Kinder-Militär-Ausbildung durch Russisches Rotes Kreuz?

    Exklusiv

    Militär-Ausbildung von Kindern:Russisches Rotes Kreuz unter Druck

    von Jonas Halbe, Carina Huppertz und Timo Schober
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    Enthüllungen zeigen die fragwürdige Rolle des Russischen Roten Kreuzes bei der militärischen Ausbildung von Kindern. Schweden fordert Aufklärung, der Rotkreuz-Dachverband mauert.

    Die Rolle des Russischen Roten Kreuzes in der militärischen Ausbildung von Kindern
    Das Russische Rote Kreuz als Mitorganisator von "militärisch-patriotischen Ferienlagern".
    Quelle: Mart Nigola / Delfi Estonia

    Das Russische Rote Kreuz (RRK) ist beteiligt an der militärischen Ausbildung von Kindern und Jugendlichen in Russland. Neue Recherchen zeigen, wie Minderjährige in sogenannten "militärisch-patriotischen Ferienlagern" lernen, mit Waffen zu hantieren.
    Die jüngsten Teilnehmer sind offenbar gerade einmal acht Jahre alt. Insgesamt fanden ZDF frontal, der Spiegel und ein internationales Journalistenteam Hinweise auf mehr als ein Dutzend militärischer Veranstaltungen für russische Kinder und Jugendliche, an denen das Russische Rote Kreuz beteiligt war.
    Der russische Präsident Wladimir Putin während einer Veranstaltung im Kreml.
    Wenn am 17. März 2024 in Russland die Präsidentschaftswahl stattfindet, soll um die erwartete Wiederwahl von Wladimir Putin möglichst wenig dem Zufall überlassen werden.27.02.2024 | 9:45 min

    Paramilitärische Lager für Kinder

    Außerdem schloss der russische Ableger der Hilfsorganisation im Januar einen Kooperationsvertrag mit "Artek" ab. Der Verein "Artek" organisiert paramilitärische Lager für Kinder und Jugendliche auf der von Russland völkerrechtswidrig annektierten Halbinsel Krim.
    Veranstaltung "Operation Patriotischer Pfeil"
    Auf der Veranstaltung "Operation Patriotischer Pfeil" in St. Petersburg dürfen Kinder mit Waffen hantieren.
    Quelle: vk net/Anastasia Tschagina

    Der Leiter von "Artek" ist von der Europäischen Union (EU) sanktioniert, weil er verstrickt sein soll in die Deportation ukrainischer Kinder in russisch besetztes Gebiet.

    Das Kreml-Leak stammt aus der russischen Präsidialverwaltung. Es umfasst etwa 30 Unterlagen und Papiere, die von 2020 bis Dezember 2023 datiert sind. Sie wurden dem estnischen Medium "Delfi" zugespielt, welches sie mit dem ZDF, dem "Spiegel", dem österreichischen "Standard" und der Schweizer Tamedia-Gruppe, den russischen Exilmedien "Meduza" und "iStories" sowie "Expressen" aus Schweden, "Frontstory.pl" aus Polen und der Osteuropa-Plattform "VSquare.org" geteilt und ausgewertet hat. Später sind der britische Guardian und der finnische Fernsehsender Yle zu dem Rechercheteam dazugestoßen.

    Bereits Ende Februar hatte ZDF frontal mit internationalen Partnermedien aufgedeckt, wie Wladimir Putin das Internationale Komitee vom Roten Kreuz in den besetzten Gebieten in der Ukraine verdrängen und durch den kremltreuen Ableger ersetzen will.
    Zudem ehrte das vermeintlich neutrale Russische Rote Kreuz Rüstungsbetriebe.
    Das Russische Rote Kreuz (RRK) wies inzwischen den Vorwurf zurück, es würde mit militärischen oder paramilitärischen russischen Organisationen zusammenarbeiten. Nach Veröffentlichung der Recherchen teilte die Organisation mit, sie arbeite mit russischen Behörden und gemeinnützigen und kommerziellen Organisationen zusammen und unterrichte so jährlich Tausende Schüler und Studenten in Erster Hilfe. "Die in Kinderlagern durchgeführten Veranstaltungen stehen voll und ganz im Einklang mit dem Mandat des Russischen Roten Kreuzes" und würden nach dem "Grundsatz der Neutralität" durchgeführt.
    Putin
    Der estnischen Online-Plattform "Delfi" sind Dokumente aus der russischen Präsidialverwaltung zugespielt worden, ZDF und der Spiegel haben sie ausgewertet. 27.02.2024 | 1:38 min

    USA und Schweden wichtige Geldgeber der IFRC

    Die neuen Enthüllungen erhöhen den Druck auf die Rotkreuz-Bewegung. "Jetzt ist völlige Transparenz erforderlich", verlangt das schwedische Außenministerium. Man erwarte von der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC), dass jetzt schnell gehandelt werde, sagte ein Sprecher dem ZDF.
    Dazu könne auch ein Ausschluss des Russischen Roten Kreuzes aus dem Verband gehören. Das US-Außenministerium sprach von "äußerst beunruhigenden Anschuldigungen". Schweden und die USA gehören zu den wichtigsten Geldgebern der IFRC.
    Coerper und Zimmermann zur Kreml-Propaganda
    Die Kreml-Propaganda zeichne ein Bild von Deutschland, "das Russland anzugreifen droht", so Armin Coerper aus dem ZDF-Studio in Moskau.04.03.2024 | 5:11 min

    Wird Russland aus dem IFRC ausgeschlossen?

    Laut den IFRC-Statuten ist eigentlich das "Compliance and Mediation Committee" zuständig, einen "potenziellen Integritätsverstoß" zu untersuchen. Gemeinsam mit zwei weiteren Mitgliedern des Gremiums ist es Aufgabe der Vorsitzenden zu prüfen, ob es genügend Beweise gibt. Falls ja, beginnen die Ermittlungen.
    Dies ist laut IFRC noch nicht geschehen. Im vergangenen Jahr wurde das Belarussische Rote Kreuz aus dem Dachverband suspendiert. Die Organisation beteiligte sich an der Verschleppung von ukrainischen Kindern.
    "Terra X History: Putins Helfer - Komplizen des Kremls". Präsident Wladimir Putin bei einer TV-Ansprache.
    Wladimir Putin führt Russland mit harter Hand. An seiner Seite steht eine kleine Clique eingeschworener Gefolgsleute.22.10.2023 | 44:59 min
    Im Fall des Russischen Roten Kreuzes dürfte ein Ausschluss nicht ganz so einfach sein. Die IFRC fürchtet offenbar um den Zugang des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz zu russischen Kriegsgefangenen.
    Russland verweigert diesen zwar bereits weitgehend, der Kommunikationskanal nach Moskau soll aber auf keinen Fall verloren gehen.

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