Attentat auf Donald Trump: Die politische Lage danach
Interview
Politik-Expertin Clüver Ashbrook:Trump-Attentat: Die politische Lage danach
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Donald Trump wird angeschossen und leicht verletzt. Wie ist die politische Lage in den USA? Expertin Cathryn Clüver Ashbrook im Interview mit ZDFheute live.
Auf Ex-US-Präsident Trump ist bei einer Wahlkampfveranstaltung geschossen worden. Er wurde nur leicht verletzt, der mutmaßliche Täter ist tot. ZDFheute live ordnet ein.14.07.2024 | 34:29 min
Eine gefährliche Situation für die USA: Donald Trump wurde bei einem Wahlkampfauftritt angeschossen. Verschwörungstheorien machen sich breit, Republikaner machen Demokraten verantwortlich. Wie ist die politische Lage nach dem Attentat?
Sehen Sie das ganze Interview oben im Video oder lesen Sie es hier in Auszügen.
Das sagt die deutsch-amerikanische Politologin Cathryn Clüver Ashbrook über ...
... die Auswirkung auf die politische Stimmung in den USA
Das Attentat auf Donald Trump "ist eine Zäsur in diesem schon sehr schwierigen Wahlkampf", sagt Cathryn Clüver Ashbrook. Sie sieht auch eine "historische Zäsur": Der letzte Anschlag auf einen Kandidaten im aktiven Wahlkampf sei der auf Robert F. Kennedy gewesen, der damals getötet wurde.
Der Angriff falle in eine volatile, zugespitzte politische Lage, sagt Clüver Ashbrook. Das Land könne sich kaum mehr einigen auf Fakten, auf Realitäten. Die Auswertung dieses Anschlags werde genau beobachtet werden und dürfte für viele zu einer Wahlentscheidung führen.
Die Rhetorik bei den Republikanern verschärfe sich bereits: Es werde ein Untersuchungsausschuss gefordert und mehr.
Das Attentat auf Donald Trump werde ein Faktor in der heißen Phase des US-Wahlkampfs sein, aber es „ist nicht der einzige Faktor“, so USA-Experte Jeff Rathke.14.07.2024 | 4:29 min
... Donald Trumps weiteren Wahlkampf
Der Wahlkämpfer Donald Trump habe direkt noch mal die Faust in die Luft gestreckt, um seinen Anhängern zu signalisieren: "Dieser Kampf geht weiter. Es ist ein Kampf", sagt Clüver Ashbrook.
Sie gehe davon aus, dass Trump diese Bilder und dieses Narrativ mitnehmen werde zum Parteitag der Republikaner, der unmittelbar bevorsteht.
Die Republikaner werden den Anschlag "ganz klar politisieren", das sehe man schon an den aktuellen Kommentaren der Parteikollegen, erklärt Clüver Ashbrook. Ein Moment der nationalen Einigung sei nicht in Sicht.
Quelle: ZDF
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... Joe Bidens weiteres Vorgehen
Der amtierende US-Präsident und Kandidat für eine weitere Amtszeit Joe Biden werde versuchen "präsidentiell aufzutreten":
"Das haben wir in den letzten Stunden schon erlebt: Er hat versucht auf das Land beruhigend einzuwirken. Er hat gesagt, politische Gewalt hat in den Vereinigten Staaten nichts zu suchen, das gehört nicht zur politischen Auseinandersetzung."
... die Gefahr politischer Gewalt in den USA
"Über 30 Prozent der Amerikaner, sowohl Republikaner als auch Demokraten, würden laut einer Umfrage politische Gewalt als Mittel der politischen Durchsetzung mitunter nicht ausschließen wollen."
"In Folge des 6. Januar werden solche Motivationen stärker in der Bevölkerung. Bei der Waffendichte in den USA muss das große Sorgen bereiten", sagt Clüver Ashbrook.
Sie spricht auch die Heritage Foundation an. Das ist eine wichtige Denkfabrik der Republikaner, die auch Donald Trumps Wahlprogramm mitgestaltet habe: "Die haben bereits gesagt, wir stehen kurz vor der zweiten amerikanischen Revolution, und die wird nur blutlos verlaufen, wenn die Liberalen uns diese Revolution zugestehen."
Das mache die nächsten 100 Tage sehr gefährlich und sehr schwierig.
... einen Ausweg aus der gesellschaftlichen Polarisierung in den USA
Diese Frage würden sich auch ihre Kollegen in den USA stellen:
"Wie kann man ein grundsätzliches Verständnis für die Wertigkeit von Kompromissen in Demokratie, die Funktionalität und die Glaubwürdigkeit von Demokratie wiederherstellen?"
Die USA sind so polarisiert wie selten zuvor. Entzweit in politische Lager. In 40 US-Staaten kann eine Partei kompromisslos durchregieren. Die Republikaner oder die Demokraten. 18.07.2024 | 29:14 min
Die aktuell starke Polarisierung sei unter anderem zurückzuführen auf die letzten 20 Jahre: Das Rating-Unternehmen Fitch habe die USA im Herbst für 20 Jahre politische Verfehlungen herabgestuft, sagt Clüver Ashbrook.
Dagegen helfen würde unter anderem mehr politische Bildung, erklärt Clüver Ashbrook. Aber seit 2019 seien mehr Kinder in Homeschooling. Dadurch erlebten sie nicht mehr mit, wie Konflikte und Differenzen in einer öffentlichen Schule ausgetragen werden, wo gelebte Demokratie funktioniert.
... frühere Attentate auf US-Präsidenten und Kandidaten
Die Situationen seien damals unterschiedlich gewesen. Die Entwicklungen nach den Attentaten könnten jedoch schon Hinweise geben auf das, was man in der republikanischen Rhetorik erwarten könne.
Da gebe es das vereitelte Attentat von 1981 auf den republikanischen Präsidenten Ronald Reagan: Ein psychisch gestörter Mann wollte Jodie Foster beeindrucken, es war nicht politisch motiviert.
Reagan habe es innenpolitisch zu der Zeit nicht einfach gehabt. Nach dem Attentatversuch habe die Zustimmung für Reagan jedoch enorm zugenommen. Drei Monate nach dem Anschlag sei die Zustimmung für ihn bei 70 Prozent gewesen, sagt Clüver Ashbrook.
Er gilt bis heute als einer der populärsten US-Präsidenten der Geschichte. Aber wer war er wirklich? In seiner politischen Karriere lagen Licht und Schatten dicht beieinander.19.11.2023 | 19:07 min
Die Demokraten hätten nach Kennedys Tod den schwierigsten modernen Wahlkampf führen müssen, ihr damals letzter Parteitag in Chicago sei unglaublich chaotisch gewesen. Daraus hätten die Demokraten Lehren gezogen und sich Regeln gegeben, die wiederum große Fragen aufstellten, ob sie an Kandidat Biden für die US-Wahl festhalten können.
Vor 60 Jahren wurde John F. Kennedy ermordet. Es war eines von vier tödlichen Attentaten auf US-Präsidenten - jedes beeinflusste die Geschichte.
von Maybrit Nolte
... mögliche Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Deutschland
Das habe man zuletzt ganz stark gesehen, unter anderem an Drangsalierungen gegenüber Grünen-Abgeordneten zum politischen Aschermittwoch, Anschlägen im Europawahlkampf und dem Anschlag gegen Roderisch Kiesewetter bei Aalen.
Cathryn Clüver Ashbrook nennt einige Gründe für die zunehmende Gewaltbereitschaft in offenen, demokratischen Gesellschaften:
die politische Rhetorik spitze sich zu
die Art und Weise politisch zu kommentieren gehe immer weiter weg von Medien, die mit Fakten arbeiten und Dinge einordnen können
viel mehr politische Informationen erreiche Menschen über soziale Medien
Desinformation mit der Motivation, politische Gewaltakte zu verüben, spiele eine immer größere Rolle