Wer sind die Russen, die für Kiew gegen Putin kämpfen?

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Russen kämpfen für die Ukraine:Wer sind die russischen Putin-Gegner?

ZDFheute Update - Kevin Schubert
von Kevin Schubert
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Russische Putin-Gegner sind offenbar in russische Gebiete nahe der ukrainischen Grenze eingedrungen. Wer sind die Russen, die für Kiew gegen Putin kämpfen? Die Operation erklärt.

"Wir sind endlich zu Hause", schreibt das Sibirische Bataillon am frühen Morgen auf Telegram. In der Nacht habe ein Kampfeinsatz begonnen. Das versprochene Ziel: "Freiheit und Gerechtigkeit in unser russisches Land" bringen. Untermalt von martialischen Bildern, die schwer bewaffnete Kämpfer bei angeblichen Gefechten zeigen, schreibt das Bataillon: "Auf russischem Territorium kommt es zu heftigen Kämpfen."
Was passiert da am Dienstag in den russischen Gebieten Belgorod und Kursk? Und wer sind die russischen Gegner von Wladimir Putin, die da operieren - die Legion "Freiheit Russlands", das Russische Freiwilligenkorps und das Sibirische Bataillon? Der Militärexperte András Rácz beantwortet ZDFheute die wichtigsten Fragen.

Was ist über die Operation der Putin-Gegner bekannt?

Bislang nicht viel. Nach eigenen Angaben sind die Kämpfer in Orte der russischen Regionen Belgorod und Kursk vorgerückt. Die Grenze bei Losowaja Rudka soll zumindest zeitweise unter Kontrolle der Putin-Gegner gewesen sein, teilte der in der Ukraine lebende Ex-Abgeordnete der russischen Duma, Ilja Ponomarjow, auf seinem Telegram-Kanal mit.
Karte, Ukraine, Russland, Belgorod, Kursk
Quelle: ZDF

Das russische Verteidigungsministerium gab an, die Truppen aus der Ukraine hätten in der Nacht zunächst grenznahe Dörfer beschossen. Anschließend seien sie an drei Stellen mit Panzern und gepanzerten Fahrzeugen vorgerückt. Die Angriffe seien abgewehrt worden.
Weder die russischen Militärangaben noch die Angaben Ponomarjows sind unabhängig überprüfbar. "Da es sich um eine laufende Kampfhandlung handelt, liegen nur wenige Einzelheiten vor", sagt der Militärexperte András Rácz. "Grundsätzlich handelt sich dabei aber um kleine Überfälle, die eher ein politisches Ziel haben als eine echte militärische Wirkung."

Rasz Andras
Quelle: DGAP

... ist Experte für Mittel- und Osteuropa, Russland und Zentralasien bei der Deutschen Gesellschaft für Außenpolitik (DGAP). Zuvor war der Politologe außerordentlicher Professor an der Péter-Pázmány-Universität in Budapest und Mitarbeiter des Estnischen Instituts für Außenpolitik in Tallinn.
Quelle: DGAP

Wer sind die russischen Putin-Gegner?

Die Legion "Freiheit Russlands", das Russische Freiwilligenkorps sowie das Sibirische Bataillon sind "integrale Bestandteile der ukrainischen Streitkräfte", erklärt Rácz, also "keine Söldnergruppen, Freiberufler oder irgendeine Art von Plünderern". Nach dem, was bekannt sei, "bestehen die Einheiten aus ethnischen Russen, die auf ukrainischer Seite kämpfen", sagt Rácz. In den Milizen kämpfen auch ultrarechte Nationalisten.
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Operieren die russischen Putin-Gegner auf eigene Faust?

"Mit Sicherheit nicht", sagt Militärexperte Rácz. "Diese Truppen sind Teil des ukrainischen Militärs. Sie können nicht auf eigene Faust handeln. Das wäre Rebellion."

Dies ist eine autorisierte, ukrainische Militär-Operation.

Militärexperte András Rácz

Ein Sprecher des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Andrij Jussow, betonte in Kommentaren für Kiewer Medien, dass die Einheiten ausschließlich aus russischen Staatsbürgern bestünden. "Auf dem Gebiet der Russischen Förderation handeln sie absolut autonom, selbständig und setzen ihr gesellschaftlich-politisches Programm um", sagte Jussow dem Internetportal Ukrajinska Prawda.

Wie stark sind die Truppen?

Die Legion "Freiheit Russlands" habe in etwa die Stärke eines Bataillons, verfüge also über ein paar Hundert Kämpfer, sagt Rácz. Das Sibirische Bataillon nenne sich zwar Bataillon, viele Einheiten im Ukraine-Krieg "übertreiben aber ihre Stärke", sagt Rácz. Er schätzt, dass das Sibirische Bataillon sowie das Russische Freiwilligenkorps in etwa die Stärke eines schwachen Bataillons haben.

Was können die Truppen bei einer Operation erreichen?

Mit ihrer Stärke seien sie in der Lage, "Überraschungsangriffe in den russischen Grenzregionen durchzuführen und die russischen Grenzeinheiten zu überwältigen", erklärt Rácz. "Sie sind in der Lage, kleine Gebiete für eine kurze Zeit zu halten", wobei es der Ukraine nicht darum gehe, Territorium zu gewinnen.

Sie gehen rein, richten Schaden an, machen viel Lärm - und ziehen wieder ab, bevor Russland größere Kräfte mobilisieren kann.

Militärexperte András Rácz

Größer sei die politische Bedeutung dieser Operationen, sagt Rácz. Die Ukraine habe bereits zu Beginn des Jahres erklärt, dass es zur Strategie gehöre, den Krieg auch nach Russland zu tragen. "Das ist nicht der erste Überfall - und wahrscheinlich auch nicht der letzte", sagt Rácz.

Warum greifen die Putin-Gegner gerade jetzt an?

"In Russland stehen an diesem Wochenende Präsidentschaftswahlen an", sagt Militärexperte Rácz. "Ein Einmarsch wie dieser ist für das Putin-Regime und insbesondere seine lokalen Anhänger in der Region Belgorod äußerst ungünstig."

Droht durch den Angriff eine weitere Eskalation?

"Das glaube ich nicht", sagt Rácz. Bevor Russland weiter eskaliere, brauche es mehr.

Auf Telegram fordern die Truppen russische Bürger zur Hilfe auf - erfolgreich?

Auch das bezweifelt Rácz. "Wenn die Putin-Gegner Informationen aus der Bevölkerung erhalten und sie verifizieren können, ist das natürlich hilfreich. Ich bin allerdings skeptisch, ob Einheimische tatsächlich bereit sind, diese Einheiten zu unterstützen. Die wenigsten Zivilisten mögen es, wenn Militäreinheiten ihre Dörfer überfallen", konstatiert der Militärexperte. Er hält die Aufrufe deshalb vor allem für Propaganda.
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Quelle: mit Material von dpa

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