Umstrittenes Gesetz: Wie Putin versucht, Georgien zu spalten
Umstrittenes Gesetz:Wie Putin versucht, Georgien zu spalten
von Sebastian Ehm
|
In Georgien geht der Kampf um das umstrittene Gesetz über die Finanzierung von Organisationen aus dem Ausland weiter. Beide Seiten stehen sich in Tiflis unversöhnlich gegenüber.
In Georgien spitzt sich der innenpolitische Streit über ein geplantes Gesetz zur Kontrolle von Einflussnahme aus dem Ausland zu. Kritiker und Befürworter demonstrieren in Tiflis.30.04.2024 | 1:34 min
Nino Baidauri hat eine Spiegelreflexkamera umgehängt und ihr Handy in der Hand. Sie blickt nicht auf, tippt schnell Nachricht um Nachricht hinein. Sie kennt den Weg zum georgischen Parlament in Tiflis, auf dem Rustaveli Boulevard. Dort will sie mit Menschen sprechen, die gegen die Regierung protestieren.
Nino ist Journalistin für die unabhängige Online-Plattform netgazeti. Sie berichtet über georgische Politik und die Gesellschaft des EU-Beitrittskandidaten. Doch Georgien ist ein armes Land, sie kann mit ihrer Homepage nicht genug Geld einnehmen. Sie ist angewiesen auf finanzielle Hilfe, die sie hauptsächlich aus dem Ausland bekommt, beispielsweise von der holländischen Botschaft oder der amerikanischen Behörde für Entwicklungszusammenarbeit, die die Arbeit unabhängiger Medien gezielt fördern wollen.
Ein umstrittenes Gesetz spaltet Georgien. Die Regierung treibt ihr geplantes Gesetz zur Kontrolle von Einflussnahme aus dem Ausland trotz massiver Proteste voran.30.04.2024 | 2:09 min
"Es ist demütigend und sogar beleidigend, wenn die Regierung immer wieder wiederholt, dass es bei diesem Gesetzentwurf um Transparenz gehen soll", sagt Nino.
Es gehe nicht um Transparenz. "Es geht um die Diskreditierung und Beschneidung unabhängiger Medien", sagt Nino. Bereits jetzt werde sie an ihrer Arbeit behindert. Weil sie über die Proteste der vergangenen Wochen berichtet habe, dürfe sie nicht mehr ins Parlament und von dort berichten. Die Regierungspartei habe das verhindert. Das Gesetz mache kritische Berichterstattung dann gänzlich unmöglich, meint Nino.
Im georgischen Parlament ist es während einer Debatte zu einem umstrittenen Gesetzesentwurf zu einer Prügelei zwischen mehreren Abgeordneten gekommen.16.04.2024 | 2:19 min
Regierungspartei bringt Unterstützer nach Tiflis
Doch die Regierungspartei Georgischer Traum lässt sich von der Kritik und den Protesten im Land nicht beirren. Am Montag bringt sie ihrerseits Tausende Menschen in Minibussen aus dem ganzen Land in die Hauptstadt.
Es sind vor allem die älteren, konservativen Georgier, die das Gesetzesvorhaben unterstützen. Es soll Organisationen verpflichten, sich behördlich registrieren zu lassen, wenn sie teilweise aus dem Ausland finanziert werden. Magda, die unter den Protestierenden ist, sagt: "Wir wollen, dass dieses Transparenzgesetz akzeptiert wird und dass unsere Sprache, unser Mutterland, unsere Religion erhalten bleiben."
Aufgrund des russischen Angriffskriegs hat Georgien bereits im März 2022 einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft eingereicht. Beim EU-Gipfel soll über eine Mitgliedschaft beraten werden.13.12.2023 | 2:26 min
Iwanischwili Putins Mann in Georgien?
Die Regierung spricht gezielt die Ängste an, die sie für sich nutzen will. Georgien würde seine Identität verlieren, wenn es sich nach Westen öffnen würde. Das ist eine bekannte Narration des Kremls. Bidzina Iwanischwili ist der starke Mann der Partei Georgischer Traum. Er hat die Partei 2012 gegründet und war selbst mal Premierminister. Er gilt als russlandfreundlich und macht daraus auf der Bühne keinen Hehl.
"Die Finanzierung von Nicht-Regierungsorganisationen, die vorgeben, uns zu helfen, dient in Wirklichkeit dazu, die Geheimdienste zu stärken und sie an die Macht zu bringen. Dieses Geld hat nichts mit Hilfe zu tun, sondern ihr einziges Ziel ist der Verlust der georgischen Souveränität" sagt Iwanischwili vor einer aufgeheizten Menge.
Worte, die auch aus dem Kreml stammen könnten - ein Vorwurf, der in Tiflis schon oft zu hören war. Denn obwohl Russland rund 20 Prozent des Landes in Südossetien und Abchasien besetzt hält, waren die Verbindungen zuletzt wieder enger geworden. Sogar Direktflüge Tiflis - Moskau wurden wieder aufgenommen. Wladimir Putin betrachtet Georgien traditionell als seine Einflusssphäre.
Georgien gilt seit jeher als russische Einflusssphäre. Viele Menschen überlegen, wie sicher ihre Zukunft dort ist. Protestierende Studierende fordern den Eintritt in die EU.30.03.2023 | 2:18 min
Gesetz begünstige Verleumdung, nicht Transparenz
Marcel Röthig, der für die Friedrich-Ebert-Stiftung in Tiflis ist, sagt, dass es der Regierungspartei nicht um Transparenz gehe, wie sie die Georgier glauben machen will. "Diejenigen, die sich für freie Wahlen, Menschenrechte, Pressefreiheit oder Umweltschutz engagieren, müssen sich als Vertreter ausländischer Mächte bezeichnen lassen."
Nino Baidauri will weitermachen mit ihrer Arbeit, aber auch mit dem Kampf gegen das Gesetz, der für sie auch ein Kampf gegen Russland sei. Am Dienstag hat das Parlament in Tiflis mit der zweiten Lesung begonnen. Beobachter sind sich sicher, dass das Gesetz auch diese Hürde nehmen wird.
Sebastian Ehm berichtet als Korrespondent über Russland, den Kaukasus und Zentralasien