Ukraine-Krieg: Was Europa militärisch für Kiew leisten kann
US-Militärhilfe läuft aus:Was Europa militärisch für Kiew leisten kann
von Christian Mölling, András Rácz
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Viele der Waffen, mit denen Kiew den russischen Angriff verteidigt, werden von den USA bereitgestellt. Doch diese stellen die Unterstützung vorerst ein - mit weitreichenden Folgen.
Im Kampf gegen den russischen Angriffskrieg ist die Ukraine auf Waffen aus dem Westen angewiesen.(Archivbild)
Quelle: AP
Ende Dezember haben die USA der von Russland angegriffenen Ukraine noch einmal Waffen und Ausrüstung im Wert von 250 Millionen US-Dollar bereitgestellt - womöglich zum letzten Mal. Wenige Tage später haben die USA erklärt, dass ihre finanziellen Mittel zur Unterstützung erschöpft sind.
Denn solange der Kongress keine neuen Finanzmittel für die Ukraine bewilligt, kann kein neues Militärhilfepaket geschnürt werden. Dies wirft die Frage auf, inwieweit und wie lange der restliche Westen die US-Lieferungen ersetzen können - solange das US-Parlament über 110 Milliarden US-Dollar für Ukraine und Israel entscheidet?
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Bestände an Artilleriegranaten erschöpft
Eine der wichtigsten Komponenten der US-Militärhilfe waren bisher 155-Millimeter-Artilleriegranaten - eine Standardmunition, die von den Ländern der Nato verwendet wird. Doch nach fast zwei Jahren Krieg und ständigen Lieferungen an die Ukraine sind die eigenen Bestände vieler westlicher Partner erschöpft.
...ist Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin und leitet dort das Programm Sicherheit, Verteidigung und Rüstung. Er forscht und publiziert seit über 20 Jahren zu den Themenkomplexen Sicherheit und Verteidigung, Rüstung und Technologie, Stabilisierung und Krisenmanagement. Für ZDFheute analysiert er regelmäßig die militärischen Entwicklungen im Ukraine-Konflikt.
Quelle: DGAP
...ist Associate Fellow im Programm Sicherheit und Verteidigung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Er forscht und publiziert zu Streitkräften in Osteuropa und Russland und hybrider Kriegsführung.
Denn: Europa hat trotz klarer Zeichen aus der Ukraine und auch eigener Bedarfe die Produktion nicht angemessen hochgefahren. Dieses eigene Loch in den Beständen fällt nun mit dem Ausfall der USA als Lieferant zusammen.
Seit Februar 2022 haben allein die USA mehr als 1,5 Millionen Granaten geliefert.
Die EU hatte zugesagt, die Ukraine bis zum Frühjahr 2024 mit 1 Million Granaten zu unterstützen.
Letztendlich konnten allerdings nur etwa 300.000 Granaten geliefert werden - deutlich weniger als geplant.
Einzelne EU-Länder haben den Bedarf bereits erkannt: Deutschland plant, der Ukraine bis zum Jahr 2024 200.000 solcher Geschosse zur Verfügung zu stellen. Auch das Vereinigte Königreich, Finnland, Norwegen und mehrere andere Länder haben ähnliche Zusagen gemacht.
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Munitionsengpässe ohne Unterstützung aus den USA
Kürzlich tauchten sogar in Indien hergestellte 155-mm-Granaten an der Front auf, wenngleich ihre genaue Herkunft noch unklar ist. Trotz allen Ankündigungen sind das Zusagen für deutlich geringere Mengen im Vergleich zu dem, was die USA geliefert haben.
Bleiben die USA also unentschlossen, ob sie ihre militärische Unterstützung für Kiew fortsetzen sollen, wird die ukrainische Artillerie mit ernsthaften Munitionsengpässen konfrontiert sein. Denn trotz westlicher Zusagen: Die Herstellung neuer Munition braucht Zeit, selbst wenn neuere Produktionslinien in Betrieb sind.
USA Alleinlieferant bei vielen komplexen Waffensystemen
Bei anderen Waffensystemen aus amerikanischer Produktion hätte eine Einstellung der Unterstützung jedoch noch schwerwiegendere Folgen. Dazu zählen Raketen für die Luftabwehrsysteme NASAMS und Patriot sowie Raketen für das System HIMARS, die Panzerabwehrraketen AT-4 und Javelin.
So funktioniert das Flugabwehrsystem Patriot, von dem die Nato am Mittwoch 1.000 Stück gekauft hat:
Es gibt zwar eine Reihe anderer verbündeter Länder, die diese Systeme besitzen: Australien, Norwegen, die Niederlande, Litauen und einige andere Länder haben ebenfalls NASAMS im Einsatz. Sie verfügen jedoch über viel weniger Abschussgeräte und folglich auch über viel weniger Munition als die USA.
Selbst wenn diese Länder theoretisch eine Zeit lang die von den USA gelieferten Raketen ersetzen könnten, wäre dies aber keine dauerhafte Lösung, da die Vorräte der anderen Betreiber viel schneller erschöpft sind als die der USA. Ähnlich verhält es sich mit den HIMARS-Raketen sowie den Javelins, AT-4s und anderen Systemen.
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Verbündete Staaten vor Dilemma
Außerdem stellt sich, wenn diese Länder einen erheblichen Teil ihrer eigenen Bestände an die Ukraine liefern würden, die Frage, wie viel Zeit sie - wenn überhaupt möglich - benötigen würden, um ihre eigenen Bestände wieder aufzufüllen.
Andere Betreiber von in den USA hergestellten Waffensystemen stehen deswegen vor einer schwierigen Entscheidung: Je mehr sie an die Ukraine liefern, desto mehr würden sie ihre eigenen Verteidigungskapazitäten einschränken.
Gleichzeitig wissen sie aber auch, dass die geringeren Mengen, die sie liefern könnten, im Vergleich zu den Lieferungen der USA einen geringen Unterschied ausmachen. Ein Dilemma, das nicht neu ist; es besteht seit Beginn der Eskalation. Doch jetzt, da die Lieferungen aus den USA weiter zurückgehen, ist es viel akuter als je zuvor.
Aus der Sicht der Ukraine ist es demnach von entscheidender Bedeutung, ob und wann der Kongress den finanziellen Rahmen für die weitere Militärhilfe bewilligt. Sollte dies in den kommenden Wochen nicht geschehen, würde die Verteidigung der Ukraine allmählich immer schwieriger werden.
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