Israel: Wehrpflicht auch für Ultraorthodoxe

    Höchstes Gericht entscheidet:Israel: Wehrpflicht auch für Ultraorthodoxe

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    Die Streitkräfte Israels müssen künftig auch ultraorthodoxe Juden zum Militärdienst einziehen. Beobachter sehen die Stabilität der Regierungskoalition dadurch gefährdet.

    Israelische Polizisten zerstreuen ultraorthodoxe jüdische Männer und Jungen während eines Protests gegen die Rekrutierung durch die Armee in Jerusalem, aufgenommen am 02.06.2024
    Auch strengreligiöse jüdische Männer müssen zum Wehrdienst in die israelische Armee eingezogen werden. (Archivfoto)
    Quelle: AP

    Der Oberste Gerichtshof in Israel hat entschieden, dass die Streitkräfte des Landes künftig auch ultraorthodoxe Juden zum Militärdienst einziehen müssen. Das teilte das Gericht am Dienstag mit.
    Einstimmig urteilten die Richter, dass es vor dem Gesetz keinen Unterschied zwischen ultraorthodoxen und anderen Wehrpflichtigen gebe und dass demnach alle den verpflichtenden Wehrdienst leisten müssten.
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    Ultraorthodoxe bislang vom Wehrdienst ausgenommen

    In der Urteilsbegründung hieß es:

    Auf dem Höhepunkt eines harten Krieges ist die Belastung durch eine ungleiche Verteilung der Bürde größer denn je, und erfordert eine Lösung.

    Auszug aus Urteilsbegründung

    Es gebe keine juristische Grundlage, um Ultraorthodoxe von der Wehrpflicht zu befreien.

    ZDF-Korrespondent: Regierung Netanjahu wird erschüttert

    ZDF-Korrespondent Michael Bewerunge rechnet damit, dass die israelische Gesellschaft jetzt in ihren Grundfesten erschüttert werde.

    Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in Israel, die bisherigen Ausnahmen von der Wehrpflicht für Ultraorthodoxe zu kippen, ist mehr als ein politischer Paukenschlag.

    Michael Bewerunge, ZDF-Korrespondent

    Der jahrzehntelange Konsens beziehungsweise die verdrängte Tatsache, dass Ultraorthodoxe Privilegien genössen, ohne an anderer Stelle etwas für die Gesellschaft zu leisten, sei ins Wanken geraten, sagt Bewerunge. "Gerade während des jetzigen Krieges wurden die Stimmen derjenigen immer lauter, die fragten, warum nur ein Teil der Bevölkerung für das Land kämpft und blutet."

    Bewerunge: Urteil könnte Regierung gefährden

    Jahrzehntelang hätten die Politischen Parteien der Ultra-Orthodoxen ihre Stimmen als Mehrheitsbeschaffer verschiedenster Regierungen gegen Privilegien und finanzielle Subventionen eingetauscht. "Am krassesten hat die jetzige Regierung unter Premier Netanjahu diesen Tauschhandel zum Prinzip gemacht", sagt Bewerunge.

    Mittelfristig könnte die politische Erschütterung auch diese Regierung zum Einsturz bringen.

    Michael Bewerunge, ZDF-Korrespondent

    Zwar sei Netanjahu nicht für die Entscheidung des Gerichts verantwortlich, aber es werde schwierig werden, eine neue Regelung für die Wehrpflicht auch von Ultraorthodoxen zu finden. Schon die bisherigen Kompromisse seien umstritten gewesen. Den letzten lehnte Verteidigungsminister Gallant bei der Abstimmung in der Knesset höchstpersönlich ab. "Und erste Risse zeigen sich auch bei einem anderen Gesetzesvorhaben, das zum Beispiel Privilegien für die staatlichen Rabbis zementieren sollen. Die Zentrifugalkräfte dieser Koalition werden nun noch stärker werden", so Bewerunge.

    Ultraorthodoxe waren bisher vom Wehrdienst befreit

    Bisher war es Usus, dass ultraorthodoxe Männer, die sich dem religiösen Studium widmeten, von der mehrjährigen Wehrpflicht ausgenommen wurden. Nach Angaben des Gerichts handelt es sich um 63.000 Männer. Für säkulare Juden war diese Regelung schon länger ein Ärgernis.
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    Bereits eine Regierungskoalition am Streitthema zerbrochen

    Seit Beginn des Gaza-Krieges, für den Zehntausende Israelis eingezogen wurden, hat dieser Unmut noch einmal deutlich zugenommen. Mehr als 600 israelische Soldaten wurden im Verlauf des Krieges getötet.
    Kritiker prangerten die bisher geltenden Erleichterungen für ultraorthodoxe Männer als ungerecht an. Der Gaza-Krieg hat die Kluft zwischen den Lagern noch einmal vertieft.
    Männer müssen in Israel regulär drei Jahre, Frauen zwei Jahre Wehrdienst leisten. Am Streit um ein Gesetz, das schrittweise mehr strengreligiöse Männer zum Dienst an der Waffe verpflichten sollte, war bereits 2018 die Regierungskoalition zerbrochen. Es gibt aber auch ultraorthodoxe Männer, die freiwillig dienen. Strengreligiöse Frauen werden nur auf freiwilliger Basis rekrutiert.
    Michael Bewerunge
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    Ultraorthodoxe Parteien lehnen Änderungen ab

    Die Entscheidung hat das Potenzial, die wackelige Regierungskoalition von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auseinanderbrechen zu lassen. Denn die einflussreichen ultraorthodoxen Parteien, die Teil des Bündnisses sind, lehnen jedwede Änderung der derzeitigen Regelung ab.
    Während der Verhandlung vor dem Obersten Gerichtshof warnten die Anwälte der Regierung, dass ein verpflichtender Wehrdienst für Ultraorthodoxe die israelische Gesellschaft auseinanderreißen würde.
    Das Gericht aber entschied, dass der Staat Israel auf unzulässige und selektive Weise Ultraorthodoxe von der Wehrpflicht ausnehme. Das stelle "einen schweren Verstoß gegen die Rechtsstaatlichkeit und den Grundsatz dar, wonach alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind".

    Ultraorthodoxe Partei: Entscheidung "bedauerlich"

    Ultraorthodoxe Männer besuchen spezielle Seminare für religiöse Studien, die weltliche Fächer wie Mathematik, Englisch oder Naturwissenschaften kaum berücksichtigen. Kritiker sagen, sie seien schlecht auf den Dienst im Militär oder den Eintritt in die normale Arbeitswelt vorbereitet.
    In einem Beitrag auf der Plattform X bezeichnete Kabinettsminister Jitzchak Goldknopf, der eine der ultraorthodoxen Parteien in der Koalition anführt, die Entscheidung als "sehr bedauerlich und enttäuschend".
    Er machte keine Andeutung, ob seine Partei die Regierung verlassen könnte. Der Staat Israel sei gegründet worden, um eine Heimat für das jüdische Volk zu sein und die Tora sei Grundlage für diese Existenz, schrieb er. "Die Heilige Tora wird sich durchsetzen."

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    Quelle: ZDF, dpa, AP

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