Waffengesetze in der USA: Tennessee: Waffen im Unterricht

    Neues Waffenrecht in Tennessee:Mit der Pistole in die Schule gehen

    von Heike Slansky
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    Neuerdings können Lehrer im US-Bundesstaat Tennessee bewaffnet zur Schule gehen. Es ist die politische Antwort der Mehrheit der Republikaner auf eine tödliche Schulschießerei.

    Auf dem Bild sind Waffen in einem Geschäft zu sehen.
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    Tennessees politische Antwort auf den Amoklauf ließ nicht lange auf sich warten. Lehrer dürfen künftig bewaffnet zum Unterricht gehen. Eine Entscheidung, die trotz heftiger Kontroversen die Mehrheit der Republikaner durchgeboxt hat.
    Grafik Waffengesetze
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    Republikaner: Mit Waffen aufgewachsen

    Gary Stidham ist ein wahrhaftiger amerikanischer Patriot. Seit 10 Jahren sitzt er für die Republikaner in der Vertretung des Landkreises Sullivan County in Tennessee - ausschließlich mit Gleichgesinnten, allesamt Republikaner. Es gibt keine Opposition. Er versucht uns die Faszination seiner Landsleute für Schusseisen nahezubringen.

    Wisst ihr, wir sind damit aufgewachsen. Wir haben damals in der Schule im Unterricht gelernt, mit Waffen umzugehen.

    Gary Stidham, Republikaner, Sullivan County Commissioner

    So wie viele andere auch ist Gary ganz selbstverständlich mit Waffen zu Hause aufgewachsen. Deshalb sind seiner Ansicht nach auch nicht die Waffen das Problem, sondern manche Nutzer.

    Waffengesetze in den USA: Tennessee erlaubt fast alles

    In Tennessee gilt mitunter eins der liberalsten Waffengesetze in den USA. Es ist fast alles erlaubt: Das Tragen einer geladenen Schusswaffe - offen oder verdeckt. Überprüfung oder Sicherheitstraining sind nicht nötig.
    Ein kleines Mädchen mit Ohrschützern hält ein Schnellfeuergewehr. Der Vater trägt eine Sonnenbrille und steht daneben, hält ebenfalls das Gewehr fest und lächelt.
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    Pädagogen, die Waffen mit in die Schule nehmen wollen, müssen immerhin vor der Bewaffnung ein Training absolvieren, einen Eignungsscheck nachweisen und den jeweils örtlichen Sheriff informieren. Trotzdem haben einige Strafverfolger auch Bedenken.

    Vielleicht fügen sie den Kindern durch Eigenbeschuss mehr Schaden zu.

    Jeff Cassidy, Sheriff Sullivan County, Tennessee

    Das befürchtet der gewählte Sheriff von Sullivan County, auch Republikaner. Er glaubt, Lehrer könnten sich der Waffe nicht so bewusst sein, so wie seine Kollegen bei der Polizei. Trotzdem findet er das neue Gesetz prinzipiell richtig. Es könnte als Abschreckung dienen, meint er.

    Bewaffnete Lehrer: Prävention gegen Amokläufe

    Wir besuchen die West Ridge Highschool. Obwohl sich neuerdings Lehrer bewaffnen können, macht es hier keiner. Warum nicht? Diese Schule kann sich einen bewaffneten Sheriff leisten, der mit seinen Kollegen für die Sicherheit sorgt. Anders sieht es aber im ländlichen Bereich aus. Dort ist das Geld knapp. Da könnten Lehrer im Ernstfall einspringen. Das Echo unter den Betroffenen meist positiv.

    Unser Campus ist ziemlich weitläufig. Das ist also ein Problem, wir können nicht überall Sicherheit haben. Es wäre gut, ein bisschen mehr Schutz für unsere Schüler zu haben, wenn's die richtigen Leute machen.

    Kyle Moore, Lehrer

    Waffenbesitz ist Grundrecht in den USA

    Der Umgang mit Waffen spaltet die amerikanische Gesellschaft. Für die Befürworter geht es ums Prinzip, um die amerikanische Identität. Sie berufen sich auf den zweiten Zusatzartikel der US-Verfassung - ein Grundrecht, dass jeder Amerikaner das Recht hat, Waffen zu tragen.
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    Gegen den Waffenkult kämpfen Abgeordnete der Demokraten, klar in der Minderheit in Tennessee und trotzdem hoffnungsfroh. Gloria Johnson, auch Lehrerin von Beruf, ist entsetzt über die neue Rechtslage in ihrem Heimatstaat. In ganz Amerika stimmt ihr zwar eine Mehrheit zu, aber im Bundesstaat Tennessee steht sie weitgehend auf verlorenem Posten.

    Ich habe 27 Jahre lang unterrichtet. Die Vorstellung, eine Waffe in meinem Klassenzimmer zu haben, ist lächerlich.

    Gloria Johnson, Demokratin, Abgeordnete in Tennessee

    Noch mehr Waffen lösen das Problem nicht, sagt sie uns. Vielmehr müsse verhindert werden, dass überhaupt Waffen ins Schulgebäude gelangen.

    Waffen auch für psychisch Erkrankte

    Statistisch gesehen, steht Tennessee weit oben bei Todesfällen durch Schusswaffen. Dass sogar psychisch Erkrankte Waffen besitzen können, findet der Commissioner aus Sullivan, Gary Stidham, nicht problematisch. Allerdings meint er, dass es viel mehr psychologische Hilfsangebote geben müsste.

    Man kann jetzt nicht mehr alle Waffen einsammeln, die seit 200 Jahren zirkulieren. Was wir allerdings tun müssen, ist das wahre Problem der psychischen Krankheiten lösen. Das ist unser Problem. Nicht die Waffen.

    Gary Stidham, Republikaner, Sullivan County Commissioner

    Amerika und der Waffenwahn: Ein politisch aufgeladenes Thema, besonders im Wahlkampf. Bewaffnen oder entwaffnen: Es ist ein emotional geführter Kampf mit anscheinend unüberwindbaren Differenzen.
    Heike Slansky berichtet als Korrespondentin im ZDF-Studio Washington aus den USA.

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