Krieg im Sudan:Gewalt und Hunger im Land der Vergessenen
von Golineh Atai
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Seit zwei Jahren zieht der Krieg zwischen Armee und RSF-Milizen das Land in den Abgrund. Kann die Rückeroberung der Hauptstadt durch die Armee ein Ende des Krieges bewirken?
Seit zwei Jahren wütet im Sudan ein Krieg. Armee und Milizen kämpfen gegeneinander, doch vor allem Zivilisten fallen der Gewalt zum Opfer.
Quelle: AFP
"Wir konnten uns nie vorstellen, dass friedliche, unbewaffnete Zivilisten zur Zielscheibe würden. Es war nie nur ein Krieg zwischen Armee und Milizen - es war vor allem ein Krieg gegen die Bürger", erzählt Hochschulprofessor Shawky Al-Mahy Abdulaziz gegenüber dem ZDF.
Der 47-Jährige war mit seiner Familie in den Osten Sudans geflohen, nachdem Milizen der sogenannten "Schnellen Eingreiftruppen" RSF seine Region eroberten. Sie raubten und plünderten, schlugen und terrorisierten auch Kinder und Frauen. Al-Mahy sagt, er habe massakerartige Fluchtszenen gesehen - und Flüchtende, die vor Hunger zusammenbrachen.
Im Westen des Sudans sollen bei einem Luftangriff der Armee auf einen Markt Hunderte getötet worden sein. Wegen den Kämpfen sind seit 2023 zwölf Millionen Menschen auf der Flucht.25.03.2025 | 0:15 min
Sudan: Zwischen Notstand und Stillstand
Ende Februar, als die Armee die Region Al-Dschazira südöstlich von Khartoum zurückerlangt hatte, kehrte die Familie zurück. Doch das Leben stehe still: Die wenigen Krankenhäuser funktionierten kaum, in seiner Region gebe es keinen Strom, nur eingeschränkt Wasser, kaum Medizin, keine Arbeitsmöglichkeiten, 90 Prozent der Schulen seien geschlossen.
Das Schwierigste aber, für die meisten: an Nahrungsmittel zu kommen. Ich rufe alle Hilfsorganisationen auf, hierher zu kommen und uns zu helfen!
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Shawky Al-Mahy Abdulaziz
Ein Appell, der auf taube Ohren stößt: Die Armee will das Ausmaß der Hungerkatastrophe im Land nicht veröffentlicht sehen, sie erschwert weitere Hilfslieferungen. Und die internationale Gemeinschaft will nicht mehr aufbringen - 2024 wurde der UN-Spendenaufruf für Sudan in Höhe von vier Milliarden US-Dollar nur zur Hälfte erfüllt. Die USA waren der größte humanitäre Unterstützer im Sudan. Donald Trumps Streichung von Hilfsgeldern habe verheerende Folgen, ist sich die Sudan-Forscherin Anette Hoffmann von der niederländischen Denkfabrik Clingendael sicher, allein schon wegen der ausbleibenden Impfungen. "Inzwischen besteht kein Zweifel mehr darüber, dass im Sudan eine Hungersnot von historischem Ausmaß tobt", sagt Hoffmann.
Obwohl Sudan das einzige Land ist, in dem eine Hungersnot ausgerufen wurde, kommt die Hilfe nicht in Gang.
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Anette Hoffmann, Denkfabrik Clingendael
Seit eineinhalb Jahren herrscht Krieg im Sudan. Fast eine Million Menschen haben im Nachbarland Südsudan Zuflucht gesucht – und leben dort unter katastrophalen Bedingungen. 18.12.2024 | 2:49 min
Nach den vorliegenden Daten befinden sich 8,5 Millionen Sudanesen in einer Hungersnot, während die Hälfte der Bevölkerung kurz vor dieser letzten Kategorie der internationalen Hungerskala steht.
Belege für Genozid im West-Sudan
Am schlimmsten sind Krieg und Hunger im West-Sudan - der fast gänzlich in der Hand der RSF-Milizen ist. Es gibt Belege, wonach diese einen Genozid an der einheimischen Bevölkerung verüben sollen. "Hier ist nichts. Kein Wasser. Keine Nahrungsmittel", erklärt der Kleinbauer Mohammad Al-Sayed, der in der von RSF-Milizen belagerten Stadt Al-Fasher lebt und im Krieg seinen Bruder und etliche Angehörige verloren hat - aber nicht die Mittel hatte, rechtzeitig zu fliehen.
Es ist nicht zu beschreiben. Und jede Minute stehen wir unter Beschuss. Wir können nicht raus.
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Mohammad Al-Sayed
Würde Al-Fasher an die RSF-Milizen fallen, könnte das eine Teilung des Landes in zwei Machtzonen, West und Ost, bewirken.
"Die Lage ist schlimmer als sie je zuvor im Sudan und in den meisten Staaten Afrikas war", so Volker Perthes, Politikwissenschaftler und ehemaliger UN-Sonderbeauftragter für Sudan.26.06.2024 | 4:51 min
"Keine der Kriegsparteien ist verhandlungsfähig"
Zuletzt machte Sudan Schlagzeilen, weil die Armee den Präsidentenpalast im Herzen der Hauptstadt zurückeroberte - und Hoffnung auf ein Ende des Krieges aufkam. Sudan-Expertin Hoffmann sieht keinen Silberstreif. Keine der Kriegsparteien sei verhandlungsbereit. Dass die Armee vermehrt islamistische Brigaden einsetze, die für Massaker an Zivilisten verantwortlich gemacht werden, sei Grund zur Sorge.
Sollte die Armee tatsächlich die RSF-Milizen militärisch besiegen - was ich für unmöglich halte, solange die Milizen weiterhin Waffen aus den Emiraten bekommen - ist an eine Rückkehr zu einer zivilen Bürgerregierung nicht zu denken.
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Anette Hoffmann, Denkfabrik Clingendael
"Vielmehr würde sich das alte islamistische Militärregime einrichten", sagt Hoffmann.
Die Regierungstruppen im Sudan haben nach eigenen Angaben den Präsidentenpalast von der RSF-Miliz zurückerobert. Es könnte ein Wendepunkt im Krieg sein.21.03.2025 | 2:28 min
Aufschrei Fehlanzeige
Internationale Vermittlung, Aufmerksamkeit, Aufschrei und Empörung - bei Sudan bleibt all das Fehlanzeige. Gäbe es für Donald Trump etwas zu gewinnen im Sudan, abgesehen von seinem Gesuch, dort Palästinenser aus dem Gazastreifen anzusiedeln? "Sollte Trump den Sudan entdecken, um die Einflusssphäre von China und Iran abzuwehren, könnte das eine engagiertere US-Politik bedeuten, analysiert Forscherin Hoffmann.
Allerdings: den Traum der Zivilgesellschaft von einer demokratischen zivilen Regierung würde er wohl kaum unterstützen.
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Anette Hoffmann, Denkfabrik Clingendael
Golineh Atai ist Leiterin des ZDF-Auslandsstudios Kairo.
Quelle: dpa
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