Französisches Militär: Staaten fordern Abzug aus Westafrika
Neue Partner gesucht:Macron empört: Frankreichs Abzug aus Afrika
von Veronica Habela, Nairobi
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Jahrzehntelang war Frankreich in Westafrika militärisch präsent. Nun sollen die Truppen abziehen. Was bedeutet das für die Region und die internationale Ordnung?
Nach dem Abzug aus Mali, Burkina Faso und dem Niger verlassen französische Soldaten nun auch den Tschad.
Quelle: AFP
Bis vor wenigen Jahren hielt die französische Regierung in acht ehemaligen Kolonien auf dem afrikanischen Kontinent Truppen stationiert, unter anderem zum Training lokaler Sicherheitskräfte und zur Bekämpfung von Terrorismus. Bald dürften es nur noch zwei sein.
Aus Mali, Burkina Faso und Niger hat sich die französische Armee bereits zurückgezogen. Im benachbarten Tschad ist der Abzug in vollem Gange. Zum Jahreswechsel haben nun auch Senegal und die Elfenbeinküste Paris aufgefordert, die französischen Stützpunkte zu schließen und die Länder zu verlassen.
Laut Emmanuel Macron wäre keines dieser Länder souverän, "wenn nicht die französische Armee in dieser Region stationiert gewesen wäre". Die Rede des französischen Präsidenten bei der jährlichen Botschafterkonferenz im Pariser Élysée-Palast symbolisiert den vorläufigen Tiefpunkt französisch-afrikanischer Beziehungen. Die Kritik afrikanischer Staaten war prompt und heftig: die französische Unterstützung sei weder gewünscht noch viel länger geduldet. Wie kam es zu dem Zerwürfnis?
Wirtschaftsminister Habeck in Kenia. Das Ziel: Engere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den afrikanischen Staaten, da diese eine "Chance für Deutschland" seien. 04.12.2024 | 2:30 min
Frankreichs Militärpräsenz in Afrika
Statt sich nach den Unabhängigkeitskriegen von den Kolonien zu trennen, verfolgte Paris eine "Strategie des Bleibens", sagt Tony Chafer, Professor für afrikanische und französische Studien an der Universität Portsmouth. Durch die gemeinsame Sprache, die zentralafrikanische Währung CFA-Franc und die militärische Unterstützung junger, fragiler Staaten, blieb Frankreich kulturell und wirtschaftlich mit der Sahelregion verbunden und sicherte sich im Gegenzug exklusiven Zugang zu Rohstoffen wie Uran und Öl.
2013 schickte die französische Regierung auf Bitten der malischen Regierung Truppen, um im Kampf gegen Terroristen zu helfen. Ähnlich war es später in den Nachbarländern Niger, Burkina Faso und Tschad. Nachhaltige Stabilität brachte es nicht, im Gegenteil: Die Zahl an Dschihadisten vervielfachte sich, während der Unmut der lokalen Bevölkerung wuchs.
Seit Jahren setzen die berüchtigten Wagner-Söldner russische Machtinteressen in Afrika durch. Mit der Zentralafrikanischen Republik hat die Gruppe bereits einen ganzen Staat gekapert.26.11.2024 | 43:37 min
Wachsender Widerstand der afrikanischen Staaten
Die Militärputsche in den jeweiligen Einsatzländern führten zu einem Bruch mit den französischen Unterstützern und zu einer Verschärfung der antikolonialen Rhetorik, sagt Tony Chafer.
Die neuen Machthaber forderten die Franzosen auf, das Land zu verlassen und ersetzten sie durch russische Söldner. Antikoloniale Ressentiments schwelen seit langem. Bakary Sambe vom Afrikanischen Zentrum für Friedensstudien in Timbuktu sagt:
Dies treffe auf eine neue, emanzipierte Generation von Afrikanern, die bereit sei, ihren Frust laut zu artikulieren. Soziale Netzwerke machten aus dem Projekt einer kleinen intellektuellen Elite eine populäre Bewegung, die nicht mehr zu bremsen sei.
Experten bezweifeln, dass Frankreich seinen Einfluss in Afrika gänzlich verliert. Dafür sind die kulturellen Verknüpfungen durch drei Jahrhunderte gemeinsamer Geschichte zu stark. Der französischen Regierung bleiben künftig nur noch zwei Stützpunkte: Das ostafrikanische Land Dschibuti und Gabun in Zentralafrika.
Wie Domino-Steine stürzen die Regierungen in Afrikas Sahel-Zone. Juntas putschen sich an die Macht, nutzen antifranzösische Stimmungen und versprechen eine neue Souveränität.23.11.2023 | 29:27 min
Globale Folgen des Abzugs französischer Truppen
Mit dem Abzug der Franzosen verliert die EU seinen direkten diplomatischen und militärischen Zugang vor Ort. Und klar ist: Afrikanische Staaten möchten sich ihre Partner in Zukunft selbst aussuchen - bevorzugt solche, die weniger moralische und politische Bedingungen an ihre Angebote knüpfen. Der Tadel des Westens in Bezug auf demokratiefördernde Maßnahmen und das Einhalten von Menschenrechten sorgte längstens für Unmut unter den westafrikanischen Eliten.
Autokratische Regime sehen solche Auflagen weniger streng. China investiert längst stark in Infrastruktur. Russland bietet Waffen und militärische Unterstützung im Gegenzug für Bodenschätze. Die Türkei und die arabischen Monarchien hoffen auf einen neuen Absatzmarkt. Das Buhlen um afrikanische Staaten ist in vollem Gange. Die Unabhängigkeit, die afrikanische Führungsmächte ihren Bevölkerungen durch den Abzug der Franzosen jedoch versprochen haben, könnte trügerisch sein.
Die lukrativen Geschäfte von Wagner-Chef Prigoschin reichen bis nach Afrika. Nach dessen mutmaßlichem Tod steht der Kreml nun bereits für die Übernahme der Netzwerke bereit.
Quelle: dpa
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