Einfluss von Social Media: New York will Kinder schützen
Mehr Kontrolle für Eltern:Wie New York Social Media regulieren will
von Celine Schuster, New York City
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Die mentale Gesundheit von Kindern in den USA wird schlechter. Ein Grund: Social Media. New York erlässt ein neues Gesetz - und will Eltern mehr Einfluss geben. Eine gute Lösung?
Zu viel Handykonsum kann negative Folgen für die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen haben, vor allem Social Media birgt ein hohes Risiko. New York erlässt ein Gesetz zum Schutz.
Quelle: obs
"Junge Menschen im ganzen Land sind mit einer Krise der psychischen Gesundheit konfrontiert, die durch süchtig machende soziale Medien angeheizt wird", so die Gouverneurin des amerikanischen Bundesstaates New York, Kathy Hochul. Mit einem neuen Gesetz sollen Minderjährige jetzt besser geschützt werden.
Der Sonderbericht des Gesundheitsamts von New York City über Soziale Medien und Psychische Gesundheit bestätigt dies. Demnach würden vier Prozent mehr Kinder, die soziale Netzwerke nutzen, Ängste haben als Kinder, die das nicht tun. Bei Jugendlichen sei der Unterschied noch größer: 18 Prozent mehr leiden unter Ängsten und zehn Prozent mehr leiden unter Depressionen im Vergleich zu denjenigen, die keine sozialen Medien nutzen.
Künftig sind Social Media-Unternehmen in New York dazu verpflichtet, "süchtig machende Feeds" für Minderjährige zu beschränken. Das heißt: Kindern sollen solche Feeds nicht mehr ausgespielt werden - außer die Eltern stimmen explizit zu.
Soziale Netzwerke: Suchtgefahr durch Algorithmus
Der demokratische Staatssenator Andrew Gounardes ist einer der Befürworter des Gesetzes. Er definiert "süchtig machende Feeds" folgendermaßen: "Es handelt sich um einen algorithmischen Feed, der darauf basiert, wonach Sie gesucht, was Sie angeklickt und kommentiert haben und was in Ihrem Profil steht."
Der Algorithmus würde dann extreme Inhalte zeigen - das führe, psychologisch gesehen, dazu, weiter zu scrollen. Es gehe also darum, die unendlichen Vorschläge des Algorithmus zu unterbrechen:
Politiker Gounardes geht davon aus, dass diese Unterbrechung dazu führt, dass die Minderjährigen "von vornherein viel weniger schädlichen Inhalten ausgesetzt" sind. Die Nutzer*innen können jedoch weiterhin explizit nach anderen Menschen und Themen suchen, die sie interessieren. Neben der Einschränkung der Vorschläge verbietet das Gesetz Benachrichtigungen an Minderjährigen zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens.
Jugendliche sollen künftig auf Social-Media-Kanälen besser geschützt werden, das jedenfalls plant der Staat New York. Ein entsprechendes Gesetz soll noch diese Woche kommen.
Social Media-Gesetz stößt auf Kritik
Wie das Gesetz jedoch umgesetzt werden soll, ist offen. Die konkreten Methoden - etwa, um das Alter zu verifizieren - müssen erst noch festgelegt werden. Kritiker*innen sorgen sich um die Privatsphäre: "Das Problem ist, dass dieser Gesetzesentwurf von Social Media-Unternehmen verlangt, dass sie 'wirtschaftlich angemessene Anstrengungen unternehmen, um das Alter zu bestimmen’", so David Siffert. Was das in diesem Gesetzentwurf bedeute, ist Siffert zufolge ziemlich vage.
Er ist der juristische Direktor des Surveillance Technology Oversight Projects. Das ist eine Tech-Watchdog-Gruppe und Non-Profit-Organisation, die sich für die Belange der Bürger einsetzt und Rechtsberatung anbietet.
Das würde alle betreffen, da man herausfinden müsse, wer ein Erwachsener ist und wer nicht. Für Siffert bedeutet das vor allem eines:
Senator Gounardes entgegnet auf diesen Vorwurf: "Nur weil das Programm Ihr Alter kennt, kennt es nicht unbedingt Ihren Namen, wodurch Sie immer noch anonym bleiben. Man kann immer noch einen beliebigen Benutzernamen haben."
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Nötige Zustimmung der Eltern kann ein Problem sein
Darüber hinaus sei die nötige Zustimmung der Eltern problematisch. "Für emanzipierte 16- bis 17-Jährige, die vielleicht auf dem College sind, die vielleicht misshandelnde Eltern haben, die vielleicht homophobe Eltern haben", so Datenschutz-Experte Siffert. Es gäbe im Gesetzesentwurf nämlich eine unklare Abgrenzung von Sozialen Medien.
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Breit gesehen könnten dazu beispielsweise auch Blogs und Websites mit algorithmischen Kommentarspalten zählen, wie "Trevor Space": Ein internationales soziales Netzwerk für junge LGBTQ-Personen zwischen 13 und 24 Jahren. Entwickelt wurde es vom Trevor Project, einer Non-Profit-Organisation, die US-weit Krisen- und Suizidtelefonseelsorge für genau diese Community macht, "Wenn ein 17-jähriger Teenager mit anderen queeren Jugendlichen in Kontakt treten möchte und homophobe Eltern hat, dann verlangen wir vom Trevor Project, dass es diesen Jugendlichen bei seinen Eltern outet", erklärt Siffert.
Siffert befürchtet, dass es auf zwei Dinge hinausläuft:
Letztendlich würden die "süchtig machenden" Feeds weiterhin einfach ausgespielt werden "und die Ausnahmen werden missbräuchliche und homophobe Eltern sein, die sich darüber aufregen, dass ihre Kinder auf bestimmten Websites sind", so Siffert.
Handysucht: Mit chronologischen Feeds vorbeugen
Sein Vorschlag: Unternehmen sollen ihre Inhalte standardmäßig auf nicht-algorithmische Weise zeigen: "Chronologisch. Das würde den Gesetzesentwurf stärken und außerdem Kinder und die Privatsphäre von allen nicht gefährden." Das würde also eine Rückkehr zu Feeds bedeuten, wie Instagram und Co. sie in ihrer Anfangszeit für alle hatten.
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New Yorks Generalstaatsanwältin Letitia James sieht in dem Gesetz jedoch einen wichtigen Schritt. Es werde "New York zum nationalen Vorreiter bei der Bewältigung der Krise der psychischen Gesundheit von Jugendlichen machen und anderen Bundesstaaten als Beispiel dienen."
Die Generalstaatsanwältin und ihr Büro arbeiten nun Regeln und Richtlinien aus. Sobald diese feststehen, tritt das neue Gesetz 180 Tage später in Kraft. Laut Staatssenator Gounardes soll es bis dahin auch einen Fahrplan geben, wie jede einzelne App den Anforderungen des Gesetzes nachkommen kann. Wenn die Unternehmen sich nicht an die neuen Regeln halten, kann es unter anderem Strafen von bis zu 5.000 Dollar pro Verstoß geben.
Celine Schuster arbeitet im ZDF-Studio New York City.