UN-Reform: Was wird der Zukunftspakt bringen?

    Interview

    UN Pact For The Future:Steiner: Zukunft gestalten, statt zerstören

    |

    Die Vereinten Nationen haben einen Pakt für die Zukunft verabschiedet - unter deutsch-namibischer Führung. Welche Chancen in dem Pakt stecken, erklärt UN-Diplomat Achim Steiner.

    UNDP-Chef Achim Steiner. Archivbild
    Leiter des UN-Entwicklungsprogramms Achim Steiner schätzt ein, ob der in New York beschlossene Zukunftspakt die Vereinten Nationen aus ihrer Krise retten kann.23.09.2024 | 6:12 min
    ZDFheute: Kann der Pakt für die Zukunft die Weltorganisation aus ihrer Krise retten?
    Achim Steiner: Nun, ich würde sagen, das Dokument ist erst mal ein Spiegelbild dessen, was in unserer Welt im Augenblick geschieht. Also nicht so sehr die Vereinten Nationen stehen im Vordergrund, sondern der Zustand der Welt und damit auch die Geopolitik.
    Aber im Augenblick ist vor allem im Vordergrund natürlich eine Perspektive zu finden, wie wir trotz aller Unterschiede und aller Konflikte nicht den Blick dafür verlieren, dass wir in einer Zeit leben, wo wir gezwungen sind, miteinander zu handeln, wenn wir die großen Herausforderungen unserer Zeit angehen wollen. Ob das Kriege sind, ob das der Klimawandel ist, ob das die gesamtwirtschaftliche Situation ist, auch neue Technologien, die ja im Vordergrund in diesem Zukunftsgipfel auch stehen, sind alle Bestandteil einer Welt, die erstmal etwas aus den Fugen geraten ist.
    Archiv, 02.07.2024: Der Generalsekretär der Vereinten Nationen Antonio Guterres
    Die Welt muss sich wegen der Klimakrise laut UN-Generalsekretär Guterres auf wiederholende Hitzewellen einstellen. Er forderte die Regierungschefs aller Länder zum Handeln auf. 26.07.2024 | 0:26 min
    ZDFheute: Ein Gremium in der UNO, das allgemein kritisiert wird, ist der Sicherheitsrat. Was könnte sich durch diesen Pakt ändern und was hoffen Sie?
    Steiner: Ich glaube, jeder erkennt heute die Notwendigkeit an, dass der Sicherheitsrat in seiner Zusammensetzung, aber auch in seiner zukünftigen Rolle überdacht werden muss. Das hat damit zu tun, dass ja viele der Institutionen, die wir heute in der internationalen Architektur haben, nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurden. Sie sind sozusagen im Kontext der Industrienationen, der Siegermächte auch gegründet worden.

    Achim Steiner
    Quelle: ZDF

    ...ist ein deutsch-brasilianischer Diplomat. Seit 2017 ist er Chef des UN-Entwicklungsprogramms UNDP. Zuvor war er jahrelang Leiter des Umweltprogramms der Vereinten Nationen.

    Und dass wir heute einen Sicherheitsrat haben, in dem zum einen diese Vetomacht besteht, diese fünf Vetoländer, zum anderen aber eben auch große Teile der Welt überhaupt nicht vertreten sind an diesem Tisch, führt natürlich dazu, dass man immer mehr mit diesem Widerspruch auch hängen bleibt. Aber der Sicherheitsrat selber ist auch so in Spannungen gefangen im Augenblick, dass er gar nicht als Entscheidungsgremium glaubwürdig funktionieren kann.
    Im Video wird die Geschichte der Nato zusammengefasst und wann welche Länder - der insgesmat 32 Länder - beigetreten sind.
    Die Nato: ein politisches und militärisches Bündnis aus 32 Staaten. Wie sich die Aufgaben und die Größe des Bündnisses geändert haben. 03.04.2024 | 1:19 min
    ZDFheute: Angesichts der knapper werdenden finanziellen Ressourcen, wie kann die UNO weiterhin eine führende Rolle in der Entwicklungszusammenarbeit und bei globalen Krisen spielen?
    Steiner: Die Herausforderungen werden immer größer, die Komplexität wächst auch und gleichzeitig wird die Finanzierung dieser Institutionen, die uns ja die Zusammenarbeit international ermöglichen sollen, immer knapper. Und vor allem in den letzten Jahren, vor allem bei der internationalen Entwicklungszusammenarbeit - enorme Mittelkürzungen haben sich abgezeichnet und viele Länder kürzen ihre Etats im Augenblick. Ob das jetzt bei der klassischen Entwicklungszusammenarbeit ist, bei der Klimapolitik. Und das schafft natürlich nicht nur schlechtere Voraussetzungen für die Zusammenarbeit, sondern sie schwächt auch unsere Institutionen.
    Und ich sage manchmal, es ist für mich schon erstaunlich, dass wir zum einen auf die Vereinten Nationen blicken, Armutsbekämpfung, Migrationsprobleme lösen, Klimawandel, Digitalisierung, künstliche Intelligenz und dann ist die Welt nicht bereit, dem Generalsekretär mehr Mittel bereitzustellen, als die New Yorker für ihre Feuerwehr bezahlen. Das muss man sich noch einmal vor Augen halten. Es ist ein sehr begrenztes Budget, das der Generalsekretär im Sekretariat der Vereinten Nationen hat, um dieses politische Mandat zu erfüllen.
    Mutter füttert Kinder auf dem Boden sitzend
    Nach dem neuen UN-Bericht litten 2023 weltweit 750 Millionen Menschen an Hunger. Besonders schlimm ist die Lage in einigen Ländern Afrikas. 24.07.2024 | 1:38 min
    ZDFheute: Was glauben Sie, wird am Ende dieser Woche bei diesem Global Compact rauskommen? Wird es wirklich was verändern?
    Steiner: Ich glaube, wir sollten von Anfang an wahrnehmen, dass dieser Pact for the Future kein Zauberstab ist. Er ist eher Spiegelbild dessen, was in der Welt im Augenblick stattfindet. Dass wir uns zunehmend nicht einigen können, dass wir zunehmend das Vertrauen ineinander verlieren, Zukunft zu gestalten. Wenn wir einen Pact haben, unter anderem auch diesen Digital Global Compact, das erste Mal, dass die Welt sich wirklich an die Vereinten Nationen wendet und sagt, in diesem Bereich der Technologierevolution brauchen wir Multilateralismus, brauchen wir die internationale Zusammenarbeit, dann wäre das schon ein Riesenschritt vorwärts.
    Vielleicht können wir mit diesem Zukunftsgipfel, denn das ist unser Anliegen, ein Licht darauf werfen, wo wir in Zukunft nach Wegen suchen müssen, um wieder zu mehr Gemeinsamkeit zu finden. Das mag etwas prosaisch klingen, aber das, was im Augenblick geschieht, ist nun wirklich nicht ein Beispiel dafür, dass wir Zukunft gestalten. Wir zerstören im Augenblick mehr Zukunft, als wir gestalten.
    Das Interview führte Susanne Lingemann.

    Zukunftsgipfel der UN
    :Wie kommt die Weltgemeinschaft aus der Krise?

    In New York treffen sich rund 130 Staats- und Regierungschefs zur jährlichen Generaldebatte. Dabei soll der Zukunftsgipfel der Weltgemeinschaft neuen Auftrieb verleihen.
    Susanne Lingemann, New York
    Kanzler Scholz beim UN-Zukunftsgipfel

    Mehr zu den Vereinten Nationen