Stonewall-Uprising: Wie sicher sind LGBTQIA+-Rechte heute?
Queerfeindlichkeit in den USA:Wie sicher sind LGBTQIA+-Rechte heute?
von Céline Schuster, New York City
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Der Stonewall-Aufstand vor 55 Jahren gilt als Wendepunkt im Kampf der LGBTQIA+-Community um Gleichbehandlung und ihre Rechte. Wie bedroht sind diese heute?
Das Stonewall Inn galt als beliebter Queer-Treffpunkt in New York. 1969 wurde die Bar Schauplatz für Aufstände bei denen die LGBTQIA+-Community sich gegen polizeiliche Maßnahmen wehrte.
Quelle: dpa
Am 26. Juni 2015 legalisierte der Oberste Gerichtshof in allen 50 Bundesstaaten die gleichgeschlechtliche Ehe. Genau neun Jahre später geht Ernest Convento vor seinem Freund Jeremiah Selvey auf die Knie und fragt ihn: "Willst du mich heiraten?" Freudestrahlend willigt Selvey ein. Doch beide haben Angst, dass ihr Recht auf eine Ehe in Gefahr ist.
Der Begriff LGBTQIA+ steht für "Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer, Intersex and Asexual", auf deutsch "Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Transgender, Queer, Intersexuell und Asexuell". Das "+" steht für alle weiteren Identitäten. "Queer" wird oft als Sammelbegriff verwendet, für Personen, die sich jenseits von heteronormativen und Cis-Normen bewegen.
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Das Paar verlobt sich jedoch nicht nur an einem besonderen Datum, sondern auch an einem historischen Ort: Der Bar "Stonewall Inn" in der Christopher Street in New York City. "Ich wollte an einem Ort sein, an dem nicht nur die gleichgeschlechtliche Ehe gefeiert wird, sondern die gesamte Bewegung, die dazu geführt hat", erzählt Convento. "Und unsere Verlobung wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht etwas wie der Stonewall-Aufstand und so viele andere Dinge zu diesem Moment geführt hätten." Vor 55 Jahren, am 28. Juni 1969, kommt es zum "Stonewall Uprising", dem Stonewall-Aufstand.
New York City, 1969: Das Stonewall Inn in der Christopher Street war schon damals eine der beliebtesten queeren Bars der Stadt. Es kommt regelmäßig zu Razzien; Besucher*innen werden in Gewahrsam genommen, weil sie keine "geschlechtergerechte" Kleidung tragen - so auch in der Nacht auf den 28. Juni. Doch diesmal passiert etwas Ungewöhnliches: Die Gäst*innen leistet heftigen Widerstand. Viele davon sind Trans* Menschen.
Wer genau damit anfing, und wie, ist uneinheitlich überliefert. Fest steht: Innerhalb kurzer Zeit solidarisierte sich eine ganze Bar, eine ganze Straße, ein ganzes Viertel mit den Protestierenden und es kam zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Es folgten bis zu sechs Tage lang Aufstände - nicht zum ersten Mal, doch noch nie in diesem Ausmaß. Ein deutliches Signal: LGBTQIA+-Menschen lassen sich die diskriminierenden und repressiven Maßnahmen der Polizei nicht mehr gefallen.
Quelle: Amnesty International, Britannica, American University
Der Stonewall-Aufstand gilt als Beginn der modernen LGBTQIA+-Bewegung weltweit. Zum ersten Jahrestag der Unruhen fand 1970 in New York City der erste Pride-March statt. Auch in Deutschland gibt es jedes Jahr in Andenken an dieses Ereignis Paraden - am Christopher Street Day (CSD).
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Die Feierlichkeiten sollen Sichtbarkeit für die LGBTQIA+-Community schaffen, auf immer noch existierende Missstände aufmerksam machen und ihre bisherigen Errungenschaften würdigen. Dazu zählen:
1990: Die World Health Organization (WHO) sieht Homosexualität nicht länger als Krankheit an.
2003: Der Oberste Gerichtshof der USA hebt Sodomie-Gesetze auf und entkriminalisiert "homosexuelles" Verhalten. Außerdem verkündet er das Recht auf Privatsphäre.
2009: Präsident Barack Obama unterzeichnet den "Matthew Shepard Act". Es ist das erste Bundesgesetz, das rechtlichen Schutz für Transgender-Personen vorsieht. Außerdem erweitert es das US-Bundesgesetz über Hassverbrechen aus dem Jahr 1969: Dazu zählen nun auch Verbrechen, die durch die Geschlechtsidentität, tatsächliche oder vermeintliche sexuelle Orientierung oder Behinderung eines Opfers motiviert sind.
2012: Die Food and Drug Administration lässt Truvada als PrEP ((Präexpositionsprophylaxe) für HIV-gefährdete Personen zu. Dies ist das erste Medikament, das zur Verhinderung der Übertragung von HIV zugelassen wird.
2015: Die gleichgeschlechtliche Ehe wird in allen 50 Bundesstaaten und in Washington D.C., legalisiert.
2016: Das Center of Excellence for Transgender Health der UCSF veröffentlicht Leitlinien für die Gesundheitsversorgung von Transgender-Personen. Dieser Leitfaden wird von Personen aus dem Gesundheitswesen und aus der Wissenschaft besonders oft zitiert und herangezogen.
2020: Der Oberste Gerichtshof erweitert den Schutz für LGBTQ-Mitarbeiter*innen: Das Bürgerrechtsgesetz von 1964 sichert damit schwule, lesbische und transsexuelle Arbeitnehmer*innen vor Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ab.
Quelle: Gladstone Institutes, GLSEN
LGBTQIA+-Personen sind zunehmend bedroht
Doch LGBTQIA+-Personen und ihre Rechte sind aktuell gefährdet. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International ist besorgt über eine zunehmende Anzahl an Anti-Transgender-Gesetzesentwürfen sowie einer feindlichen Rhetorik von Politiker*innen in den USA. Dies führe zu gewalttätigen Angriffen und Drohungen gegen die LGBTQIA+-Community. "Das ist ein Backlash, der in unterschiedlicher Art in vielen Ländern voranschreitet. Was leider auch aus unserer Sicht ein verbindendes Element ist. Man kann es nicht nur auf eine Ursache begrenzen", sagt Rupert Haag. Er ist LGBTI-Experte bei Amnesty International in Deutschland.
Ein Beispiel: Florida. Dort wurde 2022 der "Don’t say Gay"-Gesetzentwurf unterzeichnet. Damit ist es im Unterricht bis zu dritten Klasse verboten, über sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität zu reden.
In der diesjährigen Legislaturperiode zählt die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) ingesamt 523 Anti-LGBTQ-Gesetzesentwürfe - besonders viele richten sich gegen Trans*-Jugendliche. Im Vergleich zu 2022 hat sich Anzahl fast verdreifacht.
Mögliche Trump-Regierung als Gefahr für die Queer-Community
Dem frisch verlobten Jeremiah Selvey macht genau das Angst - und, dass der Oberste Gerichtshof die gleichgeschlechtliche Ehe bald wieder abschaffen könnte.
Rupert Haag von Amnesty International bestätigt die Bedenken: "Wenn die neue Regierung eine Trump-Regierung wäre, wäre das für queere Rechte eine Katastrophe."
Auch in Deutschland veröffentlichten das Bundeskriminalamt und das Bundesinnenministerium Zahlen zu LGBTQIA+ feindlich motivierten Straf- und Gewalttaten: So stieg 2023 die Anzahl an Vorfällen gegen schwule, lesbische, bisexuelle und queere Personen um etwa 49 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Gegen trans*, nicht-binäre und intergeschlechtliche Personen gab es sogar etwa 105 Prozent mehr Vorfälle. Dabei können beide Bereiche jedoch auch Überschneidungen aufweisen.
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Der Kampf um queere Rechte geht weiter
Geoff Sweetland ist seit fünf Jahren Barkeeper im Stonewall Inn. Er lässt sich von den Statistiken nicht entmutigen, denn Fortschritt sei nicht linear:
Um den Tendenzen entgegenzuwirken, sieht Haag, Sprecher der Amnesty-Gruppe Queeramnesty, Bildungseinrichtungen und die Politik in der Pflicht. Es müsse mit entsprechenden Programmen dringend Aufklärungsarbeit geleistet werden. Mit Bildung könne man viel erreichen, zum Beispiel Vorurteile abbauen und sich Wissen aneignen. In New York City eröffnet deshalb am 28. Juni, zur Feier des 55. Jahrestags des Stonewall-Aufstands, das Stonewall National Monument Besucherzentrum in der Christopher Street in New York City. Es ist das erste nationale Denkmal in den USA, das der Geschichte und den Rechten von LGBTQIA+-Personen gewidmet ist.
Ernest Convento und sein Verlobter Jeremiah Selvey sind fest entschlossen, für ihre Rechte weiterhin zu kämpfen und zu heiraten. Gleichzeitig bangen sie genau darum: "Bitte lasst es nicht soweit kommen."
Wie ist es heute, queer zu sein? Und wie war es früher? Im Interview erzählen drei queere Menschen von ihren Erfahrungen - und wofür sie sich aktuell einsetzen.