Nach Abhöraffäre: Experte warnt vor russischen "Schlafviren"
Interview
Nach Taurus-Abhöraffäre:Experte warnt vor russischen "Schlafviren"
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Sicherheitsexperte Frank Umbach sieht Deutschland nicht für einen hybriden Krieg gegen Russland gewappnet. Besonders um die kritische Infrastruktur sorgt er sich.
Sicherheitsexperte Frank Umbach beobachtet, dass russische Geheimdienste immer rücksichtsloser vorgehen, während die deutsche Politik nicht Putin, sondern sich selbst abschrecke.04.03.2024 | 20:22 min
Cyberangriffe, Spionage, Abhöraktionen: Russland scheint seine hybride Kriegsführung gegen den Westen zu intensivieren. Erst am Freitag veröffentlichten russische Staatsmedien einen Mitschnitt eines abgehörten Gesprächs zwischen Offizieren der deutschen Luftwaffe.
Sicherheitsexperte Dr. Frank Umbach von der Universität Bonn sieht Deutschland im Kampf gegen Desinformation und Angriffe auf die kritische Infrastruktur nicht ausreichend gewappnet. Im Gespräch mit ZDFheute live erklärt er unter anderem, warum Geheimdienste von Verbündeten vorsichtig sind, bevor sie Informationen an Deutschland weitergeben.
Sehen Sie oben das ganze Gespräch im Video und lesen Sie hier das Interview in Auszügen:
Das sagt Umbach...
... zu Schwachstellen in Deutschland
"Am meisten Kopfschmerzen" macht Umbach die kritische Infrastruktur in Deutschland. Dazu zählen zum Beispiel Medizin-, Energie- und Wasserversorgung sowie der Verkehr. In diesem Bereich sei man "nicht auf hybride Kriegsführung vorbereitet" und habe nicht genug in die technische Sicherheit investiert.
Der Taurus-Leak hat gezeigt, dass "Wladimir Putin einen hybriden Krieg auch uns gegenüber führt", so Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende des Verteidigungsausschusses.04.03.2024 | 6:11 min
Unter anderem macht sich Umbach Sorgen um sogenannte "Schlafviren". So habe Russland bereits 2015 die ukrainische Stromversorgung angegriffen.
Kein Hack, sondern eine unsichere Leitung: Die Abhöraktion der Russen ist laut Minister Pistorius "ärgerlich". Der Schaden aber sei überschaubar. Das habe eine Prüfung ergeben.
von Kristina Hofmann
mit Video
Ein halbes Jahr vor diesem Angriff habe Russland unbemerkt "Spionageviren in die Kommunikationsnetze der Ukraine eingeführt". Diese hätten Cyberlücken in Kommunikationsnetzen entdeckt, die letztendlich zu dem Angriff auf das Stromnetz führten.
Diese könnten je nach Lage jederzeit "aktiviert werden".
Die Kreml-Propaganda zeichne ein Bild von Deutschland, "das Russland anzugreifen droht", so Armin Coerper aus dem ZDF-Studio in Moskau – dazu würden auch Weltkriegs-Slogans bemüht.04.03.2024 | 5:11 min
... zur Verbreitung von Desinformation und Propaganda
Seit Monaten intensiviert Russland Umbach zufolge die Kriegsführung, nicht nur innerhalb der Ukraine. Es gebe "eine Zunahme an Aktivitäten, rücksichtsloseren Aktivitäten, der russischen Geheimdienste" - dazu zählt der Experte etwa die Ermordung von Deserteuren, Kritikern im In- und Ausland, aber auch Desinformation und Propaganda.
Umbach plädiert dafür, eine "völlig andere Sicherheitskultur" in Deutschland zu entwickeln, "in der Gesellschaft, in der Politik, in den Ministerien, aber auch in der deutschen Wirtschaft".
Im Rahmen einer hybriden Kriegsführung erzeugt Russland Druck: etwa mit Flüchtlingen an Europas Grenzen, mit Desinformation – oder wie jüngst mit einem abgehörten Militärgespräch. 04.03.2024 | 2:23 min
... zu russischer Spionageaktivität in Deutschland
Deutschland ist Umbach zufolge "seit vielen Jahren im Zentrum der hybriden Kriegsführung". Dies sei unter anderem der Fall, weil Deutschland in Europa eine große Wirtschafts- und Führungsmacht sei und eine Schlüsselstellung habe. Gleichzeitig seien die "pro-russischen Tendenzen" in Deutschland "immer stärker" als anderswo gewesen.
Der deutsche Geheimdienstapparat werde zudem "oft als naiv bezeichnet".
Das habe über die Jahre dazu geführt, dass von Amerikanern, Briten und Franzosen "nicht alles an Informationen ohne weiteres mit der deutschen Bundesregierung, mit Ministerien, entsprechend geteilt wird".
Für Bundeswehr-Besprechungen gelten vier Sicherheitsstufen, erklärt ZDF-frontal-Redakteurin Julia Klaus. Einwahldaten des abgehörten Webex-Meeting könnten abgefangen worden sein.04.03.2024 | 5:29 min
... zu Abschreckung und roten Linien
Umbach kritisiert, dass eine Politik betrieben werde, mit der "wir eher nicht Putin, sondern uns selbst abschrecken".
Damit meint der Sicherheitsexperte auch das Nein von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zur Lieferung deutscher Taurus-Marschflugkörper in die Ukraine. Mit der Aussage, dass Deutschland sich "nicht leisten" könne, was die Briten oder Franzosen tun, habe Deutschland quasi "enthüllt", dass sich in gewisser Weise eine Art von "Militärberatern" aus den beiden Ländern bereits in der Ukraine befinden.
Pistorius hat in der Taurus-Abhöraffäre Geschlossenheit gegenüber Putin gefordert. Jedoch gibt es sowohl innen- als auch außenpolitische Konflikte, so ZDF-Reporter Hinterleitner.04.03.2024 | 1:13 min
Das habe Auswirkungen auf die diplomatischen Beziehungen Deutschlands zu Frankreich und Großbritannien. Deutschland sollte dem Experten zufolge "die diplomatischen Fronten, die wir innerhalb Europas nun selber aufgebaut haben", wieder abbauen, damit es mit europäischen Partnern wieder "eine geschlossene Haltung" gebe.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.