Südafrika vor der Wahl:Gewalt gegen Politiker an der Tagesordnung
von Verena Garrett
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Einschüchterungsversuche, Morddrohungen und Angriffe auf Politiker sind in Südafrika kurz vor den Wahlen am 29. Mai allgegenwärtig. Ein Betroffener berichtet.
In Südafrika steht die Wahl an. Die Menschen sind unzufrieden - und lassen diesen Frust in Form von Gewalt an Politikern ab.
Quelle: AP
In seinem Job brauche er eine dicke Haut, sagt Mpho Sesedinyane. Seit 18 Jahren engagiert er sich in der Politik, seit sechs Jahren ist er Gemeinderat im Township Soweto, südwestlich der südafrikanischen Metropole Johannesburg. Seine Partei: der African National Congress (ANC), die Regierungspartei Südafrikas.
Mpho Sesedinyane hat Morddrohungen erhalten. Er wurde mehrfach Opfer von Angriffen wütender Bürger, der letzte vor zwei Wochen: mehrere Männer drangen in sein Haus ein, zwangen ihn, sich auf einen Stuhl zu setzen. Er wurde gefesselt und als Geisel genommen. Die Täter machen ihn für die anhaltenden Stromausfälle in der Gegend verantwortlich und wollten eine Stromversorgung erzwingen.
Lokalpolitiker Mpho Sesedinyane wird von Menschen aus der Bevölkerung bedroht.
Quelle: ZDF
Wir wurden von 4 Uhr bis 10 Uhr in Geiselhaft genommen und wurden erst freigelassen, als es wieder Strom gab.
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Mpho Sesedinyane
Südafrika: Angriffe im Wahlkampf längst Alltag
Die Arbeitslosenquote in Südafrika liegt bei über 32 Prozent. Es gibt Probleme bei der Wasserversorgung, täglich fällt landesweit über mehrere Stunden der Strom aus, der staatliche Energieversorger Eskom kann den hohen Bedarf nicht decken. Die Stimmung in der Gesellschaft ist geprägt von Unzufriedenheit.
In Südafrika stehen am 29. Mai die Parlaments- und Provinzwahlen bevor und mit ihnen womöglich das Ende der absoluten Mehrheit für die Regierungspartei ANC. Dementsprechend aufgeheizt ist die Stimmung. Die Gewalt auf Kommunalpolitiker und Wahlkämpfer häuft sich, immer wieder kommt es zu gewalttätigen Übergriffen im ganzen Land bis hin zu Morden.
Das Problem der Gewalt gegen Politiker in Südafrika ist kein Neues: 54 Stadträte und über 100 Ratsmitglieder unterschiedlicher Stadtverwaltungen wurden seit dem Jahr 2000 bei gezielten politischen Morden im Land getötet.
Besonders betroffen: Politiker des regierenden ANC. Eine Partei, die von Korruption und Machtmissbrauch zerfressen ist. Lokale Medienberichte zeigen, dass die Schützen oft von Parteifreunden angeheuert werden, die Rivalen oder Nachfolger zum Schweigen bringen wollen.
Wut und Perspektivlosigkeit in der Gemeinde
Auch Lokalpolitiker Sesedinyane habe schon Schlimmeres erlebt, sagt er. An den ersten Angriff auf ihn und seine Familie erinnert er sich genau. Im Winter vor drei Jahren wurde er beim Verlassen seines Hauses abgefangen und schwer verprügelt. Seine Schwester war bei ihm, auch sie wurde attackiert - man brach ihr den Arm und mehrere Rippen, sie musste für mehrere Tage ins Krankenhaus. Sesedinyane's Haus wurde verwüstet. Es sei wie in einem Film gewesen, sagt er.
Die Situation war so schlimm, dass meine ganze Familie für einige Wochen an einem geheimen Ort untergebracht werden musste, bis sich das Ganze wieder beruhigt hatte.
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Mpho Sesedinyane, Kommunalpolitiker
Seitdem habe er keine Nacht mehr ruhig geschlafen. Aber er hätte eine Resilienz entwickelt: Er würde jeden Tag damit rechnen, dass wieder etwas passiert. Das hätte etwas mit ihm gemacht, sagt er.
Politiker werden zum Sündenbock
Der Grund für die Angriffe: angestaute Wut und Perspektivlosigkeit. Wie überall im Land, seien auch in seiner Gemeinde Stromausfälle und Wasserknappheit an der Tagesordnung. Als Gemeinderat sei er immer wieder der Überbringer schlechter Nachrichten. So würde er zum Sündenbock, sagt Mpho Sesedinyane. Er könne es sogar verstehen.
Die Gewalt gegen Politiker hat stark zugenommen. Die Arbeitslosigkeit ist so hoch, die Leute sind sehr frustriert. Und es fehlt an den einfachsten Dingen. In Soweto gab es in den letzten 5 Jahren in manchen Haushalten überhaupt keinen Strom. Darum hätte sich die Regierung kümmern müssen.
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Mpho Sesedinyane, Kommunalpolitiker
Die Täter kommen oft aus den eigenen Reihen, meint Sesedinyane: Es gebe einige Mitglieder seiner eigenen Partei, die die Gemeinde gegen ihn aufhetzen würden. Er pflegt engen Kontakt mit den Wählern, sie kennen sich. Dadurch fühle er sich sicherer.
Gegenstände aus Nelson Mandelas Nachlass sollen versteigert werden. Unter anderem die Südafrikanische Agentur für Kulturgüter will das verhindern. Ihr Vorstand erklärt, wieso.
Verena Garrett, Johannesburg
Halbherzige Strafverfolgung in Südafrika
Schon vor fünf Jahren wurde eine gerichtliche Untersuchung politisch motivierter Straftaten und Morde durchgeführt mit erschreckenden Ergebnissen. Geändert hat sich seitdem nichts. Bisher seien keine Abhilfemaßnahmen getroffen worden, sagen Beobachter. Denn einige politische Entscheidungsträger in Südafrika sollen angeblich Attentäter finanziert haben. Eine strafrechtliche Verfolgung also findet kaum statt.
Gewalt gegen Politiker hat selten Konsequenzen
Die, die überleben, schweigen fast immer und trauen sich nicht an die Öffentlichkeit. Die Familien der Verstorbenen ziehen aus Angst lieber um, als die Polizei zu unterstützen. Die Drahtzieher werden in den seltensten Fällen identifiziert und zur Rechenschaft gezogen. Viele kommen wohl aus den obersten Reihen.
Mpho Sesedinyane sagt, er sei sich bewusst, dass sein Beruf ihn zur Zielscheibe macht und es keinen wirklichen Schutz vor Angriffen gebe. Er will sich nicht einschüchtern lassen. Er ist entschlossen, weiter für seine Gemeinde einzustehen.
Verena Garrett ist Leiterin des ZDF-Studios in Johannesburg.
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