Deutsche Waffen gegen Ziele in Russland: Was das bedeutet

    FAQ

    Freigabe für die Ukraine:Einsatz deutscher Waffen: Was das bedeutet

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    Die Bundesregierung gibt den Einsatz deutscher Waffen gegen Ziele in Russland frei. Wie es dazu kam und wie gefährlich Moskaus Reaktion ist: Experten ordnen ein.

    Zerstörtes Haus in Charkiw, durch einen russischen Raketenangriff.
    Die Ukraine darf mit deutschen Waffen begrenzt russische Stellungen in Russland angreifen. Die Entscheidung soll die brenzlige Lage in Charkiw stabilisieren. 31.05.2024 | 1:50 min
    Die Bundesregierung gibt der Ukraine die Erlaubnis, von Deutschland gelieferte Waffen auch gegen militärische Ziele in Russland einzusetzen. Sie folgt damit dem Vorgehen der USA - bereits am Donnerstagabend hatte Washington bestätigt, dass sie der Ukraine die Erlaubnis erteilt hat, amerikanische Waffen in begrenztem Umfang auf russischem Gebiet einzusetzen.
    Bei ZDFheute live beantworteten Militärexperte Gustav Gressel, ZDF-Nato-Korrespondent Florian Neuhann und Armin Coerper, ZDF-Korrespondent in Moskau, die wichtigsten Fragen.
    SGS Banerjee Coerper
    Warum die Bundesregierung diesen radikalen Schritt geht und wie die Reaktion in Moskau ausfällt, schätzen die ZDF-Korrespondenten Shakuntala Banerjee und Armin Coerper ein.31.05.2024 | 2:37 min

    Was bedeutet die Entscheidung für die Ukraine?

    Die Entscheidung Deutschlands und der USA macht die "Abwehr der russischen Offensive aus dem Norden deutlich leichter, weil sie die russischen Artilleriestellungen, die diese Offensive unterstützen, bekämpfen können", erklärt Militärexperte Gustav Gressel.
    Zudem könne die Ukraine unter Einsatz westlicher Waffen die Vorbereitung Russlands auf eine weitere Offensive stören sowie die Angriffsbasis, von der beispielsweise die Luftschläge auf Charkiw ausgehen, angreifen, so Gressel.

    All das macht natürlich die grenznahe Verteidigung viel leichter.

    Gustav Gressel, Militärexperte

    Die Infokarte zeigt die potenzielle Reichweite der deutschen Waffensysteme, die im Ukraine-Krieg eingesetzt werden. Die bereits gelieferte Panzerhaubitze 2000 hat eine Reichweite von maximal 40 Kilometern, die zugesagte Radhaubitze RCH 155 kann Ziele in bis zu 54 Kilometern Entfernung anvisieren, der Raketenwerfer Mars II hat eine Reichweite von maximal 84 Kilometern. Die von der Ukraine geforderten Marschflugkörper vom Typ Taurus können Ziele in bis zu 500 Kilometern Entfernung erreichen.

    Wie kommt die Kehrtwende Deutschlands zustande?

    Die Entscheidung, dass Deutschland seine gelieferten Waffen auch für Angriffe auf russische Gebiete freigibt, sei vor "allem für die Öffentlichkeit überraschend", erklärt ZDF-Nato-Korrespondent Neuhann - "hinter den Kulissen ist das in der Tat länger besprochen und auch vorbereitet worden".
    SGS Neuhann
    Die Entscheidung aus Berlin wurde auf der NATO-Außenministertagung in Prag heiß diskutiert. Wie die NATO-Mitglieder reagiert haben, weiß ZDF-Korrespondent Florian Neuhann.31.05.2024 | 1:05 min
    Die Kommunikation der deutschen Bundesregierung habe dabei auch auf internationaler Ebene für Verwirrung gesorgt. Schon am Dienstag habe der französische Präsident Emmanuel Macron für die Freigabe geworben: Dort habe Bundeskanzler Olaf Scholz vorsichtige Zustimmung signalisiert, von der man jedoch anschließend in Berlin wieder zurückgerudert sei, so Neuhann. "Diese Kommunikation ist in der Tat unglücklich."

    Entscheidend ist, glaube ich, dass man den USA folgt.

    Florian Neuhann, ZDF-Nato-Korrespondent

    "Denn wie immer in der Nato geben die USA als wichtigstes Mitgliedsland, als wichtigster Waffenlieferant der Ukraine, den Ton vor. Und wenn die USA jetzt mit ihrer militärischen Stärke ihr 'Okay' geben, dann ist es auch für die Deutschen 'safe', sich dort anzuschließen."

    Erst die USA und dann Deutschland.

    Florian Neuhann, ZDF-Nato-Korrespondent

    Armin Coerper, Florian Neuhann und Marc Burgmeister in einer Schalte
    Moskau kündigt nach der Freigabe westlicher Waffen gegen russische Ziele eine asymmetrische Antwort an. Die ZDF-Korrespondenten Florian Neuhann und Armin Coerper ordnen ein.31.05.2024 | 5:30 min

    Wie reagiert Moskau?

    Die Reaktionen aus Moskau seien "erwartbar" und "scharf", erklärt Armin Coerper, ZDF-Korrespondent in Moskau. "Bisher gibt es noch keine konkrete Reaktion auf die Ankündigung aus Berlin", so Coerper - doch seit der gestrigen Ankündigung der USA liefen "die Telegram-Kanäle hier in Russland heiß". So habe die Sprecherin des Außenministeriums angedroht, die verantwortlichen Länder hätten auch die Konsequenzen zu tragen.
    Präsident Wladimir Putin habe in Aussicht gestellt, dass die Staaten Europas, die dies zuließen, auch mit Angriffen zu rechnen hätten. Sicherheitsrats-Mitglied und Ex-Regierungschef Dmitri Medwedew nannte die Freigabe westlicher Waffen gar einen "Casus Belli", ein Krieg auslösendes Ereignis, so Coerper.

    Insgesamt sagt Moskau, man wolle darauf asymmetrisch antworten - das heißt, mit anderen Mitteln gegen andere Ziele als die Gegenseite. Das kann man durchaus als Nukleardrohung verstehen.

    Armin Coerper, ZDF-Korrespondent in Moskau

    Armin Coerper und Daniel Pontzen
    Die Bundesregierung erlaubt der Ukraine, von Deutschland gelieferte Waffen gegen militärische Ziele in Russland einzusetzen. Armin Coerper und Daniel Pontzen berichten.31.05.2024 | 2:00 min

    Wie sind die Reaktionen aus Russland zu bewerten?

    Solche Drohungen sei man seitens der Nato "gewohnt", erklärt Korrespondent Neuhann. Eine "nukleare Rhetorik" Putins und seiner Anhänger gebe es bereits seit Beginn des Kriegs in der Ukraine.

    Insofern reagiert man betont gelassen.

    Florian Neuhann, ZDF-Nato-Korrespondent

    Unter einer asymmetrischen Kriegsführung könne man "natürlich Atomwaffen verstehen", erklärt auch Militärexperte Gressel - dies bewerte er jedoch als "klare Straße in den russischen Selbstmord". Man könne unter Russlands Drohung andererseits auch "hybride Kriegsmittel" verstehen, also "zivile Akteure, die als Saboteure oder als Provokateure" agierten.
    Solche Drohungen habe man bereits im Kontext des Nato-Beitritts Schwedens und Finnlands beobachten können - dort habe dann ein von einer russischen Firma gecharterter chinesischer Frachter ein Telekommunikationskabel zerstört. "Das ist so eine asymmetrische Situation" - auch solche Dinge seien dann möglich, so Gressel.

    Gustav Gressel
    Quelle: ZDF/Jule Roehr

    ... ist Politikwissenschaftler und Militärexperte. Zu seinen Themenschwerpunkten gehören Russland, Osteuropa und Verteidigungspolitik.

    Das Interview führte ZDFheute live-Moderator Marc Burgemeister. Autor der Zusammenfassung ist ZDFheute-Redakteur Silas Thelen. Mit Material von dpa.
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