Thema bei Sicherheitskonferenz:Krisenherd Sahel: Europa und USA im Dilemma
von Susann von Lojewski
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Afrika erlebt eine beispiellose Putsch-Serie. Besonders betroffen: der Westen des Kontinents. Die USA und Europa befinden sich in einem politischen Dilemma.
Proteste in Senegals Hauptstadt Dakar im Februar
Quelle: Reuters/Zohra Bensemra
Der Senegal war bisher ein friedliches, demokratisch regiertes Land - jetzt befindet es sich in einer Verfassungskrise. Die Wahlen wurden um zehn Monate verschoben, im ganzen Land kam es zu Demonstrationen, es gab Tote und Verletzte.
Droht dem Senegal auch ein Putsch?
"Das ist eine schreckliche Botschaft an die gesamte Region", sagt Vincent Foucher, Westafrika-Experte der International Crisis Group. "Regeln, Institutionen und Verfassungen spielen keine Rolle. Es geht nur um die Macht. Der Senegal hatte früher eine große moralische Autorität." Jetzt fehlt eine Art Kompass in der Region.
Diese Krise aber gibt allen Anführern den Freifahrtsschein, die auf die eine oder andere Weise Regeln missbrauchen wollen.
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Vincent Foucher, Westafrika-Experte
Beobachter hoffen, dass nun im Dezember tatsächlich gewählt wird, doch sicher sind sie sich nicht. Und einige fürchten, dass der Senegal die gleiche Entwicklung nehmen könnte wie Länder in der Nachbarschaft.
Immer wieder Putsche in der Sahelzone
Seit drei Jahren kommt es in der Sahelzone zu einer wahren Putsch-Serie: in Mali, Burkina Faso, dem Tschad, Niger und dem Sudan. Die Region kommt nicht zur Ruhe und nimmt eine Entwicklung, die in Afrika schon überwunden schien - die, von Militärs geführt zu werden.
Die Armut ist groß in der Sahelzone. Schlechte Regierungen, korrupte Eliten und die Folgen der Klimakrise sind eine explosive Mischung, die zum Erstarken terroristischer Organisationen geführt haben. Al-Kaida, der Islamische Staat, Boko Haram, Al Shabab - sie werden quasi "begleitet" von kriminellen Warlords, die weite Teile des Sahels unkontrollierbar machen.
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Sahelzone auch Thema bei Münchner Sicherheitskonferenz
43 Prozent der Todesfälle durch Terrorismus entfielen 2022 auf die Sahelzone, so der Global Terrorism Index. "Das sind erschreckende Zahlen", sagt Isabell Kump, Policy Advisor bei der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC). Auch dort wird das Thema und dessen Bedeutung für die internationale Gemeinschaft diskutiert.
"Die USA und die europäischen Partner sind mit einem Dilemma konfrontiert: Sie müssen sich entscheiden, ob sie sich im Zuge der Putsche zurückziehen, weil es immer schwieriger wird, gesetzte Ziele zu erreichen - oder, ob sie bleiben, weil ein Rückzug potentiell destruktiver wäre, auch weil andere Akteure wie Russland bereit sind, die Lücken zu füllen."
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Militärs profitieren oft vom Druck der Straße
Oft profitieren die Militärs vom Druck der Straße. Die Menschen fliehen vor Gewalt und Terror auf dem Land und schließen sich für wenig Geld Rebellengruppen an, die sich regelmäßig an die Macht putschen - um dann womöglich von den nächsten Militärregierungen abgelöst zu werden. Damit diese sich an der Macht halten können, verstärken sie die Sicherheit in den Hauptstädten, Grenzen werden durchlässiger und unkontrollierbar.
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Millionen Binnenflüchtlinge sind in der Sahelzone unterwegs. Eine Entwicklung, die auch in Europa Sorgen bereitet. "Im November 2023 hat die Militärjunta im Niger ein Gesetz aus dem Jahr 2015 aufgehoben, das den Schmuggel von Migranten unter Strafe gestellt hat. Dieses Gesetz wurde damals unter dem Druck der EU verabschiedet mit dem Ziel, die Zahl von Migranten aus Westafrika nach Europa zu begrenzen", sagt Isabell Kump von der MSC.
Nun fürchten einige in der EU, dass sich die Zahl an Menschen, die in Europa Zuflucht suchen, wieder erhöht.
Für Europa bleibt die Sahelzone eine riesige Herausforderung. Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich ist verhasst, zu einigen Ländern gibt es nicht einmal mehr diplomatische Beziehungen. In diesem Vakuum - und vor dem Hintergrund des russischen Einflusses - rufen viele nach einer Führungsrolle Deutschlands.
"Grundsätzlich braucht es aber einen gesamtheitlichen europäischen Ansatz," so Sahel-Expertin Kump. "Die europäischen Partner müssen ihre Strategie gegenüber der Sahelzone, und damit die Zusammenarbeit mit den regionalen Partnern, überarbeiten."
Susann von Lojewski ist Leiterin des ZDF-Studios in Nairobi, zuständig für Ost-, Zentral- und Westafrika.
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