Möglicher Waffenstopp: Was Bidens Warnung an Israel bedeutet

    Möglicher Waffenstopp :Was Bidens Warnung an Israel bedeutet

    von Anna Kleiser, Washington D.C.
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    Nach zahllosen diplomatischen Versuchen spricht US-Präsident Biden eine Drohung aus. Was ein Lieferstopp von Waffen nach Israel bedeuten würde - für Israel und für Biden.

    Israeli troops gather near the Gaza border, southern Israel
    US-Präsident Biden hat angekündigt, die Waffenlieferungen einzuschränken, sollte Israels Armee den Vormarsch in Rafah fortsetzen. In Israel stößt die Äußerung auf scharfe Kritik. 09.05.2024 | 2:32 min
    Der US-Präsident hat vieles versucht, um auf Israels Premierminister Benjamin Netanjahu einzuwirken. Seit Wochen wurden die Töne aus Washington deutlicher, die Kritik an Israels Kriegsführung klarer, die Fragen nach der Zielsetzung lauter. Zahlreiche US-Regierungsvertreter pendeln zwischen Washington D.C. und Nahost.
    Joe Bidens Warnungen vor einer Offensive in Rafah sind nicht neu - schon Mitte März warnte er, es sei ein "Fehler". Die Drohung, bestimmte Waffen zurückzuhalten, hingegen ist neu und zeigt einen deutlichen Riss. Die Ankündigung in einem CNN-Interview hat ihm harsche Kritik aus Israel und der Opposition eingebracht. Andere zeigen Verständnis, darunter etwa der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius im ZDF heute journal.
    SGS Pistorius
    Nach seinem Treffen mit US-Verteidigungsminister Austin sagt Boris Pistorius, er könne die Entscheidung, Waffenlieferungen für Israels Rafah-Offensive einzustellen, verstehen. 09.05.2024 | 5:58 min

    USA: Israels Verteidigung außer Frage

    Aus dem Weißen Haus bemüht man sich seither zu betonen: Man stehe weiter an der Seite Israels. Etwas anderes zu behaupten, würde den Fakten widersprechen. Biden und sein Außenminister Llyod Austin versichern, Israel und sein Existenzrecht uneingeschränkt zu verteidigen.

    Wir werden weiterhin alles Notwendige tun, um sicherzustellen, dass Israel die Mittel hat, sich zu verteidigen. 

    Lloyd Austin, US-Verteidigungsminister

    Die USA versuchen sich öffentlich mit einer Differenzierung von "offensiven" und "defensiven" Waffen. Wo genau Bidens roten Linie in Rafah liegt und welche Waffen genau betroffen wären, ist unklar. Er hofft darauf, dass die Warnung wirkt und die Großoffensive ausbleibt.

    Was die Warnung konkret bedeutet

    Aus Israel gibt es keinen Hinweis darauf, von den Plänen in Rafah abzuweichen. Sollte Netanjahu Bidens Linie überschreiten, wäre es nicht das erste Mal, dass ein US-Präsident Waffenlieferungen nach Israel zurückhält. Unter anderem Ronald Reagan und George H.W. Bush haben das schon getan.
    Nach Ansicht des Geopolitik-Experten Cliff Kupchan, der unter Clinton im US-Außenministerium war, würde es in erster Linie um Großbomben, präzisionsgelenkte Munition und möglicherweise Luft-Boden-Raketen und Artillerie gehen. Viele andere Waffenlieferungen würden fortgesetzt, so Kupchan, der heute Vorsitzender der Eurasia Group ist - eines Beratungsunternehmens für politische Risiken.
    Wichtig dabei: Viele Fachleute, so auch Kupchan, gehen davon aus, dass Israel genug von diesen Waffen im Bestand hat, um die Gaza-Operation für mehrere Wochen fortzusetzen. Sollten sich die Kämpfe in Rafah über mehrere Monate ziehen, sähe es anders aus.

    In diesem Fall könnte Israel gezwungen sein, die Schlacht mit weniger präzisen Waffen zu beenden - was ironischerweise noch mehr Opfer unter der Zivilbevölkerung zur Folge hätte.

    Cliff Kupchan, Stratege bei der Eurasia Group

    Tiefpunkt im Verhältnis der USA mit Israel

    Fachleute wie Cliff Kupchan sagen, Biden sei keine andere Wahl geblieben. Ein Lieferstopp sei nach diversen Warnungen vor und hinter den Kulissen Bidens einziges echtes Druckmittel.

    Die US-Seite ist äußerst frustriert über ihren begrenzten Einfluss auf Premierminister Netanjahu. Die israelische Seite war von der Entscheidung, die Waffen zurückzuhalten, überrascht und beleidigt.

    Cliff Kupchan, Eurasia Group

    Kupchans Prognose: Es wird schwierig bleiben, "zumindest bis es eine neue israelische Regierung gibt."
    Die USA sind der wichtigste und engste Verbündete Israels. Kupchan ist sicher, die Basis der Beziehung ist tief genug:

    Wir sind an einem Tiefpunkt angelangt, aber es ist unwahrscheinlich, dass diese schwierige Episode den Beziehungen zwischen den USA und Israel nachhaltig schaden wird.

    Cliff Kupchan, Eurasia Group

    Israel-Korrespondent Michael Bewerunge im Gespräch mit Moderatorin Barbara Hahlweg.
    US-Präsident Biden droht damit, weiter Waffenlieferungen an Israel einzuschränken, sollte die Offensive in Rafah stattfinden. Wie reagiert Netanjahu? Michael Bewerunge in Tel Aviv.09.05.2024 | 1:44 min

    Bidens innenpolitisches Israel-Dilemma

    Auch innenpolitisch steht Biden in dem Konflikt seit Monaten enorm unter Druck. Hochrangige Beamte haben über die Rolle der USA im Konflikt schon ihre Posten hingeschmissen. Es ist eine Zerreißprobe für seine Partei, wo es den Progressiven nicht weit genug geht und andere ihn warnen, sich von Israel zu entfernen.
    Auf dem Bild ist ein Protestierender zu sehen, der im Tränengas rennt.
    Der Streit um Gaza-Proteste an amerikanischen Universitäten spitzt sich zu. In Kalifornien wurde ein Protestlager angegriffen – in Florida setzte die Polizei Tränengas ein.08.05.2024 | 6:12 min
    Die Republikaner zeigen sich empört von Bidens Warnung, werfen ihm vor Israel zu verraten. Donald Trump beschuldige Biden, sich "auf die Seite der Terroristen" zu stellen. Seine Partei behauptet, Biden passe seine Politik an, um Wahlkampf zu machen. Die täglichen Pressestatements der Partei machen klar, sie sehen eine politische Chance.

    Biden wird weiter mit Augenmaß agieren

    Diese Situation ist nicht neu für den US-Präsidenten. Er bewegt sich seit Monaten in diesem Spagat. Er fühlt sich dem Land Israel und seiner Sicherheit tief verbunden. Sieht sich aber einer israelischen Regierung gegenüber, die nicht auf ihn eingeht.
    Biden werde daher versuchen, die Einbehaltung der Waffen auf das "politisch mögliche Minimum" zu beschränken, schätzt Kupchan. Ob es dazu kommt und welche Folgen es hat, hängt wiederum von Netanjahu ab.
    Anna Kleiser ist Korrespondentin im ZDF-Studio Washington.

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