Sturm aufs Kapitol: Trump-Anhänger über den 6. Januar 2021

    Kapitol-Sturm nach US-Wahl 2020:Wie man darauf kommt, das Kapitol zu stürmen

    von Heike Slansky, Washington
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    Eric Cramer war einer unter Hunderten, die 2021 das Kapitol in Washington stürmten - warum er da war, was seine Absicht war und ob er es bereut.

    Trump Anhänger klettern an einer Wand des Kapitols hoch
    Zwei Brüder aus West Virginia sind am 6. Januar 2021 nach Washington gefahren, um beim Sturm auf das Kapitol dabei zu sein. Beide wurden verurteilt – und erzählen von ihren Motiven.16.10.2024 | 6:47 min
    Selten spricht ein Kapitolstürmer mit der Presse. Es ist eine Frage des Vertrauens. Erst recht bei einem so heiklen Thema. "Ich habe mein verfassungsmäßiges Recht ausgeübt, am Kapitol zu sein, um die Senatoren zu unterstützen, die Einwände hatten", sagt Eric Cramer aus der Kleinstadt Romney in West Virginia.
    Tatsächlich gab es Stimmen im Kongress, die das Wahlergebnis von 2020 anfechten wollten - trotz der widerlegten Behauptungen von der gestohlenen Wahl. Doch als vor der Tür die Gewalt begann, die ersten in den Kongress eindrangen, wurde der Prozess der Zertifizierung im Kapitol durch die Angreifer beschleunigt und zu einem Abschluss gebracht.
    Demonstrierende Menschen stehen vor einer weißen Mauer unter einer Brüstung am Fuße des Kapitols der Vereinigten Staaten, eines Kuppelbaus.
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    Sturm auf das Kapitol: Angreifer folgen Donald Trump

    Die Meute war hinter Vize-Präsident Mike Pence her, den sie hängen wollte, so ihre Parolen. Ebenso hatten sie die Demokratin Nancy Pelosi, die Vorsitzende des Kongresses, zum Ziel. Viele fürchteten um ihr Leben. Es war ein Umsturzversuch, angezettelt durch eine Rede von Donald Trump, der das Wahlergebnis für manipuliert hielt.

    Nach der US-Wahl 2020 hatte der damals abgewählte US-Präsident Donald Trump eine aufpeitschende Rede gehalten. In der Folge zogen fanatische Anhänger zum Kapitol in Washington und stürmten schließlich das Gebäude, in dem ein Kongress tagte. Das Ziel: Verhindern, dass der Wahlsieg von Joe Biden bei der Präsidentschaftswahl formell beglaubigt wird. Im Zusammenhang mit dem Sturm auf das Kapitol kamen fünf Menschen ums Leben, darunter Demonstranten und ein Polizist.

    Kapitolstürmer mussten sich vor Gericht verantworten

    "Es gab durchaus Leute dort, die gewalttätig waren. Aber nicht ich. Das wurde mir aber vorgeworfen", erzählt uns Eric, der, als ihm der Prozess gemacht wird, seinen ehemaligen Mathelehrer um Unterstützung bittet.
    "Ich hielt es für notwendig, die Leute vom Gericht, die über Eric urteilen würden, wissen zu lassen, dass Eric ein anständiger Mensch ist, vielleicht durch Medien und politische Faktoren in die Irre geführt wurde, aber ein sehr anständiger Mensch", so Charlie Streisel, der Mathelehrer. Lange Zeit war er auch Vorsitzender der Demokraten in Romney. Politisch denke er ganz anders als Eric, sagt er.
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    Eric Cramer bestreitet Vorwürfe der Staatsanwaltschaft

    Trotzdem könne er nachvollziehen, warum so viele verärgert sind und das Vertrauen in den Staat und die Institutionen verloren haben, meint der frühere Lehrer. Und weiter: Sie seien verärgert über das System und wüssten nicht weiter.

    Dann kommt eine bestimmte Person daher, und sie klammern sich an seine Rockschöße und glauben, dass er sie ins gelobte Land führt oder so etwas.

    Charlie Streisel

    Zu Erics Frust kommt nun auch noch seine persönliche Erfahrung mit den Strafverfolgern. Denn laut Staatsanwaltschaft hatte er beim ersten Verhör gelogen, was seiner Meinung nach gar nicht stimmt. Der Vorwurf: Er habe nicht gleich zugegeben, dass er im Kapitol war, wenn auch nur kurz.
    "Hier steht’s doch", zeigt uns Eric in seinem dicken Aktenordner voller Belege: "Meine erste Aussage: keine Gewalt, war im Kapitol, wurde von der Menge hineingetrieben."

    ZDFheute: In der Anklageschrift heißt es, Sie seien in eine Schlägerei verwickelt gewesen, mit einem Polizisten. Sie haben ihm den Schlagstock abgenommen?

    Eric Cramer: Ich war nah genug, dass ein Polizist seinen Schlagstock in der Hand hatte und mir damit in die Rippen stieß. Nun, als er das tat, fiel ich zu Boden. Und als ich das tat - ich schätze bei dem Gerangel oder meinem Fallen oder dem ganzen Schubsen - verlor er die Kontrolle und der Schlagstock fiel auf den Boden. Und ich hob ihn auf. Ich hob den Schlagstock auf, der Polizist brach zusammen und ich steckte ihn in meine Tasche.

    ZDFheute: Aber Sie haben es auf Facebook gepostet. Und es sah aus wie eine Trophäe?

    Eric Cramer: War es auch für mich.

    ZDFheute: Sie respektieren doch die Polizei, oder nicht?

    Eric Cramer: Ja, ich habe dem Polizisten den Schlagstock ja auch zurückgegeben. Für mich war es eine Trophäe, eine Trophäe dafür, dass ich grundlos von einem Polizisten verprügelt wurde, einfach nur, weil ich da war.

    ZDFheute: Sie mussten acht Monate ins Gefängnis. Bereuen Sie etwas? Oder war es das wert?

    Eric Cramer: Ich weiß nicht, ob ich das kann. Ich möchte sagen, dass ich aufgrund meines Glaubens alles, was mir passiert oder in der Vergangenheit passiert ist oder mir in Zukunft passieren wird, jemals bereuen werde, weil ich, wenn ich sage, dass ich Christ bin und an Jesus glaube, der sagt: "Stirb für mich". Mir wurde beigebracht und ich habe gelernt, dass alles aus einem bestimmten Grund geschieht.

    Wahlkreis in West Virginia: Drei Viertel der Wähler für Donald Trump

    Eric wurde in insgesamt drei Anklagepunkten zu acht Monaten Gefängnis verurteilt. Er ist enttäuscht, desillusioniert, fühlt sich machtlos. Doch in seiner Heimat ist er nicht alleine, ganz im Gegenteil. Drei Viertel der Wähler in seinem Landkreis in West Virginia stimmten für Trump. Manche geben offen zu, sie hätten sich einen Putsch gewünscht.
    "Ganz ehrlich, wer am 6. Januar dabei war, hatte recht. Ich war dafür. Unser Land geht den Bach herunter. Die Leute wollten das verhindern. Jetzt dreht man ihnen daraus einen Strick", sagt uns eine Kellnerin vor Ort und wiederholt die gängigen Parolen, die Trump bei jeder Wahlkampfveranstaltung zum Besten gibt.
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    Weitere Reise nach Washington untersagt

    Wenige Wochen vor der US-Wahl macht sich Mathelehrer Charlie Sorgen. Was wird passieren, wenn das Wahlergebnis wieder angefochten wird? Je nachdem, wie das Ergebnis im November ausfällt.
    Ein zweites Mal wird Eric nicht nach Washington reisen. Das Gericht hat es untersagt. Er darf nur noch in Begleitung der Polizei die Hauptstadt betreten. Den Glauben ans System hat er längst verloren. Er meint, an ihm solle ein Exempel statuiert werden.

    Ich glaube zwar an die Rechtsstaatlichkeit. Allerdings denke ich, dass diejenigen, die an der Macht sind, diktieren können, wie das Recht ausgelegt wird.

    Eric Cramer

    Eric ist immer noch Trump-Fan, bereut nichts. Im Gegenteil: Er glaubt alles, was Trump von sich gibt und hofft, dass er bald wieder ins Weiße Haus einzieht.
    Heike Slansky ist Korrespondent im ZDF-Studio in Washington.

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