Selenskyj fordert seit Monaten die Erlaubnis, westliche Waffen auch gegen Ziele in Russland einzusetzen. Nun scheint Biden diese Genehmigung zu erteilen - was das bedeutet.
Die USA haben der Ukraine den Einsatz von US-Waffen auf russische Ziele erlaubt. Konkret geht es um die Grenzregion Kursk, wo Russland nordkoreanische Truppen stationiert hatte.18.11.2024 | 1:45 min
Die USA ändern ihren Ukraine-Kurs. Nach monatelangem Zögern haben sie der Ukraine grünes Licht für den Einsatz weit reichender Waffen gegen Russland gegeben. Diese Entscheidung markiert einen bedeutenden Wendepunkt.
Laut Insidern könnten bald die ersten Angriffe mit "Army Tactical Missile Systems" (ATACMS) beginnen, die eine Reichweite von rund 300 Kilometern haben. Die Raketen sollen es der Ukraine ermöglichen, weiter entfernte russische Stellungen ins Visier zu nehmen.
Was bedeutet die Entscheidung für Russland?
Die russische Regierung bezeichnete diesen Schritt als Eskalation. Wladimir Dschabarow, stellvertretender Vorsitzender des internationalen Ausschusses im russischen Oberhaus, warnte laut TASS, dass Bidens Entscheidung einen dritten Weltkrieg auslösen könnte und eine rasche Reaktion zur Folge haben werde.
Auch Elmar Theveßen, ZDF-Korrespondent in den USA schätzt ein:
So auch Nordkorea. Wenn eigene Truppen zu Schaden kommen, könnte vielleicht Vergeltung geübt werden, z.B. an US-Soldaten in Südkorea, so Theveßen weiter. "Risiken sind da." Biden werde großen Wert darauf legen, beim G20-Gipfel in Rio politische Unterstützung zu erhalten.
Was bedeutet die Entscheidung für die Ukraine?
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj äußerte sich am Sonntagabend zurückhaltend. "Angriffe werden nicht mit Worten ausgeführt", sagte er in seiner Videoansprache. "Solche Dinge werden nicht angekündigt. Die Raketen werden für sich selbst sprechen."
Inwieweit Kiew von dieser Entscheidung profitieren wird, ist noch unklar. Allerdings werde die Freigabe weiterreichender Waffen die Rückeroberung im Gebiet Kursk für Russland erschweren, schätzt Militärexperte John Hardie ein. Der Analyst des Thinktank "Foundation for Defense for Democracies" stellt im Gespräch mit ZDFheute fest: "Angriffe auf Ziele wie russische und nordkoreanische Truppenkonzentrationen, Kommando- und Kontrollstellen sowie Logistikknotenpunkte können der Ukraine helfen, das von ihr kontrollierte Gebiet in Kursk zu verteidigen."
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Allerdings komme die Waffenfreigabe verspätet. So sieht es auch Militärexperte Christian Mölling. Das Muster "zu wenig, zu spät" kennzeichne die Hilfen für die Ukraine seit fast drei Jahren.
Auch die Begrenzung auf Kursk hilft der Ukraine nach Einschätzung beider Experten nicht unbedingt. Das Land stehe im Süden viel mehr unter Druck und könne dort mit weitreichenden Waffen deutlich mehr erreichen.
Selenskyj fordert seit Monaten eine Freigabe für Angriffe tiefer im russischen Landesinneren. Als Begründung wird von Kiew angeführt, dass nur so russische Militärflughäfen erreicht werden können, von denen Kampfjets aufsteigen, um auf ukrainische Ziele Gleitbomben abzuwerfen oder Raketen abzufeuern.
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Warum kommt die Entscheidung jetzt?
Präsident Biden habe gute Gründe für seine Entscheidung, erklärt ZDF-Korrespondent Theveßen.
Die Ukraine soll russisches Gebiet halten, um es als Verhandlungsmasse in möglichen Friedensverhandlungen zu nutzen, falls Donald Trump später Einfluss auf den Prozess nehmen sollte.
Man möchte Moskau und Nordkorea deutlich machen, dass keine dritte Nation direkt in den Konflikt eingreifen darf. Es gab die Befürchtung, dass Putin den Westen testen könnte und bei schwacher Reaktion Nachschub aus Nordkorea erhalten würde.
Dennoch ist der Schritt Bidens ungewöhnlich. Normalerweise vermeiden scheidende Präsidenten in Kriegsfragen jede Festlegung ihres Nachfolgers. Es sei der letzte Dienst, den Biden dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj erweisen könne, bevor Trump eine Kehrtwende in der amerikanischen Ukraine-Politik anordnen könnte, erklärt ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen.
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Was heißt das für Deutschland?
Auch Deutschland könnte nun unter Druck geraten: Die Entscheidung der Amerikaner dürfte die Debatte über den Marschflugkörper Taurus neu entfachen. Eine Taurus-Lieferung an die Ukraine lehnt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ab.
Außenministerin Annalena Baerbock begrüßte die Entscheidung von Bidens. Es gehe jetzt darum, "dass die Ukrainer nicht warten müssen, dass die Rakete über die Grenze fliegt, sondern dass man die militärischen Abschussbasen, dass man von dort, wo die Rakete geflogen wird, dass man das zerstören kann."
Manche Orte in der Ukraine seien so dicht an der Grenze zu Russland, dass die Luftverteidigung nicht helfe, weil die Rakete viel zu schnell einschlage, sagte Baerbock. Die Außenministerin äußerte sich jedoch nicht dazu, ob auch Deutschland künftig weitreichende Angriffswaffen an die Ukraine liefern werde.
Katharina Schuster ist ZDF-Redakteurin in Washington D.C.
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