Von Russland nach Aserbaidschan: Putin zu Besuch bei Alijev

    Analyse

    Kremlchef in Aserbaidschan:Welches Signal Putin mit Baku-Trip setzen will

    von Felix Klauser
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    Während die Krise im russischen Kursk weiter schwelt, reist Präsident Putin nach Aserbaidschan. Welches Signal er damit setzen will und welche Rolle Gasexporte spielen könnten.

    Aserbaidschans Präsident Ilham Alijev (rechts) und Russlands Präsident Wladimir Putin (links) sitzen vor ihren jeweiligen Nationalflaggen und sprechen miteinander.
    Vladimir Putin fährt ausnahmsweise selbst zum Staatsbesuch nach Aserbaidschan. Dort trifft er sich mit dem aserbaidschanischen Präsidenten Aliyev.
    Quelle: afp/Vyacheslav Prokofyev

    Normalerweise lässt Wladimir Putin seine Amtskollegen aus den früheren Sowjetrepubliken gern nach Moskau reisen - heute ist er ausnahmsweise selbst der Gast. Zum Staatsbesuch nach Aserbaidschan kann er trotz Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gefahrlos reisen und signalisiert zugleich, wie wichtig ihm das Treffen mit dem dortigen Präsidenten Alijew ist.

    Wieso Putin während der Kämpfe um Kursk ins Ausland reist

    Bemerkenswert ist die Reise des russischen Präsidenten insbesondere wegen des Zeitpunktes: In der Region Kursk wird noch immer gekämpft, ukrainische Truppen sind nach wie vor auf russischem Gebiet aktiv. Dass Putin trotzdem an seinen Reiseplänen festhält, soll innenpolitisch wohl das Signal setzen: alles unter Kontrolle, alles "business as usual".
    Und "Business", also Geschäfte, könnte ein gutes Stichwort für die Reise sein: Denn Beobachter sehen den ersten Besuch in Baku seit 2018 auch unter einem wirtschaftlichen Aspekt. Einen, bei dem es - wie so häufig - um russische Rohstoffe geht: "Ich denke, dass das Gas eines der wichtigen Themen der Gespräche ist", sagt Michail Krutichin, russischer Wirtschaftsanalyst und Experte für den Gasmarkt.

    Beobachter gehen seit geraumer Zeit davon aus, dass Russland versuchen wird, sein Gas über Aserbaidschan nach Europa zu bringen.

    Michail Krutichin, russischer Wirtschaftsanalyst

    Auf dem Bild ist der amtierende Präsident Aliyev von Aserbaidschan zu sehen.
    Der alte und neue Präsident Aserbaidschans – allerdings hoch umstritten. Aliyev führt das Land mit autoritärer Hand, es grassieren Korruption und soziale Ungleichheit.14.02.2024 | 6:50 min

    Transitvertrag durch die Ukraine endet

    Diese Einschätzung dürfte auch mit dem Ende des Jahres auslaufenden Vertrag für den russischen Gastransit durch die Ukraine zusammenhängen. Für Russland droht damit ein beträchtlicher Teil seiner Gasexporte gen Westen zu entfallen. Knapp ein Drittel der Exporte läuft durch die Ukraine, rund 15 Milliarden Kubikmeter pro Jahr.
    Dass die Ukraine den Transitvertrag verlängert - die einzige noch bestehende politische und wirtschaftliche Verbindung zwischen Moskau und Kiew - galt lange als äußert unwahrscheinlich. Hinter den Kulissen sondieren europäische Regierungsvertreter allerdings, wie doch noch an Lieferungen festgehalten werden kann.

    EU importiert weiterhin russisches Gas

    Das dürfte auch daran liegen, dass die Abkehr von russischem Gas in Europa schwerfälliger vonstattengeht als geplant. Im ersten Quartal 2024 machte russisches Gas 18 Prozent der EU-Importe aus. Vor allem Österreich, die Slowakei und Ungarn beziehen Gas aus der Pipeline, die durch die Ukraine läuft.
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    Aserbaidschan könnte Alternative für Gasimporte sein

    Berichten zufolge könnte Baku helfen, das Dilemma zu lösen. Denn Aserbaidschan, das Präsident Alijew seit 2003 in autoritärem Stil regiert, ist an die russischen Pipelines angebunden und könnte sein Gas so künftig über Russland und die Ukraine nach Europa liefern.

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    Die Europäische Union, die seit 2022 daran arbeitet, ihre Gasimporte aus Aserbaidschan zu erhöhen, äußert sich bislang nicht zu möglichen Verhandlungen. Doch Oleksij Tschernyschow, Chef des staatlichen ukrainischen Energiekonzerns Naftogaz signalisiert: Gas aus Aserbaidschan in die ukrainischen Leitungen einzuspeisen könnte eine Zukunft haben.
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    Etikettenschwindel beim Gasimport?

    Experten bezweifeln jedoch, dass Aserbaidschan kurzfristig genügend zusätzliche Gasmengen bereitstellen kann, um den russischen Part zu ersetzen - und befürchten stattdessen eine Art Etikettenschwindel. Denn Aserbaidschan importiert bereits russisches Gas und könnte dieses nach Europa re-exportieren.

    Es wird immer noch russisches Gas sein, nicht aserbaidschanisches, weil Aserbaidschan einfach nicht über so viel Gas verfügt, wie Russland im Rahmen dieses Systems liefern sollte.

    Michail Krutichin, russischer Wirtschaftsanalyst

    Baku dementiert solche Pläne und auch der Kreml schweigt. Fest steht, dass Russland ein Interesse daran haben dürfte, dass der Gasfluss gen Westen nicht versiegt. Zum ersten Mal seit 1999 hat der Staatskonzern Gazprom in diesem Jahr einen Verlust eingefahren - die Einnahmen aus dem Gasgeschäft braucht der Kreml dieser Tage so dringend wie lange nicht.
    Felix Klauser berichtet als Korrespondent über Russland, den Kaukasus und Zentralasien.

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    Quelle: ZDF

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