Ukraine-Krieg: Die Wagenknecht-Partei und der Weg einer Lüge
Ukraine-Krieg:Die Wagenknecht-Partei und der Weg einer Lüge
von Andreas Kynast
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Die Behauptung, dass Frankreich offiziell Truppen in die Ukraine schicke, wird von Politikern der Wagenknecht-Partei verbreitet und verschärft. Die Parteigründerin verteidigt das.
Sahra Wagenknecht, die Anfang 2024 die Partei Bündnis Sahra Wagenknecht gründete. Ende 2023 war sie aus der Linkspartei ausgetreten.
Quelle: dpa
Es beginnt mit einem Post des russischen Staatssenders Sputnik auf X. Am 13. April, um 9:43 Uhr behauptet das Nachrichtenportal, die ersten Einheiten der französischen Fremdenlegion seien in der Region Donezk eingetroffen. Sputnik ist wegen der "Verbreitung von Lügen" in der EU gesperrt.
Es dauert eine Weile, bis das kleine Textchen in Europa Beachtung findet, aber als es die richtigen Kreise erreicht, beginnt eine Welle durch die Sozialen Medien zu laufen, die auch die französische Regierung nicht zu stoppen vermag. Knapp einen Monat wird es dauern, bis sich in Deutschland die Parteigründerin Sahra Wagenknecht (BSW) zu den Gerüchten äußert.
Zunächst sind es vor allem russische Propaganda-Accounts, die die Sputnik-Meldung weiter verbreiten und von Tag zu Tag weiter verschärfen. Hatte sich der russische Staatssender noch auf einen anonymen Telegram-Autor berufen, heißt es bald, die französische Regierung habe die Entsendung des 3. Infanterie-Regiments der Fremdenlegion offiziell angeordnet und zugegeben.
Am Donnerstag dieser Woche greifen in Deutschland die ersten Lokal- und Landespolitiker der Wagenknecht-Partei den antiwestlichen Leckerbissen auf. Der nun mit dem Geschmacksverstärker "offiziell" gewürzt wird.
Sie wird geliebt, gehasst und hat jetzt eine eigene Partei. Für viele Linke gilt sie als Spalterin. Anhänger ihrer neuen Partei sehen sie als Alternative für Deutschlands Politik.23.01.2024 | 13:18 min
Wagenknechts Basis spitzt Formulierung zu
"Nato-Mitglied Frankreich hat erste Truppen offiziell in die Ukraine geschickt", verbreitet der Hamburger Bürgerschafts-Abgeordnete Metin Kaya auf der Plattform X. Kaya ist im vergangenen Herbst nach 18 Jahren aus der Linkspartei in die neue Partei übergetreten und hat sein Mandat mitgenommen. Es sei allgemein bekannt, schreibt das Neumitglied, dass sich Soldaten der Nato in ukrainischen Uniformen am Krieg beteiligten.
Zu diesem Zeitpunkt hat die französische Regierung die immer amtlicher formulierten Social-Media-Behauptungen bereits mehrfach dementiert.
Sowohl die Fremdenlegion als auch das Verteidigungsministerium teilten mit, dass sich das in Rede stehende Regiment in Französisch-Guayana befinde. Eine zweite Einheit, von der inzwischen ebenfalls behauptet wird, sie kämpfe nun offiziell in der Ukraine, gebe es seit 30 Jahren nicht mehr.
Trotzdem wird die Falschmeldung über den angeblich ersten, offiziell bestätigten Nato-Einsatz in der Ukraine tausendfach weitergereicht und aufgebauscht; das Bündnis Sahra Wagenknecht macht mit.
"Auf Russland sollte auch Druck ausgeübt werden auf internationaler Ebene", sagt Amira Mohamed Ali, Parteivorsitzende des Bündnis Sahra Wagenknecht.03.04.2024 | 5:11 min
Korrekturbitten werden ignoriert
Frederick Broßart hat einmal (vergeblich) versucht, Parteivorsitzender der Linkspartei zu werden, und ist nun ebenfalls ins BSW gewechselt. Auch er verbreitet die angebliche Nun-ist-es-raus-Story, indem er den Post seines Parteifreundes Metin Kaya weiterleitet und hinzufügt: "Dieser Wahnsinn muss gestoppt werden! Zeit für Vernunft und Gerechtigkeit! BSW!"
Auf Anfragen von ZDFheute haben Broßart und Kaya bis Freitagabend nicht reagiert. Auch die Hinweise zahlreicher Leser, dass Frankreich keineswegs einen Einmarsch-Befehl zugegeben hat, wurden bis dahin ignoriert.
Frankreichs Präsident Macron hatte zuletzt nicht ausgeschlossen, Bodentruppen in die Ukraine zu senden. In Deutschland stieß er damit auf Kritik.27.02.2024 | 1:56 min
Sahra Wagenknecht verteidigt Posts
Von Parteigründerin Wagenknecht werden die Versuche, der französischen Regierung ein kriegswichtiges Eingeständnis anzudichten, nicht kritisiert, sondern ausdrücklich verteidigt.
Eine Entsendung westlicher Truppen sei eine "unverantwortliche weitere Eskalation des Krieges mit unabsehbaren Folgen", teilt Wagenknecht ZDFheute mit. "Es gibt Berichte, unter anderem im 'Merkur' und in der 'Welt', dass bereits französische Soldaten in der Ukraine sind."
Westliche Bodentruppen in die Ukraine zu schicken, sei enorm gefährlich, erklärt Oberst a.D. Richter. Die Folge: ein ausgewachsener Nuklearkrieg. 27.02.2024 | 23:50 min
Dass die Regierung in Paris dementiert, offiziell Truppen in die Ukraine geschickt zu haben, ist für Wagenknecht kein Anlass, die gegenteilige Behauptung ihrer Mitglieder zu korrigieren: "Macron hat die offizielle Entsendung französischer Soldaten in keiner Weise für die Zukunft ausgeschlossen. Insofern sehe ich keinen Grund, die Kritik an dem Agieren Frankreichs zurückzunehmen."
Wie die BSW-Gründerin grundsätzlich das Verbreiten von Falschbehauptungen bewertet, auch vor dem Hintergrund, dass dem BSW von politischen Gegnern häufig das Label "Putin-Partei" angeheftet werde? Diese Frage lässt Sahra Wagenknecht unbeantwortet.
Kaya löscht Post auf X
Fast drei Wochen nach dem Aufschlag des Staatssenders Sputnik standen die Unwahrheiten der BSW-Basis einen Tag lang online. Nach der Anfrage von ZDFheute hat Metin Kaya seinen Post gelöscht und erklärt: "Die Meldung und die Quelle waren falsch." Das wäre nach dem Willen der Parteivorsitzenden nicht nötig gewesen.
Andreas Kynast ist Korrespondent im ZDF-Hauptstadtstudio.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.