Ramstein-Treffen: "Ukraine nähert sich Stunde der Wahrheit"
Interview
Treffen der Kontaktgruppe:"Ukraine nähert sich Stunde der Wahrheit"
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Ralf Fücks kritisiert die Ampel für den Umgang mit dem Ukraine-Krieg. Deutschland komme seiner Verantwortung nicht nach, sagt der Leiter der Denkfabrik ”Zentrum Liberale Moderne”.
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Auf dem US-Stützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz kommt an diesem Freitag die sogenannte Kontaktgruppe für die Verteidigung der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg zusammen. Ralf Fücks, geschäftsführender Gesellschafter des Zentrums Liberale Moderne in Berlin, fordert im ZDFheute-Interview, dass die Restriktionen für westliche Waffen in der Ukraine aufgehoben werden und sieht die "Stunde der Wahrheit" näherrücken.
ZDFheute: Wie beurteilen Sie die Lage in der Ukraine vor dem Hintergrund, wie stark sich die EU engagiert oder eben nicht mehr engagiert?
Ralf Fücks: Die Ukraine nähert sich der Stunde der Wahrheit und das gilt auch für den Westen. So wie es jetzt aussieht, kann die Ukraine diesen Krieg nicht unendlich fortsetzen. Dazu sind die Zerstörungen zu groß, es gibt große Verluste auch an der Front.
Quelle: Ludwig Rauch
... ist geschäftsführender Gesellschafter des "Zentrums Liberale Moderne" in Berlin, das sich als Thinktank und Diskussionsplattform zur Erneuerung der liberalen Demokratie versteht. Zuvor war er 21 Jahre lang Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. Er ist Parteimitglied der Grünen.
Und auf Seiten des Westens ist völlig unklar, was eigentlich unser Ziel ist. Setzen wir darauf, dass Putin in der Ukraine eine Niederlage erleiden muss mit diesem Aggressionskrieg oder setzen wir auf irgendeine Art von Verhandlungsfrieden?
Wobei ich den Begriff Frieden gar nicht ernsthaft gebrauchen möchte, weil ich mir mit Putin und seinen Vorstellungen zur Zukunft der Ukraine keine nachhaltige Friedenslösung vorstellen kann und die Ukraine auch nicht. Es ginge also bestenfalls um einen Waffenstillstand. Dann wäre es die Aufgabe, die Ukraine in eine möglichst starke militärische Position zu bringen, damit sie nicht aus einer Position der Schwäche verhandeln und am Ende einen russischen Diktatfrieden akzeptieren muss.
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ZDFheute: Haben Sie das Gefühl, bei der Unterstützung der Ukraine Ermüdung festzustellen?
Fücks: Das ist ja offenkundig. Es fehlt sowohl an einem Sinn für Dringlichkeit angesichts der humanitären Katastrophe in der Ukraine und der kritischen militärischen Situation, als auch dafür, was für Europa auf dem Spiel steht. Es geht ja nicht nur um die Zukunft der Ukraine.
Dann haben wir eine massive Sicherheitsbedrohung auch für die EU und für die Nato. Das läuft auf einen Abnutzungskrieg hinaus, in dem die Ukraine langsam verblutet. Ich finde das angesichts der historischen Bedeutung dieses Krieges ein enormes politisches Versagen.
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ZDFheute: Warum ist das so?
Fücks: Aus Furcht vor der Eskalation des Krieges. Es gibt ja immer die Spekulation über Putins rote Linien, statt dass wir ihm klare Grenzen setzen, bis hierher und nicht weiter.
Fücks: Ich sehe einen krassen Mangel an politischer Führung: sowohl gegen die Widerstände, die es in Deutschland selbst gegen eine Unterstützung der Ukraine gibt als auch im Hinblick auf unsere Rolle in Europa. Das löst wirklich Entsetzen bei vielen unserer Partner aus, nicht nur in der Ukraine, auch im Baltikum oder Polen. Auch in einigen westeuropäischen Staaten, die gemessen an ihrem Sozialprodukt die Ukraine sehr viel stärker unterstützen als wir, wie Dänemark zum Beispiel.
Wir kommen unserer politischen Verantwortung nicht nach und wir riskieren damit auch den Zusammenhalt der Europäischen Union und der Nato.
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ZDFheute: Was für ein Signal muss in dieser Phase aus Ramstein kommen?
Fücks: Die Erwartungen der Ukraine sind klar. Die Restriktionen müssen aufgehoben werden für den Einsatz westlicher Waffen gegen militärische Ziele in Russland. Das ist existenziell für die Ukraine, um sich gegen diesen permanenten Bombenterror verteidigen zu können und auch um auf der Seite Russlands das Kosten-Nutzen-Kalkül zu verändern.
Man muss den Preis Russlands für diesen Krieg erhöhen, wenn man Putin zu ernsthaften Verhandlungen bringen will. Und das Zweite ist eine klare Perspektive für den Nato-Beitritt der Ukraine, weil nur das die Ukraine gegen einen neuen russischen Angriff sichern kann.
Das Interview führte ZDF-Korrespondent Ulf Röller.
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