Harris ist Selenskyjs beste Hoffnung im Ukraine-Krieg
Analyse
Treffen zum Krieg in der Ukraine:Harris ist Selenskyjs beste Hoffnung
von Elmar Theveßen, Washington
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Eine Woche lang hat Selenskyj bei den UN und in Washington für seinen "Siegesplan" geworben. Er weiß, dass die Zeit knapp wird und alles davon abhängt, wer die US-Wahlen gewinnt.
Für den ukrainischen Präsidenten ein Erfolg: US-Vizepräsidentin Kamala Harris kam mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zusammen.
Quelle: dpa
Zwei Rednerpulte nebeneinander, dahinter zwei amerikanische und zwei ukrainische Flaggen: Das war die Bühne für die wohl wichtigste Begegnung für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bei seiner USA-Reise. Denn nur wenn Kamala Harris die Präsidentschaftswahl gewinnt, gibt es noch eine Chance für die Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine. Aber Harris müsste auch wollen, und deshalb war dieses Treffen im Eisenhower-Building, dem Sitz der amerikanischen Vizepräsidentin, so entscheidend.
Klares Ukraine-Bekenntnis von Harris
Besser hätte es dann kaum laufen können. Denn Harris fand gleich zum Auftakt der Begegnung deutliche Worte "Es gibt einige in meinem Land, die die Ukraine lieber zwingen wollen, große Teile ihres souveränen Staatsgebiets abzugeben. Die fordern würden, dass die Ukraine einen Neutralitätsstatus annimmt und auf Sicherheitspartnerschaften mit anderen Staaten verzichtet."
Jeder wusste gleich, dass Harris damit vor allem Donald Trump meinte, und all jene in seiner Partei, die den Krieg lieber heute als morgen mit einem trumpschen Deal beenden würden. Harris Ton wurde noch schärfer:
Selenskyj wird erleichtert sein über diese Klarheit. Aber wenn Harris verliert, Trump gewinnt, dann war's das für die Ukraine. Selbst die fast acht Milliarden Dollar an Militärhilfen, die Joe Biden seinem ukrainischen Kollegen am Donnerstag bis zum Ablauf seiner Amtszeit noch zusagte, würden daran nicht viel ändern.
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Von Donald Trump, mit dem sich der ukrainische Präsident an diesem Freitag trifft, hat er keine Hilfe zu erwarten. Erst kürzlich meinte Trump, man "gebe viele Milliarden an einen, der sich weigert, einen Deal zu machen."
Studie: Wenig Bewegung im Ukraine-Krieg
Außerdem bewegt sich auf dem Schlachtfeld fast nichts mehr, wie eine gemeinsame Analyse des Instituts für Kriegsstudien und des American Enterprise Institutes zeigt. Demnach hält Russland mit seinen Invasionstruppen seit 2022 um die 25.000 Quadratmeilen ukrainischen Bodens.
Dazu kommen die 20.000 Quadratmeilen der Krim und der schon früher eroberten Ost-Donbass-Region. In den letzten zwei Jahren hat sich diese Besatzungszone um maximal ein Prozent verändert. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass absehbar keine Seite entscheidende Geländegewinne machen wird - weder bei der Eroberung noch der Rückeroberung von Gebieten. Auch die rund 500 Quadratkilometer russischen Territoriums, das ukrainische Truppen besetzt haben, wird daran nichts ändern.
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Mit anderen Worten: Es braucht einen Gamechanger, um die Worte wahr zu machen, die Joe Biden beim Treffen mit Selenskyj im Weißen Haus gebetsmühlenartig wiederholte:
"Wir müssen gewinnen, wir werden gewinnen", pflichtete Selenskyj ihm bei.
Selenskyjs Enttäuschungen
Dabei hatte er sich mehr erwartet, eben jenen einzig möglichen Gamechanger in diesem Konflikt: Das grüne Licht für die Ukraine, mit westlichen Waffen und Flugzeugen auch Ziele in Russland anzugreifen. Genau das braucht es, damit Selenskyjs Siegesplan überhaupt eine Chance hat. Nur so würde wohl der notwendige Druck entstehen, der Wladimir Putin zur Aufgabe seiner Maximalforderungen bewegen könnte.
Es nähert sich der Zeitpunkt, an dem alle - auch und gerade die europäischen Verbündeten der USA - endlich Farbe bekennen müssen. Wollen sie wirklich einen Sieg der Ukraine? Der ukrainische Präsident hat in diesen Tagen vor den Vereinten Nationen, im amerikanischen Kongress und im Weißen Haus alles getan, dass es in den nächsten Wochen zum Schwur kommt.
Ukrainegipfel vor der US-Wahl - schwieriger Zeitpunkt
Der Ukrainegipfel, zu dem Biden im Oktober auf die amerikanischen Luftwaffenbasis Ramstein in Deutschland einlädt, kommt allerdings einen Monat zu früh. Denn selbst der US-Präsident kann und wird den Wunsch Selenskyjs nicht erfüllen, solange er nicht verlässlich weiß, dass Harris die Wahl gewonnen hat und dass sie der Ukraine wirklich zum Sieg über Russland verhelfen will. Auch die Europäer werden sich nicht vorher festlegen.
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Wenn Trump die Wahl gewinnt, wird Joe Biden nicht in seinen letzten Amtswochen noch Fakten schaffen und durch die Lieferung von weitreichenden Waffensystemen Amerika in ein Abenteuer verwickeln, das nur gelingen kann, wenn es Kontinuität im Weißen Haus gibt.
Es hängt am Wahlsieg Harris'
Wenn Harris aber die Wahl für sich entscheidet, dann könnten der alte Präsident und seine Nachfolgerin Selenskyj freie Hand geben und von den europäischen Verbündeten verlangen, ebenfalls entschlossener die territoriale Integrität der Ukraine durchzusetzen.
Deshalb war der Termin mit Kamala Harris so entscheidend: "Wenn wir Aggressoren wie Putin erlauben, sich ungestraft Land zu nehmen, dann machen sie weiter", sagte Harris. Klare Worte, die zu Taten verpflichten, wenn man Gelegenheit bekommt, sie umzusetzen.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.