Zurück an den Herd:Warum der "Tradwife"-Trend gefährlich ist
von Katharina Schuster, Washington D.C.
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Junge Frauen in den USA präsentieren sich auf Social Media als traditionelle Hausfrauen. Was sich hinter ihrem Lebensstil verbirgt und warum der Trend auch gefährlich ist.
Estee Williams ist eine Tradwife. Sie hat sich dem "traditionellen Leben" verschrieben.
Quelle: Instagram/esteecwilliams
Estee Williams bereitet sich auf die Rückkehr ihres Mannes vor. Sie frisiert sich ihr blondes gelocktes Haar und trägt roten Lippenstift auf. Im Hintergrund spielt Jazzmusik - sanfte Klänge von Bobby Darin. Ihr Mann arbeitet tagsüber, während sie den Haushalt schmeißt.
Mit Videos wie diesen erreicht die Influencerin auf TikTok und Instagram Hunderttausende. Was wie Ausschnitte aus Filmen der 1950er wirkt - nur in chic und in Farbe - sind in Wirklichkeit Inhalte, die in den letzten Monaten entstanden sind.
Instagram-Post von Estee Williams
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Hannah Neeleman präsentiert sich weniger elegant als Estee Williams. Auf ihrem Kanal @ballerinafarm teilt sie mit fast zehn Millionen Followern ihr Leben auf ihrer Farm in Utah mit acht Kindern und ihrem Mann. Die "Mrs. American 2023" zeigt sich dort mit Baby auf dem Arm beim Kräuter ernten, beim Backen oder auch beim Kühe-Melken.
Instagram-Post von Hannah Neeleman
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Diese US-Amerikanerinnen bezeichnen sich als "Tradwives", die Kurzform für "traditional wife", also traditionelle Ehefrau. Im Zentrum steht in ihrem Leben das Kochen und Backen, alles wird aus frischen Zutaten selbst hergestellt. Außerdem geben sie Tipps fürs Eheleben und sie halten sich fast ausschließlich in ihren Häusern auf. Ihre Männer sind diejenigen, die einer Erwerbsarbeit nachgehen.
Seinen Ursprung hat die Bewegung in den USA, wo auch die bekanntesten mit dem Trend assoziierten Influencerinnen leben. Oberflächlich betrachtet, wirken die Videos harmlos und sind nett anzuschauen. Aber sind sie es wirklich?
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Tradwife-Bewegung geht mit Ausschlüssen einher
Eine, die sich schon länger mit dem Trend beschäftigt, ist Prof. Margreth Lünenborg. Auf den ersten Blick mögen die Videos und Inhalte dieser Bewegung harmlos und naiv erscheinen, wie die Kommunikationswissenschaftlerin im Gespräch mit ZDFheute erklärt.
Ähnlich wie Märchen könnten diese Inhalte ansprechend sein und uns helfen, die überfordernden Inhalte des Lebens für einen Moment zu verdrängen.
Fast 100 Millionen Aufrufe des Hashtags #tradwife, unzählige Videobeiträge: Das traditionelle Hausfrauenbild der 50er ist so angesagt wie lange nicht mehr.
von C. Großerüschkamp und S. Gargosch
Doch Lünenborg warnt: Bei genauerer Betrachtung offenbart der Trend ernsthafte Probleme. Die Videos der Tradwives stellten ein "gesellschaftliches Arrangement als Ideal dar, das mit extremen Ausschlüssen einhergeht". Sie erklärt, dass hinter den vermeintlich unpolitischen Darstellungen ein tief verwurzeltes, politisches Weltbild steckt, das rassistische und diskriminierende Elemente enthält.
Prof. Lünenborg beschreibt die Gemeinsamkeiten der Tradwives:
sie sind (fast) alle weiß
sie kommen aus christlich-fundamentalistischen Kreisen
sie propagieren ein traditionelles Geschlechter- und Familienbild
die Erwerbsarbeit des Mannes reicht aus, um die Familie zu ernähren
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Dieser Lebensstil, der von Frauen mit gutverdienenden Ehemännern geprägt ist, verstärke ein elitäres Bild, das sich bewusst vom Rest der Gesellschaft abgrenzt. Lünenborg hebt hervor, dass Frauen in diesem Modell "klar dem Mann untergeordnet" sind.
Dieser Trend richte sich gegen jegliche gesellschaftlichen Veränderungen und bewahre ein enges, rückwärtsgewandtes Weltbild. Kein Platz sei für alternative Familienbilder, wie Regenbogenfamilien, Familien ohne Kinder oder für schlechter Verdienende, weil sie sich diesen Lebensstil gar nicht leisten können.
In Deutschland ähnlicher Trend zu beobachten
Variationen des Tradwife-Trends gibt es auch in Deutschland zu beobachten. Mitglieder der Identitären Bewegung propagieren auf den Sozialen Netzwerken ein traditionelles Frauenbild.
Die Frauen nehmen für sich in Anspruch, feministisch zu sein - sogenannter "choice feminism", also Wahl-Feminismus. Doch die vermeintlich freie Wahl der Frauen für diesen Lebensentwurf führe in der Konsequenz zu vollständiger Abhängigkeit vom Mann - und im Rentenalter durch die Erwerbslosigkeit zu Altersarmut.
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Wenngleich die Frauen nicht als "Muttchen mit geblümten Kostümen" auftreten würden, ginge es dort gleichermaßen darum, dass "eine bestimmte Form von weißer Vorherrschaft ("White Supremacy" in den USA) unverhohlen zum Ausdruck kommt" und ein Geschlechterarrangement mit klarer Dominanz und Unterordnung.
"White Supremacy" bedeutet übersetzt "Weiße Vorherrschaft". Laut Simon Wendt vom Institut für Amerikanistik geht es bei der Ideologie darum, dass eine Gruppe glaubt, es dürfe eigentlich nur Weiße an der Macht geben. Es gibt sogar die Idee, einen "Weißen Staat" zu schaffen und Minderheiten, speziell Afroamerikaner, entweder einzusperren oder irgendwo anders hinzubringen, so Wendt.
Auswirkungen auf Entscheidung der US-Wahl?
Frauen in pastellfarbenen geblümten Kleidern - hinter der hübschen Bürgerlichkeit verberge sich "eine ganz klar politische Message, die einen extremen Konservatismus durchtränkt mit rassistischen Mustern als Ideal verkörpert", so Lünenborg. In den USA sei der Tradwife-Trend kein neuer. Die erste große Welle an Videos sei im Kontext des Wahlkampfs von Donald Trump 2020 losgetreten worden. Die Tradwives stellten Rollenvorbilder der extremen Rechten dar.
Einige der Influencerinnen, wie Estee Williams, werben auf ihren Accounts damit, dass sie den Republikaner Donald Trump unterstützen und im November wählen werden.
Instagram-Post von Estee Williams
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Die Influencerinnen seien zudem extrem gut vernetzt, vermarkten sich gegenseitig. Das Pikante sei, dass diese Frauen, die erklären: 'Berufstätigkeit, das brauche ich gar nicht', ein Business aus ihren Accounts machen. Das sei ein perfider Widerspruch.
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Expertin: In Zeiten von mehrfachen verwobenen Krisen sehnen wir uns nach Einfachheit
"Je größer die Krisen sind, desto schöner möchte man das eigene Zuhause haben", sagt Lünenborg. "In Zeiten, in denen wir alle von Poly-Krisen an die Grenze der Überforderung gebracht werden, bringt so ein vermeintlich einfaches, unkompliziertes Lebensarrangement auch durchaus Verlockungen mit sich."
Auch wenn es beruhigend wirken könne, den Frauen beim aufwendigen Kochen und Dekorieren zuzusehen, sollte man nicht vergessen, dass Tradwives uns letztendlich nur neu und modern garniert servieren, was wir alle schon kennen - das Patriarchat.
Katharina Schuster ist Redakteurin im ZDF-Studio Washington D.C.
Quelle: ZDF
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