Ukraine-Konferenz in der Schweiz: Gipfel zum Friedensplan

    Analyse

    Vor Konferenz in der Schweiz:Friedenspläne für die Ukraine: Wer will was?

    Andreas Kynast
    von Andreas Kynast
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    Ein Gipfeltreffen in der Schweiz soll den Friedensplan der Ukraine unterstützen. Aber wie sieht der Friedensplan Russlands aus? Und was haben China und Brasilien vor?

    Fotomontage: Kind - eingehüllt in ukrainischer Flagge - steht in einem zerbombten Haus und schaut auf den Boden. Im Hintergrund "Die Spur"-Logo.
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    "Verschwindet, verdammt noch mal, aus meinem Land." So lautet der erste bekannt gewordene Friedensplan des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und er ist bis heute gültig. Seit dem Tag des russischen Überfalls im Februar 2022 ist der komplette und bedingungslose Rückzug der Invasionstruppen die wichtigste Forderung der Ukraine. Allerdings kamen in den knapp 30 Monaten des Krieges weitere Punkte dazu.

    Der Zehn-Punkte-Plan der Ukraine

    Als "einziger Weg zu einem gerechten und dauerhaften Frieden" gilt der ukrainischen Regierung ihre Zehn-Punkte-Friedensformel, die Präsident Selenskyj erstmals am 11. Oktober 2022 auf einem Treffen der G7-Staaten vorgestellt hat.

    Darin zählt die Ukraine alle Probleme auf, die aus ihrer Sicht gelöst werden müssen, bevor sie die russische Bedrohung für beendet erklären kann:

    • Nukleare Sicherheit
    • Ernährungssicherheit
    • Energiesicherheit
    • Freilassung aller Häftlinge
    • Wiederherstellung der territorialen Integrität
    • Rückzug der russischen Truppen
    • Sühne von Kriegsverbrechen
    • Schutz der Umwelt
    • Sicherheitsgarantien
    • Bereitschaft zur Unterzeichnung eines Dokuments über das Kriegsende

    Offiziell hält die Ukraine eisern an den zehn Punkten fest und erklärt wieder und wieder:

    Es gibt keine Alternative zu diesem Friedensplan.

    Regierung der Ukraine

    Hinter verschlossenen Türen aber sollen sich die Vertreter der Regierung in Kiew seit einigen Monaten beweglicher zeigen, auch weil die Verbündeten darum bitten. Vor allem die USA und Deutschland haben Selenskyjs Mannschaft geraten, in der Kommunikation stärker auf weltweit unumstrittene Formulierungen zu setzen - wie das Einhalten der UN-Charta. Das liefe zwar im Großen und Ganzen auf dieselben Inhalte wie im Zehn-Punkte-Plan hinaus, würde aber, so die Ermunterung, unentschiedenen Ländern die Zustimmung erleichtern.
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    Ukraine kommt Russland-Freunden entgegen

    Vor dem Friedensgipfel in der Schweiz kommt die Ukraine den Zweiflern nun sogar noch weiter entgegen. Anstelle der zehn Punkte will sie den anwesenden Staaten nur vier zur Unterzeichnung vorlegen: keine Atomdrohungen, keine Behinderung des Handels mit Nahrungsmitteln, Schutz nuklearer Einrichtungen und das Bekenntnis zur UN-Charta. Das müsste, theoretisch, jedes Land unterschreiben können. Sogar Russland, das diesmal aber (noch) nicht eingeladen ist.
    Anders als oft behauptet, hat die Ukraine Verhandlungen mit Russland nicht verboten. In dem Dekret, das Präsident Selenskyj erlassen hat, werden ausschließlich persönliche Verhandlungen mit Präsident Putin für unmöglich erklärt. Praktische Auswirkungen dürfte das nicht haben: Für gewöhnlich verhandeln Präsidenten nicht selbst. Die bisher letzten direkten ukrainisch-russischen Friedensverhandlungen, im März 2022 in Istanbul, hat der Putin-Vertraute und ehemalige Kulturminister Wladimir Medinski geführt.
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    Kein Friedensplan Russlands

    Einen offiziellen Friedensplan Russlands gibt es nicht, aber so viele öffentliche Äußerungen, dass deutlich wird: Moskau will mindestens seine völkerrechtswidrig annektierten Gebiete behalten. Dabei erhebt Russland auch Anspruch auf Regionen, die seine Truppen gar nicht erobert haben - wie die Großstadt Saporischja, die der Kreml zu russischem Staatsgebiet erklärt hat, obwohl sie von der Ukraine erfolgreich verteidigt wird.
    Als Ende Mai die Nachrichtenagentur Reuters berichtete, dass Präsident Putin zu einem Waffenstillstand entlang der aktuellen Konfliktlinien bereit sei, korrigierte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow umgehend:

    Der Präsident hat wiederholt erklärt, dass er zu Verhandlungen bereit ist. Aber nur zu Verhandlungen, die die Ziele erreichen, die wir sonst durch die militärische Spezialoperation erreichen.

    Dmitri Peskow, Kreml-Sprecher

    Russlands Außenminister Sergej Lawrow hat Friedensgespräche mit der Ukraine außerdem unter die Bedingung gestellt, dass dabei eine "neue Weltordnung" entstehe. Die "Vorherrschaft der USA" müsse enden. Den Friedensgipfel in der Schweiz nennt Lawrow eine "List des Westens". In Wahrheit gehe es dort darum, weitere Waffenlieferanten zu gewinnen, so Lawrow.
    Vergangene Woche, auf dem Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg, stellte Präsident Putin klar: "Alle Kriege enden letztlich mit Verhandlungen. Aber diese Verhandlungen basieren auf Niederlage oder Sieg im Krieg. Wir streben nach Sieg."
    Persönliche Verhandlungen mit dem gegnerischen Präsidenten hat auch Russland ausgeschlossen. Selenskyj, so verfügte Putin, sei "nicht der legitime Präsident".
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    Chinesisch-brasilianischer Friedensplan

    Das Auffälligste am gemeinsamen Friedensplan von China und Brasilien ist, dass er auf jede Kritik an Russland verzichtet. In den sechs Punkten werden "alle relevanten Parteien" zur Deeskalation aufgefordert. Der Plan sieht vor: kein Einsatz von Massenvernichtungswaffen, keine Ausweitung des Schlachtfelds sowie keine Provokationen "seitens einer Partei". Die humanitäre Hilfe müsse erhöht werden.

    Dialog und Verhandlungen sind der einzig gangbare Weg aus der Krise.

    Chinesisch-brasilianischer Friedensplan

    Vorsichtig und allgemein formuliert ist die Forderung nach einer internationalen Friedenskonferenz, "die zu einem angemessenen Zeitpunkt abgehalten wird und sowohl von Russland als auch der Ukraine anerkannt wird." Aus dem Papier geht nicht hervor, wer diese Konferenz anstrengen soll, sondern nur, dass China und Brasilien nicht selbst aktiv werden wollen. Die zwei Staaten bezeichnen sich nicht als Vermittler, sondern lediglich als "Unterstützer".

    • Keine Ausweitung des Schlachtfelds
    • Keine Provokationen
    • Kein Einsatz von Massenvernichtungswaffen
    • Kein Angriff auf Nuklearanlagen
    • Keine Teilung der Welt in Gruppen
    • Mehr humanitäre Hilfe

    Die Zurückhaltung der zwei Staaten hat zu großer Enttäuschung geführt, in Kiew, Washington, aber auch in Berlin. Bundeskanzler Scholz hatte persönlich versucht, die zwei Präsidenten zu einer Teilnahme am Schweizer Friedensgipfel zu bewegen - ohne Erfolg. Auf dem Treffen in der Schweiz soll ein Weg gesucht werden, der zu Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine führen kann. Russland ist nicht eingeladen, soll aber bei einem Folgetreffen dabei sein. Als Ausrichter kommen beispielsweise die Türkei oder Saudi-Arabien in Frage.
    China, das selbst als wichtigster Unterstützer Russland gilt, nutzte die Vorstellung des chinesisch-brasilianischen Plans, um seine Kritik an den USA und am Westen zu erneuern. Chinesische Staatsmedien stellten die Vorschläge als "praktikablen Ansatz inmitten neuer US-Waffenhilfe" dar, sowie als Gegenentwurf zur "vom Westen einberufenen, sogenannten Friedenskonferenz" in der Schweiz.
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