Slowakei: Welche Folgen hat das Attentat auf Fico?
Analyse
Slowakei vor schwierigen Zeiten:Welche Folgen hat das Attentat auf Fico?
von Christian von Rechenberg
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Nach den Schüssen auf den slowakischen Premier Fico ist die Stimmung in dem polarisierten Land brisant. Vieles hängt jetzt davon ab, wie die Regierung auf die Situation reagiert.
Vor dem Regierungspalast in der slowakischen Hauptstadt Bratislava hat sich eine kleine Gruppe Menschen versammelt. Sie reden, telefonieren, einer trägt eine slowakische Fahne. Zu Hause haben sie es nicht mehr ausgehalten, sie wollen sich austauschen und ihre Sorge teilen, wie es mit ihrem Land nun weitergeht.
Meiner Meinung nach ist die Atmosphäre schrecklich aufgeheizt. Die Leute sind aufgehetzt - auch von den politischen Eliten.
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Milan, Demonstrant
"Ich denke, jeder sollte sich künftig bewusst machen, ob er Hass unter den Bürgern der Slowakischen Republik verbreitet oder nicht", sagt Vladislav.
Serie von Gewalt
Die Sorgen sind berechtigt, denn die Slowakei blickt auf eine ganze Serie von erschütternden Ereignissen zurück, die häufig in Verbindung mit dem linkspopulistischen Regierungschef Robert Fico und seiner Smer-Partei standen:
Im Februar 2018 wurden der damals 27 Jahre alte Journalist Ján Kuciak und seine Verlobte vor ihrem Haus erschossen. Kuciak war Investigativ-Journalist und recherchierte zu kriminellen Verbindungen zwischen Ficos Partei und der Wirtschaft. Im Oktober 2022 erschoss ein rechtsradikaler junger Mann vor einem Club in Bratislava zwei homosexuelle Männer. Fico und seine Partei hetzten schon damals heftig gegen sexuelle Minderheiten.
Schläge und Todesdrohungen
Im Wahlkampf prügelten sich der konservativ-populistische Ex-Ministerpräsident Igor Matovic und der Ex-Innenminister Robert Kalinak. Premier Fico machte Kalinak später ungerührt zu seinem Verteidigungsminister.
Auch die beim Volk beliebte Staatspräsidentin Zuzana Čaputová wird Ziel von verbalen Attacken aus Ficos Reihen. Sie erhält Schmähbriefe und Todesdrohungen. Als Fico sie "eine Hure Amerikas" nannte, zog sie vor Gericht. Gegenüber Autokraten wie Viktor Orbán und Diktatoren wie Wladimir Putin hingegen geriert sich Fico als freundlich und jovial. Milan Nič von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik sagt:
Nun kommt noch dieser Angriff obendrauf, auf eine aggressive Politik und Hass, der dort gesät wurde.
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Milan Nič, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik
Für den Politikexperten Nič ist es derzeit noch zu früh, vorherzusehen, wie die regierende Koalition und darin Ficos mächtige Smer-Partei auf den Angriff reagieren werden. Es liege in der Hand der Politiker beider Lager und Personen aus der Zivilgesellschaft, ob es zu noch mehr Polarisation komme, oder "ob dieser Angriff einen Wendepunkt darstellt, der das Land von einer Klippe wegzieht."
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Nach Letzterem sieht es eher nicht aus. Bereits nach dem Attentat, als es kaum Informationen über das Motiv gab, machte ein Abgeordneter der Fico-Partei Opposition und Medien für den Angriff verantwortlich. Heute legte der Finanzminister auf der Sitzung des Sicherheitsrats nach:
Wir haben die Ergebnisse dessen, was hier in den letzten Monaten passiert ist. Das hier ist das Ergebnis der Hetzjagd auf Robert Fico.
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Ladislav Kamenický, Finanzminister der Slowakei
Und während die Ärzte unmittelbar nach dem Angriff noch um Ficos Leben kämpften, mutmaßte der Innenminister bei einer improvisierten Pressekonferenz im Krankenhaus bereits über das Motiv des Täters.
Die ersten Informationen, die uns vorliegen, deuten auf eine klare politische Motivation hin und darauf, dass die Entscheidung kurz nach der Präsidentschaftswahl getroffen wurde.
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Matúš Šutaj Eštok, slowakischer Innenminister
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Kann es sein, dass Ficos Smer-Partei das Attentat jetzt politisch ausnutzen will? Um politischen Schaden muss sie sich, so Politikexperte Nič, nicht sorgen: Sie sei in einem stabilen Zustand, hatte bei der letzten Wahl viele Stimmen vom extremistischen Rand abgefischt. Nič erwartet daher keinen "extremistischen Schub" in der Slowakei, dafür einen Schub für Fake-News und Verschwörungstheorien. Auch Russland, so Nič, würde in einer möglichen Desinformationskampagne mitmischen.
Die Sorgen der Menschen vor dem Regierungspalast in Bratislava könnten sich bestätigen. Der Slowakei stehen womöglich politisch brisante und unruhige Zeiten bevor.
Christian von Rechenberg ist Korrespondent im ZDF-Studio Wien.
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