Sahel-Allianz in Berlin: Wie umgehen mit Putsch-Staaten?
Sahel-Allianz tagt in Berlin :Dilemma: Wie umgehen mit Putsch-Staaten?
von Ines Trams
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Treffen der Unterstützergruppe für den Sahel unter Leitung von Entwicklungsministerin Svenja Schulze. Doch die drei Staaten, um die es hauptsächlich gehen soll, sind nicht dabei.
Svenja Schulze ist Gastgeberin der Sahel-Allianz in Berlin. (Archivfoto)
Quelle: epa
Voll ist es am Dienstag im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Berlin. Generalversammlung der Sahel-Allianz. Gastgeberin ist die derzeitige Vorsitzende, Ministerin Svenja Schulze, rund 150 Teilnehmer aus 30 Ländern sind angereist. Das Ziel: Über Investitionen und Entwicklungszusammenarbeit mehr Jobs und bessere Perspektiven schaffen.
Staaten wenden sich Russland zu
Doch drei Staaten haben keine Vertreter geschickt: Mali, Niger und Burkina Faso wollten ihre Botschafter schicken. Doch es kam keiner von ihnen. Es heißt, sie hätten Anweisungen aus ihren Heimatländern bekommen, nicht an dem Treffen teilzunehmen.
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Und so wird die Frage, die sich die Geberländer bislang abstrakt stellten, sehr konkret: Wie können sie Hilfsprogramme aufsetzen für Länder, deren Regierungen den Unterstützern den Rücken zukehren? Für Länder unter Militärregierungen, die sich an die Macht geputscht haben und sich nun Russland zuwenden.
Schulze: Drei Länder fehlen
In der Pressekonferenz nach dem Treffen gibt Gastgeberin Schulze auf Frage des ZDF zu, man müsse nicht drumherum reden, die Länder hätten gefehlt. Dennoch seien abseits der Konferenz bilaterale Kontakte möglich, auch wenn sie nicht einfach seien. Schulze beteuert:
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Ungeachtet der fehlenden Putsch-Staaten bringt die Konferenz eine Bildungsinitiative auf den Weg, angestoßen vom deutschen Entwicklungsministerium und der Weltbank, umgesetzt werden soll sie in Burkina Faso, Mauretanien, Niger und Tschad.
Dilemma: Wie umgehen mit einer Junta?
Doch wie soll man nun mit den Junten umgehen? "Kein business as usual", hört man aus der Sahel-Allianz. Allerdings will man Drähte aufrechterhalten, vielleicht für eine Zeit, in der sich die Putsch-Staaten enttäuscht von Russland abwenden. Künftig will man mehr denn je regierungsfern und bevölkerungsnah agieren, mit der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten, lokale und regionale Strukturen stärken, ihnen die Mittel zukommen lassen.
Die Sahel-Staaten Mali, Burkina Faso und Niger werden seit Jahren von islamistischen Milizen mit Gewalt überzogen, die den Terrorgruppen Al-Kaida und IS nahestehen und auch mit internationaler Unterstützung nicht besiegt werden konnten. Nach Militärputschen wenden sich alle drei Staaten von europäischen und amerikanischen Partnern ebenso wie Nachbarstaaten ab und Russland zu, das militärisches Personal in alle drei Länder schickt. In Burkina Faso hat Moskau nach 32 Jahren nun wieder eine Botschaft. Zu Beginn dieses Jahres sind erste russische Truppen in Burkina Faso angekommen.
Alle drei Staaten sind inzwischen aus der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS ausgetreten und haben einen eigenen Verteidigungspakt begründet. Dennoch nehmen dschihadistischer Terror und Überfälle auf Gemeinden zu. Rund 4,3 Millionen Menschen sind in der Region vor Gewalt auf der Flucht. Die Sahel-Allianz wurde 2017 von Deutschland, Frankreich und der EU gegründet, um Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger und Tschad zu unterstützen. Sie hat heute 27 Mitglieder, darunter die USA sowie die Weltbank und die Afrikanische Entwicklungsbank. Deutschland ist der fünftgrößte Geldgeber und mit 160 Vorhaben mit einem Gesamtvolumen von 1,8 Milliarden Euro beteiligt. Insgesamt engagiert sich die Sahel-Allianz mit über 23 Milliarden Euro in der Region.
Doch klar ist auch: Das ist einfacher gesagt als getan. Nicht immer ist es möglich, unter Umgehung der autoritären Regierungen auf lokalem Level zu arbeiten. Das gilt natürlich auch für das Bildungsprogramm, das die Sahel-Allianz nun gerade angeschoben hat.
Mit Militärmachthabern reden: Ja oder nein?
Erschwerend kommt hinzu: Die drei beteiligten Ressorts der Bundesregierung - Auswärtiges Amt, Verteidigungs- und Entwicklungsministerium - ringen miteinander in der Frage, wie umgehen mit Putschisten. Der sogenannte vernetzte Ansatz, bei dem Sicherheit und Entwicklung mit den Hebeln der Außenpolitik Hand in Hand gehen sollen, droht angesichts dieser Differenz zu zerkrümeln.
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Das pragmatische Vorgehen der Minister Boris Pistorius und Schulze - die sich beide mit Vertretern der Putschregierungen von Niger, beziehungsweise von Burkina Faso an einen Tisch setzten in den letzten Monaten - geht eher nicht zusammen mit einer wertegeleiteten Außenpolitik, die Außenministerin Annalena Baerbock verfolgen will. Sie, so scheint es, will sich fernhalten von demokratisch nicht legitimierten Putschisten. Anfang dieser Woche reiste sie nach Westafrika, allerdings in den Senegal. Dort erkennt das Auswärtige Amt einen möglichen Partner, der vom Rand aus auf die krisengeschüttelten Sahelstaaten einwirken könnte. Die Putsch-Staaten steuerte sie nicht an.
Sahel-Politik: Neue Strategie nötig
Der deutsche Lufttransportstützpunkt in Niger, der vor der Schließung steht, die ausgelaufene Ausbildung der Sicherheitskräfte in Mali und Niger, die eingefrorene bilaterale westliche Zusammenarbeit mit den Putsch-Staaten - all das steht für eine Sahel-Politik, die ins Stocken geraten ist. Es braucht einen neuen Ansatz, auch neue Ansprechpartner in der Region. Doch offen ist derzeit, wie eine solche Strategie aussehen soll und wer langfristig neuer Partner sein könnte.
Im Juli, so kündigte der Vize-Präsident der Weltbank, Ousmane Diagana auf der Konferenz der Sahel-Allianz an, würden sich die Bildungsminister der Sahel-Staaten im Tschad treffen, um die Bildungsinitiative anzuschieben. Er war hoffnungsfroh, dass alle Staaten teilnehmen würden. Auch die, die der Vollversammlung in Berlin ferngeblieben waren.
Quelle: ZDF
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