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Interview
Anschlagsziel Popkonzert:Experte: Neue Terror-Generation durch TikTok
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Nach dem Anschlagsversuch auf ein Swift-Konzert ist die Verunsicherung groß. Warum der islamistische Terror wieder da ist und was TikTok damit zu tun hat, erklärt Experte Neumann.
Es seien "verschiedene Faktoren geopolitischer, demografischer Natur", die zusammenkämen und eine Radikalisierung junger Menschen vorantrieben, so Terrorismusexperte Peter Neumann.09.08.2024 | 4:22 min
ZDFheute: Ist die islamistische Terrorgefahr wieder da - oder war sie nie weg?
Peter Neumann: Ja, sowohl als auch. Sie ist einige Jahre deutlich, deutlich schwächer gewesen. Der IS wurde ja 2019 besiegt in seinem Stammland in Syrien und im Irak. Aber virtuell hat der IS niemals aufgehört. Und wir haben jetzt in den letzten zehn Monaten gesehen, dass sich die Zahl der Anschläge und Anschlagspläne vervierfacht hat gegenüber 2022. Also ein ganz, ganz deutlicher Anstieg gerade in den letzten zehn Monaten. Und das muss man ernst nehmen.
ZDFheute: Und wie erklären Sie sich diesen Anstieg?
Neumann: Ich denke, da kommen verschiedene Faktoren zusammen. Da wird eine ganz neue Generation gerade radikalisiert. Viele von denen, die in den letzten zehn Monaten verhaftet wurden - zwei Drittel, um genau zu sein - sind Teenager, manchmal ganz, ganz junge Teenager, 15, 14, 13 Jahre alt. Und auch heute haben wir ja wieder gesehen, wir hatten einen 19-Jährigen, einen 17-Jährigen und wahrscheinlich einen dritten Tatverdächtigen, der 15 Jahre alt ist.
Also verschiedene Faktoren geopolitischer, demografischer Natur, die da zusammenkommen und das produzieren, was wir heute gesehen haben.
In Wien sind drei Konzerte von US-Popstar Taylor Swift mit zehntausenden Besuchern wegen Terror-Gefahr abgesagt worden. Zwei junge Islamisten wurden festgenommen, einer gestand.08.08.2024 | 2:11 min
ZDFheute: Die sozialen Medien also als Treiber und als Katalysator für Gewalt?
Neumann: Das kann man durchaus so sagen, das hängt damit zusammen, dass es Plattformen gibt, wie zum Beispiel TikTok, die ganz, ganz junge Menschen ansprechen und die sehr stark algorithmisch getrieben sind. Das heißt, wenn Sie da einmal auf etwas klicken, was in diese Richtung geht, dann bekommen Sie nur noch Content, der in diese Richtung geht und das Netzwerk wird Ihnen noch dazu geliefert. Dann gibt es Plattformen wie Telegram, wo man operativ Dinge besprechen kann, die verschlüsselt sind, wo man weiß, da hört keiner mit und genau das scheint ja hier passiert zu sein.
ZDFheute: Ziel war ein Konzert von Taylor Swift in Wien. Mitte Juni konnte die Wiener Polizei offenbar einen geplanten Anschlag auf die Pride-Parade vereiteln. Haben islamistische Terroristen vor allem Wien im Blick oder steht Wien pars pro toto für ganz Europa?
Neumann: Also wir sehen diese versuchten Anschläge überall in Europa. Österreich ist natürlich eines der Ziele, aber auch Deutschland, Frankreich, Belgien, die Niederlande, überall dort sind in den letzten zehn Monaten gehäuft solche Anschlagsversuche unternommen worden. Und die Ziele sind oftmals eben solche Ausdrucksformen des freien Westens, Popkonzerte, die Pride-Parade - aber eben auch zum Beispiel Sportereignisse. Und deswegen sind das Ereignisse, Großveranstaltungen besonders, wo auch in Zukunft die Sicherheitsbehörden ganz besonders aufpassen müssen.
Nach einem Messerangriff bei einem Taylor-Swift-Tanzevent für Kinder sind in Southport drei Mädchen gestorben. Der mutmaßliche Täter wurde nach der Bluttat festgenommen.31.07.2024 | 0:38 min
ZDFheute: Sie haben es schon gesagt, das geplante Ziel war jetzt ja wieder ein Konzert, das war auch beim Bataclan 2015 der Fall und auch 2017 bei einem Konzert der Sängerin Ariane Grande in Manchester. Man fragt sich ja noch, warum immer wieder Konzerte, also Konzerte und Orte, wo getanzt wird, wo gefeiert wird und vor allem, wie bei Taylor Swift, wo vor allem auch viele Frauen sind.
Neumann: Sie haben absolut recht, 2015 Bataclan, das war ein Rock-Konzert. 2017 Ariana Grande in Manchester, dann natürlich dieses Jahr auch in Moskau, auch wieder ein Rock-Konzert. Die Dschihadisten sehen solche Konzerte als Ansammlungen von Ungläubigen. Und nicht nur Ansammlungen von Ungläubigen, sondern auch Orte, wo dieses "Ungläubigsein" im Prinzip praktiziert wird. Da mischen sich Geschlechter, da gibt es laute Musik und da passieren Dinge, wogegen die eigentlich total ideologisch stehen. Und das ist genau die Ideologie, die da zum Ausdruck kommt.
Das Interview führte heute journal update-Moderatorin Nazan Gökdemir.
Quelle: ZDF
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von Christian von Rechenberg