Todesstrafe in den USA: Protest gegen jahrelange Praxis

    Welttag gegen die Todesstrafe:Wieder mehr Hinrichtungen in US-Staaten

    Jean Dumler
    von Jean Dumler, New York
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    In den USA wurden 2024 bereits 19 Personen hingerichtet, weitere werden bis Ende des Jahres folgen. Mutmaßlich wurden in mehreren Fällen auch Unschuldige hingerichtet.

    Diakon Dave Billips vom Büro für Frieden und Gerechtigkeit der Erzdiözese St. Louis hält ein Schild in der Hand, während er mit Demonstranten zusammensteht, die die Hinrichtung von Marcellus Williams am Dienstag, den 24. September 2024, vor dem Carnahan-Gerichtsgebäude in St. Louis verhindern wollen.
    Kritik am Justizsystem: Nach der Hinrichtung von Marcellus Williams im September 2024 kam es zu Protesten.
    Quelle: AP

    Große Empörung löste erst kürzlich der Fall des Afroamerikaners Marcellus Williams aus. Er soll 1998 im Alter von 29 Jahren eine Zeitungsreporterin erstochen und ausgeraubt haben. Williams bestreitet die Tat, seine DNA wurde nie an der Mordwaffe gefunden. Dennoch wurde er Ende diesen Septembers hingerichtet.
    Mehrere Bundesstaaten im Süden und Mittleren Westen der USA kehren mit aller Härte zur Todesstrafe zurück. South Carolina hat im September nach 13 Jahren wieder mit Hinrichtungen begonnen. In Indiana gab es seit 2009 keine Hinrichtung mehr, die erste ist für diesen Dezember geplant. Ende September wurden in sechs Tagen in insgesamt fünf Bundesstaaten fünf Menschen hingerichtet. So häufig wurde die Todesstrafe in so kurzer Zeit laut dem Death Penalty Information Center seit 20 Jahren nicht mehr vollstreckt.
    Alabamas Kammer für Hinrichtungen mit tödlicher Injektion in der Holman Correctional Facility.
    Die Zahl der Hinrichtungen weltweit hat im vergangenen Jahr stark zugenommen. Laut Amnesty International gab es 2023 mindestens 1.153 Exekutionen - die höchste Zahl seit 2015.29.05.2024 | 0:24 min

    Neue Methoden für Hinrichtungen umstritten

    Lange Zeit hatten die Staaten Schwierigkeiten, Hinrichtungen durchzuführen. Die gängige Methode der Giftspritze konnte nicht mehr sicher angewendet werden, da mehrere europäische und amerikanische Pharmaunternehmen den US-Bundesstaaten die Verwendung ihrer Medikamente für Giftspritzen aus wirtschaftlichen und moralischen Gründen untersagt hatten. Nach Experimenten mit anderen Giftmischungen, die zu misslungenen Hinrichtungen führten, erwägt der Bundesstaat Idaho 2023 die Hinrichtung durch Erschießungskommandos.
    In diesem Jahr etabliert sich eine neue Gesichtsmaske, in die Stickstoff eingeleitet wird, um den Gefangenen zu ersticken. "Das ist ein beunruhigender Trend, nicht nur für jetzt, sondern auch für die Zukunft", sagt Justin Mazzola, stellvertretender Forschungsdirektor von Amnesty International USA gegenüber ZDFheute. Die Vereinten Nationen haben die Methode verurteilt, die Hinrichtung könnte gegen internationale Verträge zum Verbot von Folter verstoßen.

    Ich glaube, dass durch dieses Experimentieren immer mehr Menschen erkennen, dass die Todesstrafe mit vielen Fehlern behaftet ist.

    Justin Mazzola, Amnesty International USA

    Der Sinn der Todesstrafe sei für ihn nicht nachvollziehbar. Mazzola weist darauf hin, dass Staaten, die die Todesstrafe anwenden, häufig höhere Kriminalitätsraten aufweisen als Staaten, die auf die Todesstrafe verzichten. Dies widerlege das häufig von Politikern verwendete Argument, dass die Todesstrafe Verbrechen wirksam verhindere.
    Amnesty International
    Die "Verdreifachung der Hinrichtungen im letzten Jahr durch Saudi-Arabien" müsse von der Außenministerin angesprochen werden, fordert Julia Duchrow von Amnesty International.16.05.2023 | 5:17 min

    Kritik am Justizsystem

    Große Empörung in der Presse, als auch auf soziale Medien wie TikTok und Instagram löste der Fall des Afroamerikaners Marcellus Williams in Missouri aus. Er wurde Ende September hingerichtet, obwohl die Staatsanwälte, die ihn verurteilt hatten, Fehler in seinem Fall einräumten und sich für seine Freilassung aus der Todeszelle einsetzten.
    Auch das System, das die Todesstrafe stützt, sei fehlerhaft, so der Anwalt Steve Bright, der sich seit Jahrzehnten gegen die Todesstrafe einsetzt. Einer seiner Hauptkritikpunkte ist die Auswahl der Geschworenen. In vielen Staaten würden Menschen, die Bedenken gegen die Todesstrafe haben, aus dem Auswahlprozess ausgeschlossen.

    Wenn man Menschen ausschließt, die gegen die Todesstrafe sind, schließt man viele People of Color aus.

    Steve Bright, US-amerikanischer Anwalt

    Mehr Hinrichtungen 2023
    :Wie die USA mit der Todesstrafe ringen

    2023 wurden in den USA mehr Menschen hingerichtet als in den Jahren zuvor. Warum das Land es nicht schafft, die Todesstrafe abzuschaffen – obwohl die Mehrheit sie ablehnt.
    Anna Kleiser, Washington D.C.
    Todesstrafe in Alabama mit Stickstoff geplant
    Das führe zu Geschworenengerichten, die nicht repräsentativ für die Gesellschaft sind und eher dazu neigen, die Todesstrafe zu verhängen, so Bright.
    Ein weiteres Problem sei die Qualität der Rechtsvertretung. Laut Bright komme es vor allem in ärmeren Regionen vor, dass Anwälte ohne ausreichende Erfahrung oder Ressourcen die Verteidigung übernehmen. Dies führe zu unfairen Prozessen. Ein zentrales Problem für ihn ist auch die psychische Gesundheit vieler Verurteilter.

    Viele Menschen, die heute zum Tode verurteilt werden, sind psychisch krank und verstehen nicht, was in ihrem Fall vor sich geht.

    Steve Bright, US-amerikanischer Anwalt

    Todesstrafe in den USA

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    Hinrichtungen finden immer weniger Zustimmung

    Nur noch etwas mehr als die Hälfte der US-Bevölkerung hielt Hinrichtungen im Oktober 2023 für ein legitimes Mittel, vor 20 Jahren waren es noch 70 Prozent. Und auch wenn die Todesstrafe in den letzten Monaten in den republikanisch dominierten Südstaaten wieder auf dem Vormarsch ist, ist sie derzeit kein Wahlkampfthema.
    Kamala Harris war einst eine erklärte Befürworterin der Abschaffung der Todesstrafe - jetzt lehnt sie es ab, sich dazu zu äußern, und die Demokratische Partei hat die Thematik aus ihrem Wahlprogramm gestrichen. Donald Trump hat angedeutet, dass er die Todesstrafe auf Bundesebene mit noch größerem Elan als in seiner letzten Amtszeit weiterführen wird, sollte er die Wahl im November gewinnen. In den letzten Tagen seiner Präsidentschaft hat seine Regierung 13 Bundeshäftlinge hingerichtet, mehr als jeder andere Präsident in 120 Jahren.

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

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