Oppositionspolitikerin Timoschenko warnt Ukraines Präsident

    Interview

    Julia Timoschenko über Selenskyj:"Vielleicht ist der Präsident überlastet"

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    Oppositionspolitikerin Timoschenko warnt im ZDF-Interview Präsident Selenskyj davor, die Macht ungleich zu verteilen. Pluralismus müsse der Ukraine erhalten bleiben, auch im Krieg.

    Julia Timoschenko.
    Die ukrainische Oppositionspolitikerin Timoschenko spricht im auslandsjournal mit Katrin Eigendorf über den ukrainischen Präsidenten Selenskyj und den Machtkampf in der Ukraine.22.02.2024 | 3:04 min
    Julia Timoschenko ist eine der bekanntesten Oppositionspolitikerinnen der Ukraine und ehemalige Ministerpräsidentin. In ihrem Büro in Kiew trifft ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf die 63-Jährige und spricht mit ihr über die schwierige Lage des Landes.
    Kurz nach der Begrüßung, bevor das Interview beginnt, bedankt sich Timoschenko als erstes: "Danke, dass Sie weiter die Aufmerksamkeit auf die Ukraine richten. Damit die Menschen nicht vergessen, dass man kämpfen muss … bis zum Sieg." Die Wertschätzung internationaler, europäischer, vor allem auch der deutschen Hilfe, ist ihr wichtig. Verlässliche Partner seien in diesem Konflikt kriegsentscheidend. Doch wie sieht es innerhalb der Ukraine aus, wie geeint ist das Land?
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    ZDFheute: Reden Sie mit dem Präsidenten? Welches Verhältnis haben Sie zu Wolodymyr Selenskyj?
    Julia Timoschenko: Eine gute Frage, ja, gute Frage. Denn am ersten Tag des Krieges, sind ja wirklich alle gekommen, angeführt vom Präsidenten, alle Fraktionsführer, alle Machtzweige kamen zusammen. Wir waren uns einig, dass wir eins sind. Und dass wir als Team zusammenhalten. Nun, dann ist es leider irgendwie falsch gelaufen.

    Vielleicht war der Krieg daran schuld, vielleicht ist der Präsident überlastet.

    Julia Timoschenko, Oppositionspolitikerin

    ... ist eine ukrainische Politikerin und Vorsitzende der pro-europäischen, konservativen Partei Allukrainische Vereinigung Vaterland, auch genannt: "Batkiwschtschyna". Von Februar bis September 2005 und von Dezember 2007 bis März 2010 war sie Ministerpräsidentin der Ukraine.

    Von August 2011 bis zum Regierungsumsturz nach den Protesten des Euromaidans am 22. Februar 2014 war sie in Haft. 2013 rügte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Inhaftierung Timoschenkos als "willkürlich und rechtswidrig".

    Aber seitdem hat es zwischen dem Präsidenten und den Fraktionsführern, mit dem Parlament, praktisch kein Treffen gegeben.
    ZDFheute: Wir sehen jetzt, dass es einen Kampf um die Macht gibt. Was ist hier los?
    Timoschenko: Es gibt die Leute, die die Macht vertreten, und es gibt das ukrainische Volk. Das ukrainische Volk ist einig, strebt gemeinsam nach Sieg, Frieden und dem Schutz seiner Familien. Was die Machtkorridore betrifft: Nun, seien wir ehrlich, in politischen Kreisen gibt es immer Konkurrenz. Und diese Konkurrenz kann manchmal unangemessen sein, manchmal kann sie sogar Grenzen überschreiten, rote Linien.
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    ZDFheute: Was fordern Sie persönlich von Präsident Selenskyj?
    Timoschenko: Etwas, worüber ich nicht schweigen kann: Der Krieg zwingt den Präsidenten sicherlich dazu, die Macht zu konsolidieren, sie überschaubarer und klarer zu halten. Dabei darf er die Demokratie aber nicht abschaffen. Das darf nicht sein. Der Pluralismus muss bleiben.

    Demokratie, Pressefreiheit, alles, was für uns wertvoll war, was uns von Russland unterschied, all dies muss bewahrt und vermehrt werden.

    Julia Timoschenko, ehemalige Ministerpräsidentin

    Und heute möchte ich dem Präsidenten wirklich raten, darauf zu achten und nicht die Machtkonsolidierung mehr als nötig zu nutzen, die teilweise während des Krieges wirklich erforderlich ist. Vielleicht sind das die wichtigsten Ratschläge, die ich ihm geben möchte.
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    ZDFheute: Nach wie vor ist die Korruption ein großes Problem in der Ukraine. Wie stehen Sie dazu?
    Timoschenko: Wir erwarten, dass sehr ernsthaft gegen die Überreste der Korruption in allen Regierungssystemen vorgegangen wird. Es gibt diese Fälle, das müssen wir zugeben. Aber es ist wie Phantomschmerzen, wie Überreste dieses postsowjetischen Systems, es bricht immer noch durch, und das ist in der Ukraine sehr problematisch.
    Und genau das ist die Funktion und Rolle des Präsidenten - so zu handeln, dass die Regierung kristallklar, transparent und tadellos ist, was die Verwendung jedes Cents angeht, der heute in der Ukraine so schwer verdient wird. Auch die Cents, die in die Ukraine von all unseren Freunden auf der Welt kommen. Deshalb ist Ehrlichkeit bei der Verfügung über Finanzen heute sehr wichtig.
    Katrin Eigendorf ist ZDF-Reporterin und berichtet immer wieder auch aus der Ukraine. Das Interview führte sie Anfang Februar 2024.
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