Ukraine: Vitali Klitschko zu Trumps Vorwürfen

Interview

Klitschko nach Trump-Kritik:"Wir verteidigen die Sicherheit von allen"

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Vitali Klitschko, Bürgermeister von Kiew, spricht im Interview über Trumps Vorwürfe gegenüber der Ukraine, Selenskyjs Ruf und Forderungen für einen möglichen Friedensschluss.

Vitali Klitschko, inspiziert die Schäden in der Nähe eines Wohnhauses, das von einem russischen Raketenangriff getroffen wurde.
Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko will Frieden, aber nicht um jeden Preis.
Quelle: dpa

Vor dem Hintergrund der Gespräche zwischen der US-Regierung und Russland warnt Kiew Bürgermeister Vitali Klitschko davor, ein Abkommen ohne die Ukraine und ohne Europa zu schließen. US-Präsident Donald Trump wolle eine schnelle und einfache Entscheidung, aber ukrainische Gebiete abzugeben, sei keine Lösung.
ZDFheute: Der amerikanische Präsident Donald Trump beschuldigt die Ukraine, für den Krieg verantwortlich zu sein. Verletzt Sie das?
Vitali Klitschko: Die Vereinigten Staaten sind historisch gesehen demokratisch.

Wenn die Ukraine gegen Russland verliert, verlieren auch die Vereinigten Staaten. Und Donald Trump auch. Wir brauchen Frieden, aber bitte nicht um jeden Preis.

Vitali Klitschko

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Wir müssen unsere nationalen Interessen durchsetzen. Es ist nicht fair, sich mit Russland zusammenzusetzen und ein Abkommen ohne die Ukraine und ohne europäische Partner zu schließen. Und deshalb bin ich mir nicht sicher, ob wir denn über Frieden sprechen.
Zuallererst müssen wir unser nationales Interesse wahren. Und als zweites brauchen wir Sicherheitsgarantien, denn niemand gibt uns eine Garantie und nach einer gewissen Zeit haben wir dann den zweiten Teil der Invasion. Deshalb reden wir über die Mitgliedschaft in der Nato. Wenn nicht die Nato, wer dann?
Donald Trump beantwortet Fragen.
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ZDFheute: Haben Sie das Gefühl, dass Donald Trump das nicht versteht?
Klitschko: Donald Trump versucht, eine schnelle und einfache Entscheidung zu fällen. Aber es ist keine Lösung, einen Teil des ukrainischen Territoriums aufzugeben. Das ist kein Kompromiss. Wir müssen am runden Tisch mit den Vereinigten Staaten und mit den europäischen Partnern diskutieren. Und die Ukraine muss am Tisch sitzen und mit Russland über nationale Interessen und Sicherheit diskutieren.
ZDFheute: Haben Sie manchmal das Gefühl, dass Europäer nicht verstehen, was auf dem Spiel steht?
Klitschko: Einige europäische Politiker diskutieren viel und verstehen vielleicht nicht die Gefahr der russischen aggressiven Politik. Der Krieg ist nicht weit weg. Für Russland war die Ukraine nie unabhängig. Das Gleiche hören wir über die baltischen Länder, über Polen, die Tschechische Republik und die Slowakei. Und die Deutschen möchte ich daran erinnern, dass Putin mal die Vision hatte, auch ehemalige sowjetische Gebiete in Deutschland einzubeziehen.

Wir verteidigen nicht nur unsere Heimat und unsere Zukunft. Wir verteidigen die Sicherheit von allen.

Vitali Klitschko

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ZDFheute: Trump hat gesagt, dass Selenskyj keine Legitimität hat, weil es keine Wahl gegeben hätte. Es herrscht Kriegsrecht. Glauben Sie, dass Selenskyj die Unterstützung des Volkes hat und er immer noch die richtige Person ist?
Klitschko: Es ist sehr schwierig, während des Krieges eine Wahl abzuhalten. Es ist kein Geheimnis, dass viele Ukrainer im Moment außerhalb des Landes sind. Ein anderer großer Teil der Bevölkerung ist derzeit in Uniform, um unser Heimatland zu verteidigen. Ein Wettbewerb zwischen politischen Parteien kann das Land von innen heraus zerstören.

Während des Krieges ist es eine schlechte Idee, eine Wahl abzuhalten.

Vitali Klitschko

Denn es ist schwierig, diese Wahl mit klaren rechtsstaatlichen Regeln durchzuführen.
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ZDFheute: Wie fühlen Sie sich persönlich?
Klitschko: Ich fühle mich gut, ich lebe noch, keine Verletzungen. Ich will mich nicht beklagen, denn in der Ukraine geht es um viel, deshalb kämpfen wir immer noch.
Das Interview führte Ulf Röller, Leiter des ZDF-Studios Brüssel. Übersetzt wurde es aus dem Englischen von Pauline Fikowski. Das Gespräch fand am 20. Februar im Europäischen Parlament in Brüssel statt. Im Anschluss wurde Vitali Klitschko der Paweł-Adamowicz-Preis durch den Europäischen Ausschuss der Regionen verliehen.

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