Ukraine-Krieg: Putins Forderungskatalog zum Friedensgipfel

    Störfeuer statt Angebot:Putins Forderungskatalog zum Friedensgipfel

    von Christian Mölling, András Rácz
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    Russland fordert von der Ukraine die Aufgabe von Land und Leuten. Es bietet im Gegenzug nichts, vor allem keine Verlässlichkeit.

    Wladimir Putin
    Der Vorschlag Putins sieht auch vor, dass sich die Ukraine auch aus solchen Gebieten zurückziehen soll, die Russland bislang nicht besetzen konnte.
    Quelle: epa

    Am 14. Juni, kurz vor dem von der Schweiz organisierten Friedensgipfel, nannte der russische Präsident Wladimir Putin seine Vorbedingungen für die Beendigung der Feindseligkeiten in der Ukraine.
    Als Vorbedingung allein für die Aufnahme von Verhandlungen erwartet Russland von der Ukraine den Rückzug aus den gesamten Gebieten der Regionen Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja. Putin drängt die Ukraine also nicht "nur" dazu, die bestehenden Frontlinien als Waffenstillstandslinie zu akzeptieren. Das war der Eckpfeiler verschiedener russischer Verhandlungsvorschläge – und versteckt sich hinter der Floskel, "die neuen territorialen Gegebenheiten anzuerkennen".

    Was sieht der Vorschlag Putins vor?

    Stattdessen sah der Putin-Vorschlag vor, dass sich die Ukraine auch aus solchen Gebieten zurückziehen sollte, die Russland bislang nicht besetzen konnte. Dazu gehören etwa 40 Prozent der Region Donezk, einschließlich der stark befestigten Städte Slawjansk und Kramatorsk. Außerdem sollte die Ukraine die Stadt Saporischschja, das Zentrum der gleichnamigen Region, aufgeben. Die russischen Streitkräfte kamen bislang auch nur in die Nähe der Stadt.
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    Wäre die Ukraine theoretisch auf den russischen Vorschlag eingegangen, hätte sie auch die im November 2022 befreite Regionalhauptstadt Cherson aufgeben müssen. Außerdem hätte die Ukraine durch die Aufgabe der befreiten Teile der Region Cherson Russland einen Übergang über den Fluss Dnipro zur Verfügung gestellt, da ein Teil der Region Cherson am rechten Ufer des Flusses liegt.

    Kein guter Grund, Russland zu vertrauen

    Mit anderen Worten: Putin forderte neben zwei regionalen Hauptstädten und viel Territorium auch einen Brückenkopf auf der westlichen Seite des Dnipro. Ein solcher Brückenkopf wäre eine ständige Bedrohung für den Rest der Ukraine gewesen, da es in der Region keine andere sinnvolle natürliche Grenze gibt. Darüber hinaus erwartete Putin, dass die Ukraine ihre Nato-Bestrebungen aufgeben würde.



    Russland hat zugesagt, den sicheren Abzug der ukrainischen Streitkräfte aus den vier Regionen zu gewährleisten. Ähnliche Versprechen hat Russland jedoch seit 2014 mehrfach gebrochen, nämlich dann, wenn den Ukrainern sicheres Geleit versprochen wurde, sie aber dennoch angegriffen wurden.
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    Sichere Aufgabe für Verhandlungen mit ungewissem Ausgang

    Da diese Bedingungen als Voraussetzungen für die Aufnahme von Friedensverhandlungen definiert wurden, kann man nicht den Eindruck gewinnen, dass Russland unmittelbare und unumkehrbare militärisch-strategische Zugeständnisse (d.h. die Abtretung großer Gebiete) im Austausch für eine zukünftige, weit entfernte Möglichkeit eines Friedensabkommens verlangte.
    Mit anderen Worten: Wäre die Ukraine diesen Forderungen nachgekommen, hätte sie beträchtliche Gebiete, ihre gesamten Verteidigungslinien, zwei Großstädte und große Teile ihrer militärischen und wirtschaftlichen Infrastruktur verloren - nur um dann der Gnade Russlands ausgeliefert zu sein, sein Versprechen zu halten und die Kämpfe nicht, wie schon in der Vergangenheit, unter Vorwänden wieder aufzunehmen.

    Putin-Vorschlag weiterer Versuch, Westen zu demütigen

    Berücksichtigt man auch den Zeitpunkt, das heißt einen Tag vor dem Friedensgipfel, zu dem Russland nicht eingeladen war, kann man diesen Putin-Vorschlag nur als Versuch bezeichnen, sowohl die Ukraine als auch den Westen zu trollen, lächerlich zu machen und zu demütigen.
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    Der Vorschlag wurde sowohl vom britischen Premierminister Rishi Sunak als auch vom deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz als "Propaganda" abgetan. Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni gab eine der vielleicht treffendsten Einschätzungen zu Putins Vorschlag ab: Während des G7-Gipfels charakterisierte sie die Idee als "Es scheint mir nicht besonders effektiv als Verhandlungsvorschlag, der Ukraine zu sagen, dass sie sich aus der Ukraine zurückziehen muss."
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