Sudan im Krieg: Humanitäre Krise auf dem Höhepunkt

    Analyse

    Sudan vor dem Kollaps :Vertreibung: Wo die weltgrößte Krise tobt

    von Golineh Atai und Amro Refai, Kairo
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    Der Sudan, drittgrößter Staat Afrikas, steht vor dem Zusammenbruch. Die Welt schaut zu. Auf ihrem Siegeszug durch das Land verüben vor allem die Paramilitärs Kriegsverbrechen.

    Civilians fleeing conflict in Sudan wait for asylum registration procedures at the United Nations High Commissioner, in Renk, South Sudan on December 18, 2023.
    Seit dem Militärputsch 2021 herrscht im Sudan Bürgerkrieg. Mehr als sieben Millionen Menschen sind auf der Flucht, Millionen Kinder müssen hungern.05.01.2024 | 1:52 min
    Seit Mitte April 2023 kämpfen im Sudan zwei Fraktionen des herrschenden Militärs gegeneinander: die Sudanesischen Streitkräfte (SAF) unter De-facto-Staatschef Abdel Fattah Burhan und die Rapid Support Forces (RSF) unter seinem bisherigen Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo, genannt Hemedti.
    Nabil Ahmad war Arztassistent im Militärkrankenhaus in Ardamata, im äußersten Westen Sudans. Bis RSF-Milizen das Krankenhaus einnahmen und Patienten töteten.

    Berichte von ethnischen Säuberungen im Sudan

    "Auf dem Weg ins Gefängnis sah ich Massengräber. Ich sah, wie die Milizen zwanzig, dreißig Männer in einen Graben warfen. Dann suchten sie welche aus, die die anderen lebendig begraben sollten. Am Ende erschossen sie die Ausführenden. Ich sah noch etwas. Vielleicht zwanzig Menschen am Straßenrand, die Hände am Rücken festgebunden - sie wurden vor meinen Augen erschossen." Bilder, die ihn nicht loslassen.
    brand in einer stadt
    General gegen General, Armee gegen Miliz – im Sudan wüten brutale Kämpfe, auch internationale Machtansprüche spielen eine Rolle. Die Bevölkerung leidet enorm.26.04.2023 | 6:26 min
    Er wurde von der RSF gefangen genommen, gefoltert, Tage später freigelassen - und floh in den benachbarten Tschad, wo er nun, nahe der Grenze zum Sudan, in einer selbstgebauten Grashütte lebt.
    Er ist einer von Hunderttausenden, die fliehen mussten, nachdem sie Zeugen von ethnischen Säuberungen geworden waren: Arabischstämmige Paramilitärs des Generals Hemedti töteten bei ihrem Siegeszug durch den Bundesstaat Darfur im November Hunderte afrikanischstämmige Zivilisten, plünderten Häuser, verbrannten Märkte, und vergewaltigten Frauen und Mädchen. Etliche Augenzeugenberichte und von den Milizen selbst gefilmte, im Internet vielfach auffindbare Szenen der Machtübernahme dokumentieren die Gräueltaten.

    UN: Die größte Vertreibungskrise der Welt

    Was im April 2023 in der Hauptstadt Khartoum als Machtkampf zwischen zwei Generälen begann, entwickelt sich zu einem Kampf gegen die Zivilbevölkerung - und zu einem Bürgerkrieg, der immer mehr entlang ethnischer Identitäten geführt wird. Berichte gehen von 12.000 Getöteten aus, die wirkliche Zahl dürfte weit höher liegen.
    Die medizinische Versorgung ist vielerorts zusammengebrochen und es droht eine Hungersnot, befürchten Experten. Denn die Kornkammer des Sudan - der Bundesstaat Jezira - wurde kürzlich von den Paramilitärs eingenommen, die Ernte kann nicht eingefahren werden. Hinzukommt, dass humanitäre Hilfe die Menschen nicht erreicht - obwohl mehr als die Hälfte der Bevölkerung, 25 Millionen, darauf angewiesen ist.
    Die UN sprechen von der größten Vertreibungskrise der Welt: Fast 7,5 Millionen Sudanesen sind auf der Flucht, die meisten im Land, mehr als anderthalb Millionen in den Nachbarländern. Viele Flüchtlinge wurden von den Milizen in der zweitgrößten Stadt Wad Madani abgefangen, verhört, geschlagen, ihr Hab und Gut gestohlen. Wer es nicht fort schaffte, lebt unter Besatzung und ist der Willkür der Milizen ausgeliefert.

    Stütze der Paramilitärs und die Rolle des Westens

    "Die Geschichte des Sudan zeigt, dass Kriege im Durchschnitt zwanzig Jahre dauern. Die Vereinigten Arabischen Emirate unterstützen Hemedti, den Chef der Paramilitärs. Sie liefern - das ist gut dokumentiert - Waffen an ihn. Zumindest beginnen die USA, die Emirate darauf anzusprechen und zu kritisieren", sagt Anette Hoffmann, Sudan-Forscherin am Clingendael-Institut. Insgesamt aber, so Hoffmann, reagiere der Westen zu wenig, zu langsam und zu unkoordiniert auf die Sudan-Krise.

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    FAQ
    In der EU und in den USA fehle eine Strategie, fehle Aufmerksamkeit und diplomatische Priorität. "Dabei steht die weltgrößte Vertreibungskrise doch eindeutig im Widerspruch zu unseren Interessen - die EU will doch die Migrationsströme in Subsahara-Afrika verringern und steuern. Jetzt riskieren wir mit unserem Nichteingreifen einen vollständigen Zusammenbruch des sudanesischen Staates. Das Chaos, das daraus entsteht, könnte ein Nährboden werden für organisierte Kriminalität und Terror, aus Somalia oder aus dem Sahel. Das kann nicht in unserem Interesse sein", warnt die Forscherin.

    Anhaltende Kämpfe
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