Trump im Faktencheck: Diese Aussagen zur Ukraine sind falsch

    Faktencheck

    "Diktator ohne Wahlen":Welche Trump-Aussagen zur Ukraine falsch sind

    von Kai Remen
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    US-Präsident Trump hat Ukraines Präsident Selenskyj "Diktator" genannt und ihm Mitschuld am Krieg gegeben. Auch andere Aussagen enthalten wenig Wahrheit. Die Zitate im Check.

    Protest von zwei Aktivisten vor dem Brandenburger Tor: Sie tragen Masken von Trump und Putin und ein Schild mit der Aufschrift "Make Russia great again".
    US-Präsident Trumps Äußerungen über die Ukraine sorgen in Europa für Entsetzen, während der Kreml begeistert reagiert.20.02.2025 | 1:44 min
    Es ist nicht das erste Mal, dass US-Präsident Donald Trump Aussagen verbreitet, die für Empörung sorgen. Am Dienstag sprach er vor Reportern über die Ukraine, deren Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und die Militärhilfen für das angegriffene Land. Am Mittwoch legte er mit einem Post auf seiner Plattform "Truth Social" nach.
    Die Besonderheit liegt neben dem Zeitpunkt der Veröffentlichung - kurz nach Gesprächen zwischen einer russischen und einer US-Delegation - auch in der diplomatischen Schwere. ZDFheute hat die Aufsehen erregenden Aussagen des US-Präsidenten auf den Prüfstand gestellt. Einige sind nachweislich falsch.
    ZDF-Korrespondent Wulf Schmiese
    ZDF-Korrespondent Wulf Schmiese berichtet aus Berlin: Deutschland muss sich auf die Wahl vorbereiten und zugleich eine Antwort auf die jüngsten Äußerungen von Donald Trump finden.20.02.2025 | 1:04 min

    Trump: Selenskyj ist "Diktator ohne Wahlen"

    Es war eine der Schlagzeilen des Tages. Trump sagte über Selenskyj:
    "Als Diktator ohne Wahlen sollte Selenskyj besser schnell handeln, sonst wird er kein Land mehr haben."
    Das ist faktisch falsch. Wolodymyr Selenskyj ist kein Diktator. Er wurde 2019 im zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahl mit 73 Prozent zum Staatsoberhaupt gewählt. In der Ukraine dauert eine Amtszeit fünf Jahre. Sein Mandat hätte regulär am 20. Mai 2024 enden müssen. Doch Russlands Überfall auf das Nachbarland änderte das.
    Am 24. Februar 2022 - nur kurze Zeit nach dem landesweiten Eindringen russischer Truppen auf das ukrainische Staatsgebiet - verhängte das ukrainische Parlament auf Verfügung von Selenskyj das Kriegsrecht. Bei geltendem Kriegsrecht werden Wahlen ausgesetzt. Neuwahlen müssen also erst nach einem Kriegsende wieder stattfinden.

    Mit den Regeln zu Neuwahlen und Kriegsrecht ist die ukrainische Verfassung der deutschen ähnlich. Im Grundgesetz, Artikel 115h heißt es:

    "Während des Verteidigungsfalles ablaufende Wahlperioden des Bundestages oder der Volksvertretungen der Länder enden sechs Monate nach Beendigung des Verteidigungsfalles. Die im Verteidigungsfalle ablaufende Amtszeit des Bundespräsidenten sowie bei vorzeitiger Erledigung seines Amtes die Wahrnehmung seiner Befugnisse durch den Präsidenten des Bundesrates enden neun Monate nach Beendigung des Verteidigungsfalles."

    Das ukrainische Kriegsrecht wurde in dieser Form bereits im Jahr 2015, kurz nach der russischen Annexion der Krim, ausgearbeitet. Die Basis für den aktuellen Verbleib Selenskyjs im Amt wurde also Jahre vor dessen Präsidentschaft gelegt.
    Ukrainische Soldaten in einem Schützenfraben in der Region Donetsk.
    Seit drei Jahren kämpfen Russland und die Ukraine im Osten des Landes, der Konflikt hat sich zu einem zermürbenden Stellungskrieg entwickelt.20.02.2025 | 1:38 min

    Trump: Selenskyj hat Zustimmungswerte von vier Prozent

    Bereits am Dienstag sprach US-Präsident Donald Trump über die Zustimmungswerte seines Amtskollegen:
    "Ich meine, ich hasse es, es zu sagen, aber seine Zustimmungsrate liegt bei vier Prozent."
    Auch hier nannte der Republikaner keine Quelle. Ganz allgemein sind Zustimmungswerte in Kriegszeiten und angesichts vieler vertriebener Bürgerinnen und Bürger schwierig zu erheben und deshalb mit Vorsicht zu genießen. Selenskyj wies die genannten Werte bereits als russische Desinformation zurück.
    Elmar Theveßen | ZDF-Korrespondent in Washington
    Trump lasse "die Ukraine im Stich", verbreite "Lügen" über die Ukraine und Selenskyj und mache Putin zu einem Mann, mit dem man "gute Geschäfte machen" könne, so ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen.20.02.2025 | 2:23 min
    Mehrere Medien suchten in den vergangenen Tagen nach seriösen Belegen für Trumps Aussage - erfolglos. Dem gegenüber stehen aktuelle Werte des Kiewer Instituts für Soziologie (KIIS). Das befragte zwischen dem 04. und 09. Februar dieses Jahres 1.000 zufällig ausgewählte Personen, die über 18 Jahre alt sind, per Telefon. Dabei bezog sich die Studie auf Menschen, die zum Zeitpunkt der Befragung in den ukrainisch kontrollierten Gebieten des Landes ansässig waren.
    Demnach vertrauen 57 Prozent der Befragten dem ukrainischen Präsidenten. 37 Prozent misstrauen ihm. Damit sind Selenskyjs Werte gegenwärtig deutlich besser als vor dem Großangriff Russlands und nur minimal schwächer als vor einem Jahr. Mit Blick auf den Verlauf der Zustimmung im vergangenen Jahr bleiben die Werte stabil. Selenskyjs aktuelle Zustimmungswerte liegen sogar über denen Trumps, der laut einer aktuellen Umfrage von The Economist und YouGov auf insgesamt 49 Prozent Zustimmung kommt.
    Schaltgespräch-hju-250219
    Trumps schwere Vorwürfe gegen Selenskyj träfen das ganze Land, sagt der ukrainische Journalist Denis Trubetskoy - aus Kiew berichtet er für zahlreiche deutschsprachige Medien. 20.02.2025 | 4:26 min

    Trump: USA leisteten 350 Milliarden Dollar Hilfe

    US-Präsident Trump startete seinen Social-Media-Post am Mittwoch bereits mit einer Unwahrheit:
    "Wolodymyr Selenskyj überredete die Vereinigten Staaten von Amerika, 350 Milliarden Dollar auszugeben."
    Woher Trump diese Zahl hat, lässt er offen. Wie hoch die tatsächliche Unterstützung für die Ukraine durch die USA ist, ist schwierig zu definieren. Es hängt von unterschiedlicher Datengrundlage und Zählweise ab.
    Das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel), ein Thinktank, der die gesamten militärischen, finanziellen und humanitären Hilfen für die Ukraine protokolliert, kommt jedoch zu einer deutlich niedrigeren Summe an US-Hilfen. Demnach hätten die Vereinigten Staaten seit Ende Januar 2022 bis einschließlich Dezember 2024 rund 114,2 Milliarden Euro (rund 119 Milliarden US-Dollar) an Hilfen für die Ukraine geleistet.
    Trump ergänzte:
    "Die Vereinigten Staaten haben 200 Milliarden Dollar mehr ausgegeben als Europa."
    Auch das stimmt nicht. Der US-Summe von rund 119 Milliarden US-Dollar stehen laut IfW Kiel rund 138 Milliarden US-Dollar (132 Milliarden Euro) aus Europa gegenüber. Das Kiel Institut für Weltwirtschaft bezieht dabei die EU-Mitglieder, sowie Island, Norwegen, Schweiz und das Vereinte Königreich mit ein.
    Donald Trump vor einer Karte der Ukraine und einem Panzer
    US-Präsident Trump macht den ukrainischen Präsidenten Selenskyj für die Kriegsdauer verantwortlich – er hätte einen Deal machen können. ZDFheute live analysiert die US-Strategie.19.02.2025 | 30:19 min

    Trump gibt Ukraine Mitschuld am Krieg

    "Ihr hättet es nie anfangen sollen. Ihr hättet einen Deal machen können",
    sagte Trump bei einer Pressekonferenz in Florida. Es gebe in Kiew "eine Führung, die einen Krieg zugelassen hat, den es nie hätte geben dürfen".
    Damit übernimmt Trump ein faktisch falsches Narrativ des russischen Regimes. Es waren der Kreml, Putin, Russland, die die Souveränität ihres Nachbarlandes bereits 2014 mit dem Überfall auf die Krim in Frage gestellt hatten. Es folgte der 24. Februar 2022 und damit für viele die Gewissheit: Vergangene Absprachen wie das Budapester Memorandum oder die bis dahin geltende europäische Friedensordnung sind Russland egal.
    Mehr Informationen dazu finden Sie in dieser Analyse:

    Trump übernimmt Kreml-Narrativ
    :Ukraine: Wer Frieden wirklich verhindert hat

    Donald Trump gibt der Ukraine Mitschuld am Andauern des Kriegs. Gab es bereits Gelegenheiten für Verhandlungen und Frieden? Wer hat sie verhindert und was ist Putins Propaganda?
    von Jan Schneider, Nils Metzger
    Fotomontage: Trump und Putin
    Analyse

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