die einsamen Straßen von Zvecan, einem kleinen Vorort von Mitrovica. Wahlkampf in Mitrovica im Norden des Kosovo zu machen, ist an sich schon kompliziert genug, denn die Stadt ist so gespalten, wie der Kosovo geteilt ist.

Serben im Kosovo in der Minderheit

Den Süden prägt eine Mehrheit von Kosovo-Albanern. Im Norden leben Serben, die eine Minderheit im Kosovo bilden. Arsenijevic selbst ist Serbe und macht in der serbischen Enklave im nördlichen Teil des Kosovo Wahlkampf für eine von ihm mitgegründete neue Partei, die "Serbische Demokratie" heißt.
KOSOVO-POLITICS-ELECTIONS
Am 09. Februar wird im Kosovo ein neues Parlament gewählt. Eine Wahl im Schatten eines ethnischen Dauerkonflikts zwischen Kosovo-Albanern und der serbischen Minderheit.07.02.2025 | 2:17 min
Und hier wird es noch mal komplizierter. Denn der Platzhirsch in den bisherigen Wahlen heißt "Serbische Liste". Eine Belgrad hörige Partei, die bei den verbliebenen Serben im Kosovo den Ton angibt. Die Regierung in Belgrad gibt nicht nur den politischen Kurs vor, sondern zahlt auch Zehntausenden Serben im Kosovo ihre Gehälter und Pensionen. Und sie ist weitgehend auf Konfrontationskurs zur albanischen Mehrheitsregierung in Pristina.

"Serbische Demokratie" will mehr Kooperation mit Kosovo-Albanern

Arsenijevic will etwas Neues probieren: Auch er tritt für eine weitgehende Autonomie der Serben ein, will sich aber vom Einfluss Belgrads lösen und mit dem albanischen Teil stärker kooperieren.
"Angefangen haben wir wegen des Monopols der 'Serbischen Liste', die die Rechte des Einzelnen verletzt hat.", sagt Arsenijevic.

Wir sind diejenigen, die frei leben wollen und die mutig genug sind, an die Öffentlichkeit zu gehen, um mehr Pluralismus zu schaffen.

Aleksandar Arsenijevic, Mitgründer der Partei "Serbische Demokratie"

Wahlkampf zwischen den Fronten

Doch einfach ist der Wahlkampf für Arsenijevic nicht, denn mit seinem neuen Ansatz hat er sich zwischen alle Fronten begeben. "Gegen eine von Belgrad unterstützte Partei anzutreten, die über geradezu unerschöpfliche Ressourcen verfügt, ist sehr schwierig", sagt er. "Gleichzeitig ist es auf der anderen Seite genauso schwierig, gegen eine Partei anzutreten, die von Pristina unterstützt wird."
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Kein Wunder, dass sich nur wenige gerne mit Arsenijevic in der Öffentlichkeit sehen lassen und auch an diesem Tag schnell weitergehen, als sie ihn sehen. Die meisten, die sich dennoch auf ein Interview einlassen, denken konstruktiv.
Zum Beispiel Slobodanka Stojic, die schon lange in Zvecan lebt. Sie sagt: "Ich habe hier keine Probleme. Ich habe schon mit Albanern zusammen gearbeitet, mit ihnen gelebt und Kontakte geknüpft." Auf der anderen Seite sagt sie aber auch: "Das hier ist Serbien und Kosovo ist seine Provinz, das war schon immer so und wird so bleiben, daran besteht kein Zweifel."

Premierminister Kurti: Wahl als Referendum

Der Wahlkampf, den der amtierende Premierminister Albin Kurti in Pristina führt, könnte kaum kontrastreicher sein. Kurti tritt vor einer gigantischen Videowand auf, Dutzende seiner Anhänger schwenken albanische Fahnen. Bei der letzten Wahl holte der Kosovo-Albaner für die Partei "Selbstbestimmung" die absolute Mehrheit.
Kurti steht für einen harten Kurs gegenüber den Serben. Er will die im Kosovo verbliebenen Serben mit verschärftem Druck zwangsintegrieren. Auf seiner Wahlkampfveranstaltung gibt er sich überzeugt, dass seine Partei "für die nächsten vier Jahre die demokratische Erlaubnis erhalten" werde, "auf unserem gesamten Gebiet noch mehr gute und erfolgreiche Arbeit für alle Bürger der Republik Kosovo zu leisten".
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Und er verspricht: "Der 9. Februar ist nicht nur eine Wahl, sondern ein Referendum, ein Referendum für die nächsten vier Jahre, aber auch für die vergangenen vier. Das Volk wird über den richtigen und vollständigen Weg entscheiden, den wir bis jetzt verfolgt haben."

Zustimmungswerte für Regierungspartei gefallen

Doch die Zustimmungswerte für Kurti sind auch im albanischen Teil des Kosovo gefallen. Vor allem Kurtis Wirtschaftspolitik ist in die Kritik geraten. Andere wiederum verlangen von ihm mehr Zugeständnisse im Konflikt mit Serbien um die Unabhängigkeit des Kosovo.
"Ob es uns nun gefällt oder nicht", sagt Ari, den wir auf der Straße in Pristina ansprechen, "eine Einigung mit Serbien ist zwingend notwendig. Denn weder wir noch Serbien kommen ohne eine Einigung voran."
Die Verhältnisse im Kosovo sind kompliziert. Dass sie nach der Wahl wesentlich einfacher werden, ist nicht zu erwarten.

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Michael Bewerunge berichtet aus dem ZDF-Studio Südosteuropa.

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Quelle: dpa

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