Munitionsnot der Ukraine: Wie Tschechien für Nachschub sorgt
Kiews Überraschungshelfer:Munitionsmangel: Wie Prag für Nachschub sorgt
von Britta Hilpert, Wien
|
Die Ukraine braucht dringend Munition, um die Front zu stabilisieren. Die Lager sind fast leer. Wieso kommt jetzt Hilfe ausgerechnet aus Tschechien?
Am Wenzelsplatz in Prag, am Nationalmuseum, hängt eine riesige ukrainische Flagge. Das Brückengeländer vor der russischen Botschaft ist blau-gelb bemalt. Und manche Tram in Prags Altstadt rollt nun laut klingelnd in Blau-gelb vorbei. Tschechien war von Kriegsbeginn an einer der stärksten Unterstützer der Ukraine.
Denn Tschechien sorgt für eine massive Munitionslieferung, 800.000 Schuss für die Ukraine - so etwas hat die EU bisher nur versprochen, aber nie geliefert. Eine Million Schuss Artilleriemunition bis März waren Kiew in Aussicht gestellt worden - davon sind nach Angaben Kiews bislang aber nur 30 Prozent eingetroffen.
Lieferung der Munition "ein Überlebensinstinkt"
Die meisten Tschechen, die wir ansprechen, sind stolz darauf, was ihr Land organisiert.
Es geht ja auch um uns in der Ukraine, nicht wahr?
„
Vladimíra
"Wir wissen, dass wir hier noch die Erfahrung der Besatzung haben. Wir wissen, wer die Russen sind, also ist diese Lieferung eher ein Überlebensinstinkt", erzählt sie weiter und bezieht sich damit auf den Prager Frühling, der 1968 von der Sowjetarmee blutig niedergeschlagen wurde.
Auch Jiří und Bohunka finden es richtig, dass Tschechien die Munition liefert: "Wir haben die Erfahrung von 1968, wir haben sie noch. Das ist in uns geblieben."
Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern, könnte Deutschland zur Kriegspartei machen, fürchtet Bundeskanzler Scholz. Was sagt das Völkerrecht zu dieser Aussage?28.02.2024
Tschechiens Präsident ist Ex-Nato-General
Aber nach zwei Jahren Ukraine-Krieg gibt es auch in Tschechien eine wachsende Zahl von Kriegsmüden: Elena zum Beispiel findet die Munitionslieferung nicht richtig. "Ich finde es von Natur aus völlig widerwärtig, einen Krieg mit Waffen zu unterstützen. Ich würde also lieber versuchen, die Sache auf diplomatische Weise zu regeln." Und warum Tschechien sich jetzt so engagiert? "Ich glaube, es gibt hier immer noch die Tendenz, sich jemandem aus dem Westen anzupassen, wahrscheinlich Amerika oder ich weiß nicht wem." Doch diese Meinung ist in der Minderheit. Noch, zumindest.
Der Präsident in der Prager Burg, Petr Pavel, war früher Nato-General und ist populär. Seine Expertise spielte wohl auch eine Rolle dabei, dass er kürzlich seinem Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj die Munitionslieferung zusagen konnte. Meist sind es die Kaliber im Nato-Standard, aber auch 300.000 der alten sowjetischen 122 mm Kaliber können in der Ukraine gebraucht werden.
Unser Verteidigungsministerium und -unternehmen haben durch ihre Kontakte einen Überblick darüber, wo diese Ausrüstung und Munition verfügbar ist.
„
Präsident Petr Pavel im tschechischen Fernsehen
In Zusammenarbeit mit Partnern, vor allem Dänemark, Niederlande und Kanada, beschaffe man nun die finanziellen Mittel für die "Transaktion".
Bodentruppen für die Ukraine? Am Tag nach dem Rumms zwischen Frankreich und Deutschland dämpft die Bundesregierung den Streit. 28.02.2024
Militärexperte: Etwa 1,5 Milliarden US-Dollar nötig
Tschechien ist traditionell ein bedeutender Produzent von Munition - den Tschechen war trotzdem früh klar, dass die eigene Produktion nicht reichen kann, Kiews Bedarf zu decken. So begannen sie schon vor eineinhalb Jahren, sich anderswo Munition zu sichern, so der Militärexperte František Mičánek vom CEVRO-Institut:
Tatsächlich wird ein großer Teil der Munition aus anderen Ländern als Europa stammen.
„
František Mičánek, CEVRO-Institut
Gegen außer-europäische Lieferanten hatte sich bisher Frankreich gewehrt - Emmanuel Macron wollte die eigene Rüstungsindustrie fördern. Aber nun will er wohl mitmachen, bis zu 15 Länder wollen Geld geben. Auch Deutschland, wie ein Sprecher des Verteidigungsministeriums dem ZDF sagte, strebe an, "einen erheblichen Anteil dieser so wichtigen Munitionslieferungen zu finanzieren".
"Wir brauchen etwa 1,5 Milliarden US-Dollar", so Militärexperte Mičánek, der früher selbst General war. "Und sobald dieses Geld auf dem Konto ist, könnte die Munition innerhalb weniger Wochen in der Ukraine eingelagert werden."
Nicht alle Munitionslieferanten wollen sich outen
Wer die Munition liefert - darüber gibt es keine verlässlichen Informationen. Der niederländische Premier Mark Rutte erklärte:
Es ist ein strenges Geheimnis, denn nicht jedes Land will wissen lassen, dass es die Munition liefert.
„
Mark Rutte, Premierminister der Niederlande
Es sind Länder, die sich öffentlich auf keine Seite stellen, Länder wie vielleicht die Türkei, die zwischen Ost und West steht und auch eine Vermittlerrolle anstrebt.
Wenn es gelingt, das Geld schnell zu sammeln, dann kann die Ukraine ihren Rückzug stoppen. Vorerst zumindest. Denn auch 800.000 Schuss Munition sind endlich. Während der Gegenoffensive verschossen die Ukrainer vier bis 7.000 Granaten - pro Tag.
Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:
Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.
Um dir eine optimale Website der ZDFmediathek, ZDFheute und ZDFtivi präsentieren zu können, setzen wir Cookies und vergleichbare Techniken ein. Einige der eingesetzten Techniken sind unbedingt erforderlich für unser Angebot. Mit deiner Zustimmung dürfen wir und unsere Dienstleister darüber hinaus Informationen auf deinem Gerät speichern und/oder abrufen. Dabei geben wir deine Daten ohne deine Einwilligung nicht an Dritte weiter, die nicht unsere direkten Dienstleister sind. Wir verwenden deine Daten auch nicht zu kommerziellen Zwecken.
Zustimmungspflichtige Datenverarbeitung • Personalisierung: Die Speicherung von bestimmten Interaktionen ermöglicht uns, dein Erlebnis im Angebot des ZDF an dich anzupassen und Personalisierungsfunktionen anzubieten. Dabei personalisieren wir ausschließlich auf Basis deiner Nutzung der ZDFmediathek, der ZDFheute und ZDFtivi. Daten von Dritten werden von uns nicht verwendet. • Social Media und externe Drittsysteme: Wir nutzen Social-Media-Tools und Dienste von anderen Anbietern. Unter anderem um das Teilen von Inhalten zu ermöglichen.
Du kannst entscheiden, für welche Zwecke wir deine Daten speichern und verarbeiten dürfen. Dies betrifft nur dein aktuell genutztes Gerät. Mit "Zustimmen" erklärst du deine Zustimmung zu unserer Datenverarbeitung, für die wir deine Einwilligung benötigen. Oder du legst unter "Einstellungen/Ablehnen" fest, welchen Zwecken du deine Zustimmung gibst und welchen nicht. Deine Datenschutzeinstellungen kannst du jederzeit mit Wirkung für die Zukunft in deinen Einstellungen widerrufen oder ändern.