Trump-Selenskyj-Streit: Wie Ukrainer auf den Eklat blicken

Stimmung im Land:Wie Ukrainer auf den Washington-Eklat blicken

Dominik Lessmeister in der Ukraine
von Dominik Lessmeister, Kiew
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Die Ukraine versammelt sich hinter ihrem Präsidenten - viele Menschen sind schockiert und wütend über die Attacken von Trump. Das sagen sie in Kiew über den Eklat im Weißen Haus.

Eine Freu gedenkt ihrem Sohn  an einer behelfsmäßigen Gedenkstätte für die gefallenen ukrainischen und ausländischen Kämpfer auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew
Das Verhalten Trumps gegen Präsident Selenskyj erschüttert die Menschen in der Ukraine - Stimmung aus dem Land.01.03.2025 | 2:01 min
Der Schock sitzt immer noch tief über das, was sich am Freitagabend in Washington abgespielt hat. Der Eklat im Weißen Haus vor laufenden Kameras zwischen US-Präsident Donald Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj macht die Ukrainerinnen und Ukrainer fassungslos. "Ich bin sehr stolz auf unseren Präsidenten. Wenn ich an seiner Stelle gewesen wäre, hätte ich das Gleiche getan. Das war respektlos gegenüber einem Staat, der sich im Krieg befindet", meint Anastassija in der Kiewer Innenstadt.
Die Attacke von Trump empfinden die Menschen in Kiew als eine Attacke gegen ihr Land. "Das sind unsere Territorien, das sind unsere Jungs und Mädels, die da sterben. Aus irgendeinem Grund haben die Menschen aus den großen Ländern beschlossen, dass sie alles tun können, was sie wollen. Es ist leicht, sich dafür zu entscheiden, die Schwächeren mit Respektlosigkeit zu behandeln", betont Valentyna.
Pavlo, der in der ukrainischen Armee kämpft, kann das Vorgehen Trumps ebenfalls nicht nachvollziehen:

Amerika kann den Ukrainern nicht vorschreiben, was wir in unserem Land tun müssen.

Pavlo, ukrainischer Soldat

"Schauen Sie sich an, wie hoch der Preis dafür ist", sagt Pavlo über Russlands Angriffskrieg und deutet mit gebrochener Stimme auf eine Gedenkstätte am Maidan hinter seinem Rücken, an der auch Bilder verstorbener Soldaten aufgestellt sind.
US-Präsident Donald Trump und ukrainischerPräsident Wolodymyr Selenskyj
Nach einem für Staatsmänner beispiellosen Streit vor laufenden Kameras brechen US-Präsident Donald Trump und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ihr Treffen ab.28.02.2025 | 2:30 min

Journalist über Selenskyj-Trump-Eklat: Ukraine will US-Sicherheitsgarantien

Dabei wollen die Ukrainer, dass dieser Krieg endet. Aber sie verlangen von den USA Sicherheitsgarantien, die Washington bisher nicht bereit ist, zu geben. Trump gehe es jetzt darum, Selenskyj unter Druck zu setzen, meint der Kiewer Journalist und Kenner der ukrainischen Politik Denis Trubetskoy:

Es wäre nicht abwegig zu sagen, weil Trump, weil Washington in Moskau nicht wirklich vorangekommen ist, dass man genau deswegen auf die schwächere Ukraine drückt und sie als nicht gesprächsbereit darstellen möchte.

Denis Trubetskoy, Journalist

So erkläre man der eigenen Wählerschaft, warum das mit dem schnellen Frieden nicht funktioniere und zeige mit dem Finger auf Selenskyj, meint der Journalist.
SGS Theveßen Lessmeister Schaefers
Der diplomatische Eklat im Weißen Haus sorgt international für Aufsehen. Welche Folgen drohen jetzt? ZDF-Korrespondenten in Washington, Kiew und Brüssel berichten.01.03.2025 | 3:05 min

Sorge vor Bruch der Beziehung zu den USA

Doch der offensichtliche Bruch mit dem Hauptverbündeten USA macht vielen Menschen Angst. Sie haben Sorge, dass die USA nun die Hilfen und die militärische Unterstützung für die Ukraine zurückfahren oder sogar ganz streichen könnten.
Schätzungen gingen bisher davon aus, dass das Land mit den von Trumps Vorgänger Joe Biden eingeleiteten Waffenlieferungen noch ein halbes Jahr in der gleichen Intensität weiterkämpfen könne. Eine Reduzierung des Nachschubs aus den USA in vielen Bereichen wie Artilleriemunition oder Ersatzteilen für US-amerikanische Waffensysteme würde die Möglichkeiten der ukrainischen Armee einschränken.
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock gibt im Auswärtigen Amt in Berlin am 1. März 2025 eine Presseerklärung zur Unterstützung der Ukraine ab.
Außenministerin Baerbock hat sich nach den Ereignissen im Weißen Haus hinter Präsident Selenskyj gestellt. Derweil appelliert der Nato-Chef, das Verhältnis zu Trump zu reparieren.01.03.2025 | 2:27 min
"Es gibt extrem sensible Bereiche, wie beispielsweise die Flugabwehr, wo das amerikanische Patriot-System eine große Rolle spielt. Und es gibt den wichtigen Bereich der Aufklärung, also die Daten, die die Amerikaner mit den Ukrainern geteilt haben, die sind extrem wichtig", erklärt Denis Trubetskoy.
Zwar habe die Ukraine inzwischen eigene Kapazitäten vor allem im Bereich der "Kampfdrohnen" entwickelt, doch vor allem für die Flugabwehrsysteme des Typs "Patriot" seien die US-Lieferungen schwer zu ersetzen.
Die Infografik zeigt das Flugabwehrsystem Patriot. Es erkennt Flugobjekte im Umkreis von 100 Kilometern und kann Raketen abfeuern.

Kiew hat noch Hoffnung

Auch in der Bevölkerung haben sie Angst, dass der Krieg an neuer Intensität gewinnen könnte. "Alles verschärft sich. Ich denke, dass wir einem Szenario folgen, das von Russland und den USA vorgeschlagen wurde," meint Oksana.
Auch deshalb hoffen die politischen Verantwortlichen in Kiew, dass es nicht zum Äußersten kommt. Präsident Selenskyj hat nach dem Eklat im Weißen Haus die Freundschaft und Bedeutung der Beziehungen mit den USA betont. Man setzt darauf, dass auch die Europäer auf die USA einwirken, damit es nicht zur Einstellung der militärischen Hilfen kommt.
Dominik Lessmeister in der Ukraine
Ein Bruch der Beziehungen zwischen der Ukraine und den USA wäre fatal, so ZDF-Reporter Dominik Lessmeister. Für Waffen und Munition ist die Ukraine weiterhin auf die USA angewiesen.01.03.2025 | 2:11 min
Denis Trubetskoy erklärt, es brauche jetzt eine enorme gesamteuropäische Anstrengung. Mehr Hilfen und mehr Geld für die Ukraine seien am Ende auch im Interesse der europäischen Sicherheit.
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