Wie ernstzunehmend ist Donald Trumps Nato-Forderung?

    FAQ

    Fünf Prozent für Verteidigung:Wie ernstzunehmend ist Trumps Nato-Forderung?

    von Jan Schneider und Isabelle Schaefers
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    Trump fordert höhere Verteidigungsausgaben der Nato-Staaten. Experten nennen die Höhe "willkürlich" und sprechen von einer "Fantasiezahl" - die Sache habe aber einen wahren Kern.

    Debatte um 5-Prozent-Militärausgaben
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    In seiner ersten Amtszeit hatte Donald Trump die Nato-Staaten immer wieder dazu gedrängt, das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen, also zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigungsausgaben zu nutzen.
    Jetzt, kurz vor seiner zweiten Amtszeit als US-Präsident hat er seine Forderung deutlich nach oben korrigiert: Während einer Pressekonferenz in seinem Anwesen in Florida forderte er nun, dass die Nato-Verbündeten fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in Verteidigung investieren sollen - das wäre eine drastische Erhöhung gegenüber der aktuellen Vereinbarung und wird die Diskussion um Verteidigungsausgaben im Bündnis stark prägen.
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    Wie ist der aktuelle Stand in der Nato?

    Die Nato-Staaten haben sich erst 2023 beim Gipfel in Litauen auf ein verbindliches Ziel geeinigt: Alle Mitglieder sollen dauerhaft mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben. Die jüngste Nato-Statistik vom Juni 2024 zeigt, dass die meisten der 32 Nato-Staaten dieses Ziel inzwischen erreichen. Die höchsten Ausgaben verzeichnen die an Russland grenzenden Länder:
    Polen gibt 4,12 Prozent aus, Estland 3,43 Prozent. Selbst die USA als wirtschaftsstärkstes Nato-Mitglied investieren mit 3,38 Prozent deutlich weniger als die von Trump geforderten fünf Prozent. Deutschland liegt aktuell bei 2,12 Prozent.
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    Die Steigerung der Ausgaben habe man auch dank Trump erreicht, sagte Nato-Generalsekretär Mark Rutte bei seinem Amtsantritt - und lobte ihn damit als durchaus konstruktiv für die Nato.
    Nato-Länder, die Zwei-Prozent-Ziel erreichen

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    Die Nato-Mitgliedstaaten legen ihre Verteidigungsausgaben selbst fest - es gibt keine zentrale Instanz, die dies vorschreibt. Allerdings gibt es eine wichtige gemeinsame Zielvorgabe: Das sogenannte "Zwei-Prozent-Ziel" wurde erstmals beim Nato-Gipfel in Wales 2014 vereinbart und 2023 in Litauen als verbindlich festgeschrieben.

    Dies ist eine Selbstverpflichtung der Mitgliedstaaten, keine rechtlich bindende Vorschrift. Jedes Land entscheidet souverän über seinen Verteidigungshaushalt, die Nato oder andere verbündete Staaten können nur Empfehlungen aussprechen und politischen Druck ausüben. Die konkrete Verwendung der Mittel liegt ebenfalls in nationaler Verantwortung.

    Wie ernstzunehmend ist Trumps neue Forderung?

    Einige Nato-Mitglieder haben noch immer nicht dauerhaft zwei Prozent in ihre Haushalte eingeplant, erklärt Nico Lange, Senior Fellow bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Trumps Aussage habe daher "einen wahren Kern".

    Trump hat willkürlich fünf Prozent genannt, um Druck zu machen und die in der Nato kursierenden drei Prozent als neues Ziel zu überbieten.

    Nico Lange, Politikberater

    Ähnlich sieht es auch Ulrich Kühn, Leiter des Forschungsbereichs "Rüstungskontrolle und Neue Technologien" am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH). Er sagt: "Fünf Prozent ist eine komplette Fantasiezahl."
    Die Trump-Administration habe das klare Interesse, dass sich die EU selbst verteidigen kann und nicht mehr abhängig von den USA ist. Gleichzeitig habe auch Europa das Ziel unabhängiger von den USA zu werden, so Kühn.

    Es treffen sich also eigentlich zwei Interessen, die zusammen passen.

    Ulrich Kühn, Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik

    Die Forderung von Trump dürfte vor allem als Signal gemeint sein, dass die USA nicht bereit sind, die Verteidigung Europas weiterhin sicherzustellen.

    Welche Pläne gibt es in den anderen Nato-Staaten?

    Seit dem Krieg in der Ukraine werden aber auch von anderer Seite die Stimmen lauter, dass noch mehr in Verteidigung investiert werden müsse - gerade auch in Europa. Um die eigene Verteidigungsfähigkeit zu stärken und unabhängiger von den USA zu werden.
    Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck hat sich kürzlich im Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" für höhere Verteidigungsausgaben ausgesprochen. "Nach Berechnungen von Experten sind in den nächsten Jahren etwa dreieinhalb Prozent unserer Wirtschaftsleistung für Verteidigung nötig," sagte der Vizekanzler und Wirtschaftsminister.
    Auch der Nato-Generalsekretär hatte immer wieder gesagt, dass mehr nötig sei, aber auch Länder wie Polen drängen darauf.
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    Was würde die Fünf-Prozent-Forderung für Deutschland bedeuten?

    Die Umsetzung einer solchen Forderung hätte massive Auswirkungen auf den deutschen Bundeshaushalt. Bei einem für 2025 erwarteten Bruttoinlandsprodukt von 4.400 Milliarden Euro müsste Deutschland über 200 Milliarden Euro für Verteidigung ausgeben. Zum Vergleich: Der geplante Verteidigungsetat für 2025 liegt bei 53,3 Milliarden Euro.
    Selbst mit dem Sondervermögen der Bundeswehr und weiteren Militärhilfen erreicht Deutschland derzeit nur Ausgaben von etwa 90,6 Milliarden Euro. Eine Erhöhung auf fünf Prozent würde bedeuten, dass der Verteidigungsetat zum mit Abstand größten Einzelposten im Bundeshaushalt würde - noch vor dem Etat des Arbeitsministeriums, der aktuell mit 179 Milliarden Euro der größte ist.
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    Was könnte mit dem Geld gemacht werden?

    Die Debatte um höhere Verteidigungsausgaben in der Nato ist komplexer als oft dargestellt, sagt Sicherheitsexperte Kühn gegenüber ZDFheute. Es gehe nicht nur um die Höhe der Ausgaben, sondern vor allem um deren sinnvollen Einsatz. Deutschland stehe dabei vor der Herausforderung, die Schuldenbremse mit den Verteidigungsanforderungen in Einklang zu bringen. Ohne neue Schulden seien die nötigen Investitionen kaum zu stemmen, so Kühn.
    Der Ukraine-Krieg habe gezeigt, dass sowohl klassische Verteidigungssysteme als auch moderne Technologien wie Drohnen wichtig seien. Kühn plädiert für eine bessere Abstimmung zwischen den europäischen Nato-Partnern bei der Beschaffung.
    Doch auch die Beschaffung von Waffensystemen ist keineswegs trivial: Während amerikanische Waffen oft günstiger sind, da in den USA anders produziert wird, kann die von Trumps kommender Präsidentschaft ausgehende Unsicherheit auch ein starkes Argument für eine Stärkung der europäischen Rüstungsindustrie sein - auch wenn es teurer ist.

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    Quelle: ZDF

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