Nach Solingen: So will die Ampel das Land sicherer machen

    "Sicherheitspaket" vorgestellt:So will die Ampel Deutschland sicherer machen

    von Daniel Heymann
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    Die Bundesregierung zieht Konsequenzen aus dem Anschlag von Solingen. Der Fokus liegt auf dem Waffen- und Asylrecht. Was die Regierung plant und wie realistisch die Umsetzung ist.

    Nancy Faeser (SPD, M), Bundesministerin für Inneres und Heimat, Marco Buschmann (FDP), Bundesminister der Justiz, und Anja Hajduk (Bündnis 90/Die Grünen), Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, unterhalten sich nach der Vorstellung eines Sicherheitspakets nach der Messerattacke von Solingen.
    Die Bundesregierung will unter anderem Messerverbote ausweiten.29.08.2024 | 1:46 min
    "Sinnvoll und nützlich" - so beschreibt Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) das von der Bundesregierung beschlossene "Sicherheitspaket", das er heute Nachmittag mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und der Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium Anja Hajduk (Grüne) auf einer gemeinsamen Pressekonferenz vorgestellt hat.
    Mit welchen Maßnahmen die Ampel die innere Sicherheit in Deutschland erhöhen möchte und wie die rechtlichen Chancen auf eine Umsetzung stehen:

    Waffenrecht: Starke Einschränkungen bei Messern

    Die Bundesregierung will das Waffenrecht deutlich verschärfen - vor allem, um Gewalttaten mit Messern besser begegnen zu können. Erster Schritt dazu ist ein vollständiges Verbot von Springmessern mit Ausnahmen für Handwerker und Jäger.
    Dazu soll auf Bundesebene ein absolutes Verbot von Messern bei Großveranstaltungen wie Volksfesten oder Sportereignissen sowie in öffentlichen Verkehrsmitteln kommen. Weiterhin sollen die Bundesländer ermächtigt werden, solche umfassenden Verbote an "kriminalitätsbelasteten Orten", zum Beispiel Bahnhöfen, einzuführen.
    TN: Was bringen Messerverbote?
    Laut Statistik steigt die Zahl der Messerangriffe. Innenministerin Faeser will deshalb den Umgang mit Messern einschränken. Mehr als Symbolpolitik? 12.08.2024 | 29:43 min
    All diese Maßnahmen lassen sich durch Änderungen des Waffengesetzes mit einfacher Mehrheit erreichen. Eine schnelle Umsetzung ist also realistisch. Mit Blick auf die in Deutschland im letzten Jahr gestiegene Messerkriminalität erscheinen die Vorschläge plausibel - zumal insbesondere Attentäter wie im Fall Solingen von Organisationen wie dem IS inzwischen gezielt aufgefordert werden, Messer zu verwenden, und im Internet Anleitungen zu ihrem möglichst gefährlichen Einsatz erhalten.

    Polizeirecht: Anlasslose Kontrollen kommen

    Justizminister Buschmann hat auf der Pressekonferenz selbst eingeräumt, dass Terroristen sich von Messerverboten nicht abhalten lassen werden. Unter anderem deshalb plant die Regierung eine Ausweitung der Befugnisse der Bundespolizei. Konnte sie bislang nur bei bestimmten Verdachtsmomenten Personenkontrollen durchführen, soll dies in Zukunft - in Stichproben - anlasslos möglich sein.
    Die dafür erforderliche Änderung des Bundespolizeigesetzes kann ebenfalls mit einfacher Mehrheit schnell vollzogen werden. Allerdings ist Polizeirecht im Grundsatz Ländersache, die Bundespolizei hat begrenzte Zuständigkeiten, etwa für Bahnhöfe oder den Grenzschutz. Ob die Landespolizeigesetze ebenfalls geändert werden, bleibt abzuwarten.
    Berlin-Korrespondent Wulf Schmiese im Gespräch mit Moderator Mitri Sirin.
    Nach der tödlichen Messerattacke in Solingen legt die Ampel ein umfangreiches Maßnahmenpaket gegen islamistischen Terror vor. Warum ging das so schnell? Wulf Schmiese in Berlin.29.08.2024 | 1:22 min
    Innenministerin Faeser hat zudem angekündigt, die Polizei solle künftig öffentlich zugängliche Bilder, zum Beispiel in sozialen Medien, mit biometrischen Daten abgleichen können. Dieser Punkt ist mit Blick auf Persönlichkeitsrechte und Datenschutz zumindest heikel: Solche Kontrollen sind nicht anlasslos möglich, darüber hinaus muss die Löschung der erhobenen Daten gewährleistet werden.

    Asyl- und Aufenthaltsrecht: Generelle Verschärfung

    Im Bereich des Asyl- und Aufenthaltsrechts wurde eine Vielzahl verschiedener Maßnahmen vorgestellt: Zur effektiveren Durchführung von Abschiebungen soll vor allem ein besonderes Ausweisungsinteresse bei Straftaten mit Messern, auch bei Jugendlichen, dienen. Zudem sollen Schutzsuchende, die ohne zwingenden Grund in ihr Heimatland zurückkehren, beispielsweise für Urlaubsreisen, ihren Schutzstatus verlieren. Diese Vorschläge lassen sich durch Änderungen des Aufenthalts- und des Asylgesetzes relativ einfach umsetzen.
    Abschiebungen: "Ungelöstes Problem" in Europa
    In Brüssel sei man sich einig darüber, dass es in der Asyldebatte nun "europäische Lösungen" brauche und "keine nationalen Alleingänge", so ZDF-Korrespondentin Isabelle Schaefers.28.08.2024 | 2:18 min
    Abschiebungen sollen laut Buschmann zumindest bei Kriminellen und Gefährdern künftig auch nach Syrien und Afghanistan stattfinden. Aus juristischer Perspektive erscheint dies gerade nach einem aktuellen Urteil des Oberverwaltungsgerichts NRW durchaus denkbar, jedoch bestehen hier erhebliche praktische Probleme.
    Die Bundesregierung unterhält aktuell keine Gesprächskanäle in beide Länder. Man müsste also entweder Verhandlungen mit Baschar al-Assad und den Taliban aufnehmen oder durch entsprechende Abkommen Abschiebungen über Nachbarstaaten, etwa Pakistan, ermöglichen. Beides dürfte jedenfalls nicht schnell umsetzbar sein
    Thorsten Frei  CDU | Erster Parlamentarischer Geschäftsführer Unionsfraktion
    Die CDU begrüßte Ende Juli das "Syrien-Urteil" des Oberverwaltungsgerichts NRW.25.07.2024 | 5:23 min
    Die Bundesregierung will außerdem mehr Rückführungen nach der Dublin-III-Verordnung, also in andere EU-Staaten, erreichen. An dieser Stelle steht indes weniger das Recht im Weg, als vielmehr die tatsächliche Umsetzung auf Verwaltungsebene - so wie auch im Fall Solingen. Allerdings will Faeser in Dublin-Fällen den Bezug von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ausschließen, um den Ausreisedruck zu erhöhen.
    Hier kommt es auf die konkrete Ausgestaltung an: Die Innenministerin hat selbst betont, in Deutschland werde niemand verhungern oder auf der Straße schlafen. Das wäre nämlich mit der Menschenwürde und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unvereinbar. Vor diesem Hintergrund sind zwar Leistungskürzungen denkbar, ein vollständiger Ausschluss erscheint dagegen rechtlich fragwürdig.

    Maßnahmen gegen Islamismus: Vereinsverbote und Prävention

    Gegen islamistischen Terrorismus will die Bundesregierung unter anderem mit Vereinsverboten wie zuletzt beim Islamischen Zentrum Hamburg vorgehen. Hierzu bietet das Vereinsgesetz bereits jetzt eine ausreichende Rechtsgrundlage. Daneben soll vor allem die Präventionsarbeit durch Einsetzung einer Task-Force und den Ausbau bestehender Projekte gestärkt werden.
    Polizisten vor der "Blauen Moschee" in Hamburg
    Das Bundesinnenministerium hatte Ende Juli das Islamische Zentrum Hamburg verboten.24.07.2024 | 4:09 min
    Vorsorge ist aus rechtlicher und praktischer Sicht immer und ohne Weiteres möglich - und langfristig vielleicht der effektivste Weg. Eine knappe Woche nach dem Anschlag in Solingen will die Bundesregierung mit ihrem breiten Maßnahmenpaket aber auch kurzfristige Handlungsfähigkeit beweisen, um die innere Sicherheit im Land zu schützen.
    Daniel Heymann ist Redakteur in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.

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